SPD-Maskottchen unterstützt Glinder Protest gegen Thor-Steinar-Laden. Räumungsklage kommt nächsten Monat vor Gericht

Glinde. Flügelschlagen, markige Sprüche und politisch-parodistische Liedchen wummern über Megafone über den Glinder Berg. Es ist der 135. Tag der Mahnwache vor dem im September eröffneten Thor-Steinar-Laden an der Möllner Landstraße, der bei Rechten beliebte Mode verkauft. Rund 30 Protestler haben sich wie jeden Tag vor dem Geschäft versammelt, tröten und buhen, wenn ein Kunde den Laden betritt oder ihn mit Tüten verlässt. Mittendrin tanzt diesmal ein mannsgroßer Stoffvogel mit schläfrigem, leicht dümmlichen Blick und Hitlerbärtchen: Storch Heinar. Das SPD-Maskottchen aus Mecklenburg-Vorpommern hatte zum politischen Aschermittwoch den weiten Flug auf sich genommen, um die Glinder Mahnwache zu unterstützen und "modeverwirrten Menschen" eine politische Typberatung zu verpassen.

Der Rollladen des Geschäftes wird wie immer, wenn die Protestler kommen, heruntergelassen. Hin und wieder schaut eine Verkäuferin durch die Glastür hinaus auf die bunte Protestgemeinschaft. "Mir ist nicht bekannt, dass in einer anderen Stadt so konsequent und mit so viel Gemeinsinn jeden Tag vor einem Thor-Steinar-Laden demonstriert wird. Das ist einfach nur beispielhaft", sagt Julian Barlen. Den Storchenvater und SPD-Landtagsabgeordneten in Mecklenburg-Vorpommern hatten die Grünen zu einer Podiumsdiskussion über Rechtsextremismus ins Glinder Bürgerhaus eingeladen. Gemeinsam mit dem Modestorch protestierte Barlen vorher am rechten Modeladen.

"Storch Heinar hat Thor Steinar auf dem Radar. Seine Kernkompetenz ist es, sich bewusst überspitzt über Nazis lustig zu machen. Dafür ist ihm kein Flug zu weit", sagt Barlen. Den Vogel hatten Jusos 2008 schlüpfen lassen - auch um Jugendliche stärker für das Thema Rechtsextremismus zu sensibilisieren.

Am Abend diskutierte Barlen im Bürgerhaus vor rund 130 Gästen mit dem Grünen-Bundestagsabgeordneten Konstantin von Notz, Glindes Bürgermeister Rainhard Zug, Grünen-Fraktionschef Wolf Tank und Johannes Ratzek, Sprecher der Bürgerinitiative. "Noch gibt es hier keine Szene, und das soll auch so bleiben", sagte Tank. Er sorge sich aber über die Gleichgültigkeit vieler Glinder. "Für einige ist es immer noch nur ein Klamottenladen. Deswegen ist es so wichtig, sich mit Aufklärung dagegenzustellen."

Dass der Protest weitergeht, sei trotz mehrerer Einschüchterungsversuche sicher.

"Bei unseren Treffen ist uns aufgefallen, dass fremde Personen unsere Autokennzeichen aufgeschrieben haben. Wir gehen davon aus, dass die Beobachter aus dem rechten Spektrum kommen", sagte Ratzek. Julian Barlen empfahl, bei zunehmender Bedrohung den Staatsschutz einzuschalten: "Das ist Aufgabe der Sicherheitskräfte."

Auch von einer Unterlassungsklage, die ein Anwalt der Ladenbesitzer angedroht hat, will sich die Bürgerinitiative nicht einschüchtern lassen. Sie stellt sich auf einen langen Kampf ein. Im März soll die Räumungsklage der Vermieterin vor Gericht gehen. Ihr Anwalt Christian Verstege geht von einem längeren Prozess aus. "Wir werden weitermachen, bis der Laden weg ist", sagte Johannes Ratzek. Für die kommenden Monate sind zahlreiche Aktionen unter dem Motto "Glinde bleibt bunt" geplant: Großdemonstrationen, Diskussionsveranstaltungen, eine Fahrradsternfahrt und ein Fußballturnier gegen Rechts im Mai und Juni, ein Rockkonzert im August.

"Protest braucht auch Abwechslung. Dazu gehört auch, zu persiflieren und ins Lächerliche zu ziehen", sagte Konstantin von Notz. Rechtsradikalismus spiele auch im Kreis Stormarn eine Rolle. "Auch hier sind Nazis präsent." Deswegen könne das Engagement gegen Rechts in Glinde mit seinem Durchhaltewillen nicht hoch genug angesehen werden. "Die Läden wirken auf den ersten Blick unscheinbar. Doch sie versuchen, sich in die Mitte der Gesellschaft zu drängen", so von Notz.

Vor der nächsten Großdemonstration am 17. März holen sich die Glinder erst einmal prominente Unterstützung aus Hamburg. Der Theaterbesitzer und ehemalige FC-St.-Pauli-Präsident Corny Littmann beteiligt sich morgen am Aktionstag "Weiße Rose" an der Mahnwache. Ab 13 Uhr liest er Texte über die Widerstandsgruppe des Dritten Reiches. Bereits ab 10 Uhr werden am Marktplatz weiße Stoffrosen an Bürger verteilt. Der Aktionstag wird von der Bürgerinitiative und der evangelischen Kirche St. Johannes mit Unterstützung der Hamburger Initiative "Laut gegen Rechts", zu der auch Starkoch Tim Mälzer gehört, initiiert.

Zudem ist die Bürgerinitiative für den Olof-Palme-Friedenspreis nominiert, den die SPD Stormarn seit 25 Jahren vergibt. Die Verleihung beginnt am 28. Februar um 18 Uhr im Reinbeker Schloss.