Es ist die Faschingshochburg im Norden. 900 Narren feierten am Sonnabend bei der Elmenhorster Karnevals-Nacht. Das Abendblatt fragte, warum.

Elmenhorst. Einmal im Jahr herrscht im kleinen Elmenhorst der Ausnahmezustand. Dann, wenn in dem etwa 2500 Einwohner zählenden Ort nichts mehr ist wie es war, wenn Parkplätze plötzlich rar werden, Jung und Alt in seltsamen Gewändern feiernd durch die Straßen ziehen und laute Musik durchs Dorf hallt. Dann ist Elmenhorst eine Insel - eine Karnevalsinsel, mitten im sonst so narrenfeindlichen hohen Norden. Jedes Jahr lockt der Elmenhorster Karnevalsverein (EKV) mehr und mehr Jecken in das gallische Dorf der Verkleidungswilligen. Auch am Sonnabend tanzten dort 900 Narren durch die Mehrzweckhalle - Badenixen, Piraten, Kapitäne, Beachboys, selbst als Bananen und als Palmen verkleidete Feierwütige bei der 28. Elmenhorster Karnevals-Nacht (ElKaNa) und dem Motto "Südsee-Zauber".

Doch was treibt die sonst eher kühlen Nordlichter in die Karnevals-Hochburg? Warum schlüpfen Jung und Alt so überzeugt in andere Rollen? Das Abendblatt hat sich im bunten Kostümgewimmel umgehört:

"...weil wir uns jedes Jahr aufs Neue übertrumpfen wollen",

grölen Marielle Rösler und Jan Niemeyer-Reeckmann aus Elmenhorst. Von der Stirn bis zu den Strümpfen sind sie himmelblau, mit weißen Zipfelmützen auf den Köpfen. Die Damen tragen weiße Kleidchen und gelbgoldene Perücken, die Herren weiße Boxershorts. "Wir sind die Schlümpfe im Uuuuuurlaub", rufen sie fast aus einem Munde und winken mit ihren Blütenkränzen, die sie sich um ihre Hälse gelegt haben. "Wir sind insgesamt 21 Leute, wir wollen auffallen, nicht nur mit unseren Kostümen, sondern durch Masse", ruft Marielle Rösler gegen die wummernde Musik an. Jedes Jahr lässt sich der große Freundeskreis etwas Neues einfallen. "Zuletzt waren wir Urwaldmenschen, das Jahr davor haben wir uns alle riesige Hinterteile umgebunden. Wir versuchen, jedes Jahr mehr Leute zusammenzubekommen", fügt Jan Niemeyer-Reeckmann hinzu. Drei Stunden haben sie diesmal zur Vorbereitung gebraucht. "Das hat ewig gedauert, bis wir alle blau waren", sagt Marielle, überlegt kurz, beginnt zu lachen und prostet der übrigen Schlumpfgemeinde zu. Nüchtern ist keiner der blauen Gesellen mehr. "Das Trinken gehört zum Karneval schließlich mit dazu", erklärt Marcel Magiera und verschwindet mit seinem Cocktail tanzend in der Masse.

"...weil wir jedes Jahr dabei sind und es einfach Laune macht",

antworten zwei schwitzende Bananen auf die Frage, warum sie Jeans oder Kleider in der fünften Jahreszeit liebend gern gegen eher ungemütliche Kostüme eintauschen. Nicole Hoge und ihre Schwester Annika aus dem nahe gelegenen Fischbek können sich den Februar ohne die feuchtfröhliche Karnevalsnacht in Elmenhorst gar nicht mehr vorstellen. "Da ist immer einfach alles anders", sagt Nicole Hoge und drückt sich in ihrer weichen gelben Schale an eine gut genährte Südseeschönheit - Thomas Hubert. Er hat sich in diesem Jahr für eine Geschlechtsumwandlung entschieden und im Internet ein XXL-Hawaimädchen-Kostüm bestellt. "Aber bitte nicht zu sehr meine schönen Rundungen fotografieren", sagt er mit einem kecken Augenaufschlag, wirft seine schwarzen langen Locken in den Nacken und reibt seinen ausgepolsterten Stoffbauch.

"...weil man das alles hier mal mitgemacht haben muss",

sind sich Andreas Kritsch und Janina Wulf aus Bad Oldesloe einig. Immer wieder hatten sie von dem "wilden Treiben" in Elmenhorst gehört. Und dieses mal wollten sie endlich selbst einmal dabei sein. "Sonst ist das Verkleiden nicht so mein Ding. Aber es wirklich irre verrückt, hier zu sein", sagt die 25-jährige Janina, die sich für ein enges blaues Matrosenkleidchen entschieden hat. Mit weißen Netzstrümpfen, High Heels und knallrot geschminkten Lippen wirft sie ihrem Beachboy Andreas erst einen Luftkuss zu und zieht ihn dann auf die Tanzfläche.

"...weil wir dafür geboren sind, in andere Rollen zu schlüpfen",

sagt Kirstine Lechner. Die diesmal eine besondere Rolle übernehmen durfte. Denn sie und ihr Mann Hans wurden in diesem Jahr zum Prinzenpaar auserkoren. "Der Karneval liegt uns im Blut", erklärt die 39-Jährige. Seit drei Jahren sind sie im Elmenhorster Karnevalsverein, und schon seit zehn Jahren lassen sie sich das Ereignis nicht entgehen. "Warum denn auch, das ist hier schließlich die größte Party im Norden." Und auf der hatten die beiden Karnevalisten am Sonnabend ihren eigenen kleinen Zeltpalast. "Das ist schon etwas Besonderes, das Prinzenpaar zu sein und ein wenig im Mittelpunkt zu stehen", sagt Hans, der sich diesmal Hans, der Erste, nennen durfte.

Ein Argument, warum die Leute in Elmenhorst einmal im Jahr die Nacht zum Tag machen, in andere Rollen und die verrücktesten Kostüme schlüpfen war am Sonnabend immer wieder zu hören:

"...weil man als Elmenhorster schon fast die Pflicht hat, hier zu sein".

Für Lena Matzdorf, Torben Bischkopf, Svenja Fritz und Rene Schröder ist der Karnevalsbesuch selbstverständlich und bereits Monate im Voraus im Kalender rotmarkiert. "Wir sind seit fünf Jahren immer hier. Sobald das Motto bekannt gegeben wird, machen wir uns auch schon Gedanken über die Kostüme", sagt der Elmenhorster Torben Bischkopf, der eines der zahlreichen blauweißen Matrosenkostüme an diesem Abend in der Mehrzweckhalle trägt. "Das macht aber nichts. Wichtig ist, dabei zu sein, Spaß zu haben, ausgelassen zu sein, den Alltag hinter sich zu lassen und mit Freunden mal wieder ausgiebig zu feiern."