Experte Andreas Speit informiert über rechte Szene und zeigt 400 Jugendlichen im Schulzentrum Glinde, wie sich Neonazis etablieren wollen.

Glinde. Wie versuchen Rechte, Jugendliche für ihre Ideologie zu begeistern? Welche Symbole nutzen sie für Kleidungen, Internetauftritte, CD-Cover? Wie hat sich die NPD in den vergangenen 30 Jahren gewandelt? Wie groß ist die Szene, welche Gruppierungen gibt es?

Auch fünf Monate nach der Eröffnung des Glinder Tønsberg-Geschäftes, das die in der rechten Szene beliebte Modemarke Thor Steinar verkauft, setzen Schulen in der 17.000-Einwohner-Stadt auf Aufklärung beim Thema Rechtsextremismus. Und das nicht nur im Unterricht oder etwa mit der im September mitgestalteten Ausstellung "Demokratie stärken - Rechtsextremismus bekämpfen" der Friedrich-Ebert-Stiftung. "Seit der Eröffnung es Ladens hat das Thema hier eine große Aufmerksamkeit gefunden. Und es gibt immer noch viele offene Fragen - auch unter den Schülern", sagt Eva Kuhn, Leiterin des Glinder Gymnasiums.

Zusammen mit dem Leiter der Gemeinschaftsschule Sascha Plaumann wendete sie sich an die Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus in Kiel, die den Journalisten und Sozialwissenschaftler Andreas Speit für einen Vortrag im Glinder Schulzentrum gewinnen konnte. 400 Schüler der neunten bis elften Klassen der Sönke-Nissen-Gemeinschaftsschule und des Gymnasiums Glinde folgten gestern den Einblicken in die rechte Szene. "Kennt ihr eigentlich Rechtsextreme in eurem Umfeld?", fragte Speit und wollte den Schülern gleich zu Beginn deutlich machen, dass Rechtsextremismus in der Mitte der Gesellschaft zu finden ist. Verhalten meldeten sich einige Schüler, berichteten über Freunde von Freunden, Kollegen im Praktikum, die ihre Gesinnung offen zeigten.

Dennoch, während des Vortrags war zu spüren, dass das Thema Rechtsextremismus auch immer noch ein Tabuthema ist. Eine Diskussion kam bis auf wenige Nachfragen nicht zustande. Und das, obwohl Andreas Speit verdeutlichte, dass sich durch die Eröffnung des Thor-Steinar-Ladens eine Szene in der Kleinstadt etablieren könnte. "Es ist schwer einzuschätzen, wie sich die Situation in Glinde entwickelt. Aber in anderen Städten haben sich solche Läden zu Anlauf- und Kommunikationszentren entwickelt", sagte Speit und führte als Beispiel den als Nazitreffpunkt bekannten Club 88 in Neumünster an. Durch diesen Treffpunkt sei die Szene dort seit 14 Jahren stark und stabil, locke auch Rechte aus anderen Städten an.

"In manchen Orten, die keine feste Lokalität haben, brechen die Strukturen nicht selten nach einiger Zeit zusammen. Doch sobald es Räume gibt, wie beispielsweise so einen Laden, bleibt die Szene stabil", sagte Speit, der sich am Rande der schulinternen Veranstaltung auch bei Johannes Ratzek über die Aktivitäten des Bürgerbündnisses "Runder Tisch Glinde gegen Rechts" informierte.

+++ Polizei sagt Rechtsextremen den Kampf an +++

Seit September organisiert das Bündnis tägliche Mahnwachen und regelmäßige Demonstrationen vor dem Laden an der Möllner Landstraße in Glinde - bei Wind und Wetter. "Ich bin ehrlich gesagt positiv überrascht, wie viele dort so lange schon konsequent mitwirken", sagte Speit. Und er nannte die Initiative, die in der kommenden Woche auch auf Einladung des Bundespräsidenten Christian Wulff an einer Gedenkfeier für die Opfer rechtsextremistischer Gewalt in Berlin teilnehmen wird, beispielhaft.

Johannes Ratzek kündigte unterdessen weitere Protestaktionen gegen den ungeliebten Laden an. "Wir beobachten, dass in letzter Zeit vermehrt Leute in den Laden gehen. Meistens wird aber das Rollo heruntergelassen, sobald wir die Mahnwache aufgebaut haben. Keiner weiß, was genau dann in dem Laden geschieht", so Ratzek.

Andreas Speit machte den Glindern gestern aber auch Hoffnung: "Dort, wo der Protest stark ist und anhält, verschwinden die Läden nach einiger Zeit wieder. Dort, wo er nachlässt, etablieren sie sich länger." In kaum einer der Städte, in denen Thor-Steinar-Läden eröffneten, gehe die Sache jedoch ohne Rechtsstreit aus. Leider komme es immer wieder dazu, dass Vermieter nicht genau hinsehen, mit wem sie einen Vertrag schließen.

Ein Schwerpunkt seines Vortrags war die Modemarke Thor Steinar, die es bereits seit zehn Jahren gibt, die aber im Lauf der Zeit ihr Gesicht stark gewandelt habe. Das Unternehmen, das mittlerweile seinen Sitz in Mittenwalde hat, beschäftigt laut Speit heute 160 Mitarbeiter. Der Umsatz wird auf eine Million Euro im Jahr geschätzt. "Thor Steinar ist mittlerweile eine Geldmaschine geworden."