Ammersbek hat zwei neue Schiedspersonen. Sie sollen Streit schlichten und dadurch den Ahrensburger Amtsrichtern Arbeit ersparen.

Ammersbek. Ein junger Mann, nicht mehr ganz nüchtern, lässt sich eines nachts von einem Taxi nach Hause bringen. Dort angekommen, will er aber nicht bezahlen, dem Fahrer droht er Schläge an. Eine Dame, mittleren Alters, möchte nach der Trennung von ihrem Ehemann unbedingt den Hund behalten. Sie fordert das Sorgerecht. Und dann war da noch der ältere Herr, der mit dem Wuchs der Bäume auf dem Nachbargrundstück nicht einverstanden war. Mit der Säge löste er die Sache selbst.

Konflikte wie diese, die es in den vergangenen Jahren in Ammersbek gab, wurden nicht vor dem zuständigen Ahrensburger Amtsgericht geklärt. Sie konnten von der Ammersbeker Schiedsstelle gelöst werden - jener Institution, die die Richter in der Nachbarstadt seit Jahren entlastet. Jetzt steht in der Schiedsstelle ein personeller Wechsel an. Beate Böttcher, die seit Juli 2010 Schiedsperson war, legt das Ehrenamt aus persönlichen Gründen nieder.

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Mit Helmut Thater und Franziska Hausendorf bekommt sie gleich zwei Nachfolger. Thater, seines Zeichens Techniker in einem großen Unternehmen, wird die neue Schiedsperson, Franziska Hausendorf, die in Altersteilzeit bei einer Firma für Projektmanagement arbeitet, seine Stellvertreterin. Der Gemeinderat hat die beiden aus mehreren Bewerbern ausgewählt, das Ahrensburger Amtsgericht wird sie am Donnerstag vereidigen.

Was dann auf sie zukommt, schildert Beate Böttcher: "Der Großteil der Fälle sind Nachbarschaftsstreitereien. Die entstehen zum Beispiel, wenn jemand häufig Grillpartys veranstaltet, die dann einem anderen zu laut sind. Oder wenn jemand das Grundstück eines anderen unbefugt betritt. In einem Fall hatte auch ein Heizkessel, der im Garten steht und den Nachbarn zu laut ist, für Streit gesorgt." Hauptsächlich stritten sich die Nachbarn aber um eines: Bäume und Büsche, die über vermeintliche oder tatsächliche Grundstücksgrenzen hinweg wachsen.

Die Person, bei der die Fälle häufig zuerst landen, ist Marco Müller. Der langjährige Ordnungsamtsleiter entscheidet, welche Institution sich mit dem Problem befassen sollte. "Die Gemeinde wird aktiv, wenn es ein öffentliches Interesse gibt, der Baum also beispielsweise auf den Gehweg ragt. Wenn es ein reiner Nachbarschaftsstreit ist, dann versuche ich, die Streitenden an die Schiedsstelle zu vermitteln." Manchmal seien es auch die Mitarbeiter des Amtsgerichts, die die Streitenden zuerst einmal zur Schiedsstelle schicken - in der Hoffnung, dass sie sich dann nicht mehr mit der Sache befassen müssen.

Nicht selten klappt dieser Versuch. Mit zehn Schiedsfällen befasste sich Beate Böttcher alleine im Jahr 2011, hinzu kamen 17 sogenannte "Tür- und Angel-Fälle", bei denen schon eine kurze Beratung half. Zu jenen gehörte auch die Geschichte mit der Frau, dem Ex-Ehemann und dem Hund: "Ich habe ihr gesagt, dass die beiden feste Zeiten ausmachen sollten, wer wann den Hund haben kann. Ein bisschen wie mit einem Kind, nach einer Scheidung. Dann habe ich nie wieder was von ihr gehört."

Der Streit zwischen dem jungen Mann und dem Taxifahrer, zwei Ammersbekern, konnte schließlich mit einer Entschuldigung gelöst werden. Bei Fällen, die mit unerwünschtem Baumwuchs auf dem Nachbargrundstück zu tun haben, helfe häufig eine Belehrung über die tatsächliche Rechtslage, die im sogenannten Nachbarrecht zu finden ist. Das Buch ist ein Grundutensil einer jeden Schiedsperson.

Auch wenn sie für viele weitaus billiger als ein Rechtsstreit kommt - kostenlos ist auch die Arbeit der Schiedsstelle nicht, obwohl die Ehrenamtlichen keine Aufwandsentschädigung bekommen. 50 bis 60 Euro, so Beate Böttcher, müsse der Antragsteller für eine erste Beratung bezahlen, deren Termin individuell vereinbart werden kann. "Wenn man Sachverständige oder einen Dolmetscher braucht, wird es teurer", sagt Beate Böttcher - und dieser Fall komme durchaus vor.

Eine Schiedsperson sei zunächst einmal dazu verpflichtet, einen Fall anzunehmen. Wenn die Verhandlungen zu nichts führen, etwa, weil sich eine Partei als äußerst hartleibig erweist, könne aber auch eine "Erfolglosigkeitsbescheinigung" ausgestellt werden. Mit der können die Kontrahenten dann vor Gericht ziehen, auch wenn der Fall dort zuvor abgelehnt wurde. Gelingt die Schlichtung hingegen, wird in bestimmten Fällen ein Vergleich abgeschlossen, der juristisch gültig ist.

Was sind es eigentlich für Menschen, die sich über diese Dinge streiten? Und wäre es nicht besser, wenn sie die Streite in einem Gespräch, etwa bei einer Flasche Rotwein, lösen würden? Beate Böttcher bejaht letzteren Punkt entschieden. "In ganz vielen Fällen sprechen die Nachbarn einfach nicht miteinander. Ich versuche dann, sie dazu zu ermutigen. Aber das klappt nicht immer." Besonders schwierig sei es bei "ererbten" Streits, die schon die Eltern gepflegt haben.

Grundsätzlich handele es sich bei der Mehrzahl jener Personen, die die Schiedsstelle beschäftigen, um Menschen älterer Semester, die oft über 70 Jahre alt sind. Beate Böttcher vermutet einen Zusammenhang zwischen der vielen Zeit, über die Rentner verfügen, und der relativ hohen Streitbereitschaft in dieser Altersgruppe. "Manchmal geht es auch nach dem Tod eines Ehepartners los. 'Mein Mann war immer zu milde', heißt es dann", so Böttcher. Und sie ergänzt: "Als Schiedsperson merkt man leider schon, dass viele negative Menschen unterwegs sind".

Franziska Hausendorf und Helmut Thater lassen sich von dieser Perspektive nicht abschrecken. "Ich glaube, dass der Bedarf groß ist und dass die Fälle zum Teil interessant sind", sagt Helmut Thater, der unter anderem als Betriebsrat viel Erfahrung bei der Konfliktlösung gesammelt hat. Bei Franziska Hausendorf sind es eigene Erlebnisse, die sie dazu bewogen haben, Schiedsperson zu werden: "Ich kenne Nachbarschaftsstreite aus eigener Erfahrung. Eine Schiedsperson hätte ich damals hilfreich gefunden. Aber mein Nachbar wollte gleich vor Gericht", erzählt sie.

Natürlich gebe es bei der Arbeit auch positive Erlebnisse, sagt Beate Böttcher noch. Zum Beispiel, wenn eine Versöhnung gelingt. "In einem Fall haben sich die Nachbarn, nach einem langjährigen Streit über den Gartenzaun, wieder vertragen, nachdem sie die Rechtslage kannten. 'Eigentlich hätten wir uns das die ganzen Jahre sparen können', hat der Antragsgegner dann gesagt."