Fünf Tag ohne - ein Selbstversuch führt nach anfänglichen Problemen zu ungeahnten Erfahrungen im Alltag

Bist du in meinem Alter, weißt du bestimmt, dass ein Leben ohne Facebook kaum möglich ist. Den ganzen Tag hängt man davor, Facebook bestimmt das Leben. Über die altmodischen Wege - Telefon oder E-Mails - zu kommunizieren, funktioniert nicht mehr. "Es gibt ja Facebook", höre ich täglich. Statt nachmittags mal etwas zu unternehmen wie Spazierengehen, Sport oder andere Freizeitbeschäftigungen, setzt man sich an den Computer und "geht erst einmal eine Runde zu Facebook", was so viel heißt wie: "Heute gehe ich nicht mehr vom Computer weg!"

Statt dass man unterwegs in der Bahn mal wieder ein Buch liest, geht man an sein Smartphone und postet erst einmal "via mobile", dass man gerade auf dem Weg zum Arzt sei. Allgemein postet man sowieso alles: Hat man ein Date, badet man seinen Vogel, geht man schnell duschen oder sitzt man gerade im Wartezimmer des Gynäkologen seines Vertrauens... Sachen, die niemanden interessieren oder zu interessieren haben, erfährt man über Facebook. Wenn man also kein Facebook hat, kann man einfach niemals up to date sein.

Ich bin keineswegs besser. Aber genau deswegen und um zu sehen, wie ich ohne Facebook überleben soll, habe ich einen Selbstversuch gestartet: Meine fünf Tage in der Hölle? Der Verzicht auf Facebook. Große Angst hatte ich, dass ich ernsthafte Entzugserscheinungen bekomme oder dass ich total versage. Ich startete an einem Sonnabend.

Tag eins: Mein erster Gedanke nach dem Aufstehen: Mist, ich habe vergessen zu posten, dass ich fünf Tage wie tot sein werde. Was, wenn mir jemand jetzt etwas Wichtiges schreibt? Soll ich einmal noch online gehen und allen Bescheid geben? Nein! Es kann doch nicht sein, dass ich nach fünf Minuten schon wieder aufgeben will.

Mein Problem ist nur, ich habe nichts zu tun, was mache ich jetzt? Den Computer an? Nein, Facebook-Risiko zu hoch. Mensch, wäre das schön, jetzt mit Freunden zu chatten oder ein paar neu hochgeladene Fotos zu betrachten. Ich sollte meine Gedanken verbrennen, ist ja schrecklich! Gut, dann lerne ich eben. Passiert ja sonst nicht so oft am Wochenende. Dann schmeiße ich noch ein bisschen den Haushalt, ist doch prima. Nur Ablenkung den ganzen Tag! Sogar kochen kann ich, stelle ich fest! Für meine ganze fünfköpfige Familie. Schwierig ist es dann doch, wenn ich an den Computer gehe, um eine E-Mail zu schreiben, denn ich möchte einfach nur das kleine "f" in die Adressleiste eingeben, um auf meinen Favoriten Facebook zu gelangen.

Tag zwei: Statt ein bisschen Facebook zum Frühstück, nehme ich die einstündige Busfahrt mit gutem Buch zu einer Freundin auf mich, um dort viele Kekse zu backen. Das ist eine echt gute Ablenkung. Aber erst einmal in der Tratschrunde angekommen, geht es ohne Facebook eigentlich nicht mehr. Es geht nicht, dass man über Leute redet, ohne sich ihre Profile anzugucken und alle Bilder einzeln zu bewerten. Als alle auch noch selbst zu Facebook gehen, darf ich mich in die Zimmerecke setzen und allein Kekse essen. Super Gefühl! Und dass ich mich darüber so aufrege, zeigt mir noch mehr, wie sehr das Leben von Facebook bestimmt wird und eine immer größere Rolle spielt.

Tag drei: Schule. Man sollte meinen, das ist eine effektive Ablenkung. Vor allem, wenn man bis um 18 Uhr Schule hat. Doch es ist eine unheimlich langweilige Unterrichtsstunde. Jetzt einfach mal das Handy herausholen und schnell unterm Tisch zu Facebook? Pustekuchen! Ich darf allen anderen zusehen, wie sie sich unter den Tischen über den Unterricht auslassen. Ich male mir aus, wie auf meinem Handy das blaue Design erscheint, eine rote Anzahl von Neuigkeiten auf der Startseite prangt und ich mich mit aufregen kann. Das ist so unfair! Statt dessen werde ich aus meinem Tagtraum gerissen, indem mein Lehrer mich auch noch drannimmt. Ich habe natürlich keine Ahnung, worum es geht, geschweige denn, wie ich mich mit einem frechen Spruch aus der Situation retten soll. Nach dem langen Schultag und den Hausaufgaben habe ich wieder nichts zu tun. Wie langweilig. Ins Bett möchte ich noch nicht. Es ist viel zu früh. Also gehe ich, einer der unsportlichsten Leute dieses Planeten, einfach mal freiwillig joggen. Ich und Sport... freiwillig!

Tag vier: Nicht schlecht! Nicht einmal habe ich an Facebook gedacht. Den ganzen Schultag nicht. So langsam kann ich mich echt daran gewöhnen, nur zu telefonieren und tagelang auf E-Mails zu warten. Ich habe genug Zeit, mal über alles nachzudenken, etwas zu machen, wozu ich Lust habe. Ich habe im Zusammenhang mit einer kreativen Phase mein Zimmer umdekoriert, habe zwar aus Langeweile ein bisschen viel Kaffee getrunken, aber ich habe ein super Gefühl! Mein Vater sagt so schön: "Jugendliche in deinem Alter brauchen diese eine Stunde Langeweile pro Tag, in der sie alles noch einmal überdenken können, in der sie sich kennenlernen können, in der sie erfahren, wozu sie wirklich Lust haben" Dieser Spruch hat sich für mich als wahr erwiesen. Denn diese "Stunde der Langeweile" ist auch echt mal entspannend bei einem stressigen Alltag.

Tag fünf: Kommentare, die mir verdeutlichen, dass ich morgen wieder zu Facebook darf, lassen mich am Anfang kalt. Jedoch hüpfe ich im Laufe des Tages freudig durch die Gegend, da ich mir ab morgen nichts mehr verbieten muss. Ich habe einfach nicht mehr diesen Zwang, kontrolliert etwas nicht zu machen. Erneut verbringe ich den Tag mit sehr viel Lernen und einer Ladung von Haushaltsaufgaben.

Der Tag danach: Bis nach der Schule habe ich locker durchgehalten. Ich habe gar keine Lust, zu Facebook zu gehen, denn ich will noch ein bisschen was schaffen. Jedoch brauche ich das für die Auswertung. Außerdem habe ich bei Facebook und den Neuigkeiten und Nachrichten immer das Gefühl, es wird an mich gedacht. Nicht, dass ich keine Freunde hätte, aber das Gefühl ist doch immer ganz nett.

Das Ergebnis ist aber enttäuschend: Ich habe zwei neue Freundschaftsanfragen von Fake-Accounts. Ich habe sechs Nachrichten, jedoch alles Kettenmails à la "Ich werde dich töten, wenn du dies in zehn Sekunden nicht weiterschickst" - naja, sieht man ja an mir, ich bin ja ziemlich tot jetzt.

Jetzt freue ich mich auch nicht mehr auf meine 14 Neuigkeiten. Wieso auch: Einladungen für Ü-18-Partys - klasse. Der Rest sind Benachrichtigungen über sinnlose Posts in unserer Klassengruppe. Man sieht ja, wie sehr man ohne Facebook beachtet wird.

Dieses kleine Projekt hat mir gezeigt, dass man ohne Facebook wirklich wie tot behandelt wird, zumindest in dieser kleinen virtuellen Welt. Das Ergebnis hat mich erschreckt. Meine Gefühle zum Beispiel, dass ich zwischendurch dringend zu Facebook wollte, dass mir was fehlte. Mittlerweile habe ich - ehrlich gesagt - keine Lust mehr, stundenlang fremde Leute zu stalken und zu hoffen, dass irgendwer meine Posts, Bilder, Kommentare oder ähnliches "liked".

Mich haben die fünf Tage etwas entspannter gemacht. Ich bin Sachen angegangen, indem ich ernsthaft darüber nachgedacht habe und nicht einfach mit dem Kopf durch die Wand gerannt bin. Mir ist aufgefallen, dass Langeweile sich auch mal positiv auswirken kann.

Zudem möchte ich noch mehr aus meinem realen Leben herausholen.

Demnächst werde ich nach ein paar schönen Hobbys suchen und der virtuellen Welt ein bisschen den Rücken kehren!