Das Abendblatt stellt Stormarner und ihre Berufe vor. Wir begleiten die Menschen einen Tag lang. Heute: Eckhardt Quurk, Taxifahrer aus Klein Barnitz.

Stormarn. Geduscht, einen schönen Pott Kaffee getrunken, abgewaschen, noch schnell die Wäsche zusammengelegt – und los. Es ist fünf Uhr. Eckhardt Quurk ist schon seit einer Stunde in Gang. So wie jeden Morgen. "Das macht mir nichts", sagt der 36-Jährige. Manchmal hat er sogar noch Zeit, vor der Arbeit in Travemünde am Strand spazieren zu gehen. Ein echter Frühaufsteher. Gut so, sonst könnte er seinen Job als Taxifahrer an den Nagel hängen.

5.30 Uhr: Die erste Fuhre, mit dem Lastwagen zur Postzentrale

Heute ist es entschieden zu kalt für den Strand. Und die erste Tour ist schon um 5.30 Uhr. Er muss zur Oldesloer Posthauptstelle. Auf dem Hof des Taxiunternehmens Rahlfs im Oldesloer Gewerbegebiet steht der 7,5-Tonner schon bereit. Das kleine, schnittige Taxi, das er sonst nimmt, würde ihm für die Berge von Post und Paketen wenig nützten. Also gibt er den Brummifahrer. Kurz nach sechs ist der Auftrag ausgeführt.

Wieder heißt es umsteigen. Um 6.40 Uhr hat er die nächste Tour. Ein flottes Taxi wäre auch diesmal nicht das Richtige. Ein Rollstuhl muss reinpassen. Eckhardt Quurk geht auf einen Mercedes Sprinter zu – der Wagen mit der Nummer Eins im Fuhrpark seines Chefs Torsten Wenzel. "Baby-Taxi" steht auf der Tür. Schwangere können da einfach einsteigen, die Kosten trägt das Krankenhaus. Aber wenn das Kind nun schon im Auto zur Welt kommen will? "Meine beiden Schwestern und meine Mutter sind Hebammen. Zur Not wüsste ich Bescheid", sagt Eckhard Quurk, lacht und klettert ins Baby-Taxi – um eine alte Dame abzuholen.

"Das ist das Tolle. Jeder Tag bringt Überraschungen. Vorher wusste ich gar nicht, dass Beruf auch Spaß machen kann." Der Mann hinter dem dicken Lenkrad gerät ins Schwärmen und nimmt Kurs auf den Wendum, eine Straße in der Nähe vom Berliner Ring. Eine Dialyse-Patientin im Rollstuhl wartet auf ihn, die erste Kundin an diesem Tag. In drei Minuten ist er dort. Grüne Welle. Kurz darauf kommt er beim Dialysezentrum an der Hamburger Straße an.

6.55 Uhr: Frühstückspause, Mettbrötchen und Kaffee am Bahnhof

"Eins frei. Dialysezentrum", meldet er sich per Funk. Die Antwort ist angenehm. "Mach mal Frühstückspause", kommt aus dem Funk-Lautsprecher. Das ist Andreas Bleyer. "Den bringt nichts aus der Ruhe", sagt Eckhard Quurk. Mit Schwung fährt er auf den Bahnhofsplatz und hält direkt vor dem Bäcker. Er weiß genau, was er will. Einen Kaffee und ein Mettbrötchen. Fast drei Stunden, nachdem er aufgestanden ist, nimmt er den ersten Happen zu sich. "So früh kann ich einfach noch nichts essen", sagt er.

Und wie ist es mit einer Frau, die ihm morgens Leberwurstbrote schmiert? "Gibt’s nicht. Ich bin geschieden", sagt der 36-Jährige. "Der Beruf hilft mir. Ich musste mich nach der Scheidung umorientieren. Dass ich Taxi fahre, ist Zufall, aber für mich die absolute Erfüllung."

7.55 Uhr: Anrufsammeltaxi, Sonderfahrt für eine Dame

Brötchen verputzt, Kaffeebecher geleert. "Eins frei, Bahnhof", meldet sich Eckhardt Quurk. Diesmal schickt ihn Andreas Bleyer nach Schlamersdorf. Auch dies keine Taxifahrt im klassischen Sinn. Anrufsammeltaxi lautet das Stichwort. "Wir haben vier Touren. Und wir fahren jede Stunde. Aber nur auf Abruf", erklärt er. Kostenpunkt: 2,60 Euro. Wer eine HVV-Karte hat oder noch nicht 16 Jahre alt ist, kann sich für 1,90 kutschieren lassen. "Wir fahren im Auftrag von Autokraft. Das wird bezuschusst", sagt Eckhardt Quurk, "wie sollte man sonst auch vom Dorf wegkommen." Wie viele Leute mitfahren, spielt keine Rolle. Gut für die Dame aus Schlamersdorf: Viel Platz im Taxi. Ein Service, der keinen Cent mehr kostet. An der Schützenstraße steigt sie aus.

Zurück in der Zentrale. Nur ein kleiner Plausch mit den Kollegen. Dann muss er weiter. Auf den Kaffee aus dem Automaten verzichtet er. "Der weckt Tote auf. Nein, danke", sagt er und düst los. Es ist 8.15 Uhr. Spezialauftrag für den Allrounder hinter dem Steuer. Jetzt macht er den Schlüsseldienst-Kurier. "Neulich hat einer die Beifahrertür vom Sprinter zugeworfen. Pech nur, dass der Schlüssel in der Zündung steckte", sagt Eckhard Quurk, "die Ersatzschlüssel waren zum Glück schon bestellt." Heute müssen sie in der Reinfelder Werkstatt auf die Wegfahrsperre codiert werden.

9.25 Uhr: Dienstbesprechung mit dem Chef in der Zentrale

Wieder in der Zentrale. Dort werden die Dienstpläne besprochen. Für den 36-Jährigen ist die Sache klar: Er arbeitet meist von 6 bis 17 Uhr und im Wechsel sonnabends oder sonntags. "Je nachdem, wann ich meinen Sohn habe. Spätschichten habe ich auch mal gemacht. Aber das Härteste war der Wechsel zwischen Früh- und Spätschicht", sagt er und schaut bei Andreas vorbei, dem ruhenden Pol in der Funkzentrale.

Der hat drei Telefone vor sich. Zwei klingeln. Stereo kann er. Mehr nicht. Ein Blick reicht. Und "Ecko", wie Eckhardt Quurk genannt wird, wird zum Telefonisten. Die Schnüre über Kreuz, verarzten die Kollegen zwei Kunden. Alles wird eingetragen. Links stehen die Sammeltaxifahrten – rosa markiert. In der Mitte Rollstuhlfahrten – blau markiert. Rechts die Einsätze der Busse – gelb markiert. Alles geht seinen Gang. Ohne Red Bull und Zigaretten geht allerdings überhaupt nichts.

11.32 Uhr: Von der Dialyse zu den Pfannkuchen im Altenheim

Andreas vergibt daher zwei Aufträge: "Holst du Frau Hamann von der Dialyse ab? Und Bringst du mir was mit?" Ecko hat verstanden. Das mit Frau Hamann geht auf jeden Fall klar.

Die alte Dame wartet schon in der Empfangshalle des Dialysezentrums. "Natürlich kenne ich das Gesicht", sagt sie und schaut Eckhard Quurk freundlich an. Der wählt für sie den Weg, der am wenigsten Schlaglöcher hat. Anneliese Hamann schaut aus dem Fenster. "Oh, die ersten Blümchen", sagt sie und zeigt auf Schneeglöckchen am Wegesrand. Um 12 Uhr liefert der Mann mit dem Baby-Taxi die 85-Jährige in ihrem Pflegeheim in Sülfeld ab. "Heute gibt es gefüllte Pfannkuchen", sagt die weißhaarige Dame und winkt noch mal.

"Eins frei, Sülfeld" meldet sich Quurk. "Anrufsammeltaxi. Diesmal fünf Personen Hagenstraße" lautet die Antwort. Eckhardt Quurk braucht nicht zu hetzen. Er muss die Fahrgäste erst um 12.40 Uhr abholen. Aber quietschende Reifen sind ohnehin nicht sein Ding "Es ist auch noch keiner eingestiegen und hat gesagt: Los, fahren Sie dem Wagen da nach." Eckhardt Quurk biegt in die Hagenstraße ein und parkt neben der Absperrung zum Markt, vor dem Gänseliesel-Brunnen. Nicht sehr günstig. Aber bis zum Einsatz dauert es noch. Da klopft es an die Scheibe: die Polizei. "Hier können Sie nicht stehen", sagt der Uniformierte. "Ich weiß, aber mit dem Sprinter darf ich nicht an den Taxistand", antwortet Quurk. Nützt nichts. Zum Glück ist vor dem Taxistand ein Platz frei geworden.

12.40 Uhr: Lange Tour über die Dörfer, man kennt sich

Die fünf Fahrgäste für das Anrufsammeltaxi sind alle pünktlich da. Eckhardt Quurk fährt um 12.40 Uhr vor. Es geht nach Wolkenwehe, Vinzier und Nütschau. Man kennt sich. "Das Anrufsammeltaxi ist das Beste, was es gibt", sagt Gisela Kronberger. Neben ihr sitzt ihr Mann. Er hatte einen Schlaganfall. "Horst" sagt er plötzlich ganz deutlich und freut sich darüber. Es gelingt ihm nicht oft. In Nütschau steigt das Paar aus. Die 26-jährige Shari Samee-Frugi steigt ein. Sie studiert in Kiel Kunstgeschichte. "Hier auf dem Dorf ist natürlich nichts los. Aber die Mieten sind günstiger. Und hier es ist so ruhig, da kann ich wirklich abschalten", sagt sie und lacht. Am Bahnhof springt sie raus.

Eckhardt Quurk greift zum Mikro: "Eins frei. Bahnhof." Andreas schickt ihn zur Stadtschule. Um 13.45 Uhr muss er da sein. Zeit, sich vorher einen Kaffee im Pappbecher zu holen. Ein Muntermacher kann nicht schaden. Denn jetzt wird "Ecko" zum Kindergärtner. Vor der Stadtschule laufen Drittklässler herum. Sie freuen sich schon auf den Nachmittagskursus: Video-Clip-Dancing. Für die erste Choreografie ist aber Eckhardt Quurk zuständig: Welches Kind geht auf dem schnellsten Weg in den Sprinter, und welches in eines der Taxis. Zwei Kollegen sind zur Verstärkung angefordert werden, denn für 15 Kinder ist selbst das Baby-Taxi zu klein.

14 Uhr: Mittagspause, Bauernfrühstück goldgelb – und im Stehen

"Eins frei, Tanzschule", meldet sich Eckhardt Quurk. Nächster Auftrag: Mittagspause. Im Stadtgrill weiß man, wie er sein Bauernfrühstück haben möchte: goldgelb und ohne Zwiebeln. Gegessen wird in der Taxi-Zentrale. Der Tisch in der Küche ist besetzt. Ein Kollege macht seine Abrechnung. "Ecko" verzieht sich in die Funkzentrale und isst im Stehen. Das Telefon klingelt. Das Essen wird kalt.

Nach dem Mittag bringt er die Disco- Hopper zurück. "Eins frei, Stadtschule", meldet sich die Nummer eins in der Zentrale. Nun geht es nach Schulenburg. "Das ist wirklich am Ende der Welt", sagt Eckhardt Quurk, der jetzt seit fast zwölf Stunden auf den Beinen und immer noch munter ist. Ihm gefällt die Abwechslung. "Wir fahren auch Blut zur Analyse in die Klinik St. Georg nach Hamburg oder Gewebeproben ins Forschungszentrum Borstel, während der Patient noch unter dem Messer liegt. OP-Schnellschnitt heißt diese Tour im Taxi-Jargon", sagt Eckhardt Quurk, der ansonsten für Bauarbeiter auch schon mal 15 Currywürste mit Pommes auf den Beifahrersitz packt. "Aber wenn einer meint, wir sollen ihm Korn und Zigaretten von der Tanke holen, sage ich Nein." Zwei Frauen, die in Schulenburg in einem Pflegeheim arbeiten, steigen ein. Eine bringt Eckhardt Quurk zum Oldesloer Bahnhof. Die andere bis vor die Haustür.

16.05 Uhr: Der letzte Auftrag, dann wird abgerechnet und Schluss gemacht

"Eins frei. Lindenkamp", meldet er sich Eckhardt Quurk um 16.05 Uhr. Der Tageskreis schließt sich. Es geht wieder zur Post. Diesmal für den Chef. Der braucht Briefmarken. Um 16.20 Uhr fährt Quurk auf den Betriebshof in der Hermann-Bössow-Straße. "Das passt. Jetzt die Abrechnung machen." Andreas ist noch immer am Funk. "Hei Ecko, hast Du mir was mitgebracht." Vergessen. "Na, super!", sagt Andreas. Ein anderes Mal. Für heute ist Schluss. Quurk fährt noch schnell auf die Baustelle in Meddewade. Er baut sich ein Häuschen. Sein Traumhaus. Den Traumberuf hat er schon. Fehlt eigentlich nur noch die Traumfrau. "Ich lass mir Zeit", sagt er. Mal sehen, welches Sonntagskind morgen in sein Taxi steigt.