Der aus dem Iran stammende Täter steht wegen versuchten Totschlags vor Gericht. Er war aus Eifersucht auf den Freund seiner von ihm getrennten Frau losgegangen

Ahrensburg/Lübeck. Immer wieder holt Paves G. (alle Namen geändert) aus, schneidet mit der 2,5 Zentimeter langen Klinge in den Hals seines Opfers und schreit dabei: "Das ist meine Frau." Blutüberströmt und regungslos bleibt Bernd W. am Boden liegen. Es sind die Szenen eines Eifersuchtsdramas im Oktober vergangenen Jahres in Ahrensburg.

Bernd W., 48, überlebt diesen Angriff. Vier dunkelrote und bis zu zehn Zentimeter lange Narben um den Kehlkopf herum erinnern ihn seitdem täglich an den brutalen Angriff. Jeder, der gestern im Lübecker Landgericht saß, sah sofort die verheilten Schnitte, als W. den Saal 155 betrat. Es war der Prozessauftakt gegen Paves G. Er muss sich wegen versuchten Totschlags vor der I. Großen Strafkammer verantworten. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der gebürtige Iraner den neuen Partner seiner Ehefrau töten wollte.

Es ist Sonnabend, der 29. Oktober 2011: Bernd W. und Zohal L. kaufen im Penny-Markt in der Ahrensburger Innenstadt ein. L. hatte sich vor einiger Zeit von ihrem Mann Paves G. getrennt und die Scheidung eingereicht. Dennoch möchte das frisch verliebte Paar nicht öffentlich zusammen auftreten. Deswegen fahren beide getrennt von dem Einkaufsmarkt zu Bernd G. nach Hause.

"Ich habe dort meine Frau gesehen", sagt der 42 Jahre alte Angeklagte in gebrochenem Deutsch. "Ich habe mich dann gewundert, warum sie nicht zu sich nach Hause fuhr, sondern in eine andere Richtung. Deswegen bin ich ihr hinterhergefahren", so der Mann mit den dunklen Augenringen und dem schwarzen Haar, das an den Schläfen grau meliert ist. G. verfolgt seine Frau bis zu der Adresse ihres neuen Freundes. Als er das Paar dort sieht, schmeißt er sein Fahrrad in eine Hecke, nimmt aus der Fahrradtasche ein Teppichmesser und geht damit auf Bernd W. los.

"Es war wie in einem Film. Ich konnte nicht glauben, dass das real war", erinnert sich das Opfer: "Den ersten Schnitt verpasste er mir, als er vor mir stand. Dann warf er mich zu Boden und schnitt mir weiter in den Hals. Ich war völlig hilflos, stand unter Schock."

Zohal L. versucht noch, die beiden Männer zu trennen. Jedoch vergebens. Ihr Ehemann tritt sie zu Boden. Auch sie erleidet eine Schnittwunde. Zwei Nachbarinnen beobachten den Angriff und alarmieren die Polizei. Die Beamten sind innerhalb von vier Minuten am Einsatzort - gerade noch rechtzeitig, um noch Schlimmeres zu verhindern.

Paves G. erklärt jetzt vor Gericht, dass sich so etwas für eine Frau, die noch nicht geschieden ist, nicht gehören würde. Die Staatsanwaltschat zeigt für diese Ansicht kein Verständnis: "Sie hatten während der Ehe doch auch eine Affäre mit einer anderen Frau." Paves G.: "Ich weiß, das war nicht richtig."

Als er 19 Jahre alt war, hätten ihn seine Eltern gezwungen, seine drei Jahre jüngere Cousine Zohal zu heiraten. "Doch daraus wurde Liebe", sagt Paves. Das Paar bekommt zwei Kinder. "Doch im Jahr 2000 musste ich aus dem Iran flüchten", sagt der Angeklagte. "Ich war zum Christentum konvertiert."

Mit Schleuserbanden kommt G. in die Niederlande. Dort studiert er Theologie und versucht, eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Doch sein Antrag wird abgelehnt. 2005 zieht er nach Deutschland und kommt nach Ahrensburg. Er holt seine Frau und Kinder in die Schlossstadt, beide bauen sich ein neues Leben auf. Doch Zohal L. will nicht nur Mutter und Hausfrau sein. Sie besucht Sprach- und Computerkurse an der Volkshochschule (VHS). Im Herbst 2010 lernt die 39-Jährige Bernd W. kennen. Er ist an der VHS einer ihrer Lehrer. Später wird er ihr auch helfen, den Hauptschulabschluss zu machen. Im Mai 2011 verlieben sich die beiden ineinander. Paves G. ist dies ein Dorn im Auge, er verliert die Kontrolle.

Vor Gericht bereut er die Tat und entschuldigt sich bei seinem Opfer: "Es tut mir leid. Es war nicht richtig, und ich weiß jetzt, dass es deine Frau ist." Seit Dezember 2011 sind Zohal L. und Paves G. geschieden.