Rainer Hesse dokumentiert die Geschichte des 2008 abgerissenen Gebäudes am Herrenteich

Reinfeld. In der Mitte des Raums steht ein Mahlstuhl aus dem Jahr 1954, an einer Stellwand hängen Mehlsäcke aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges, auf dem Boden liegen alte Sackkarren und Sackwaagen. Dazwischen steht Rainer Hesse. Der 56-Jährige richtet seit einigen Monaten ehrenamtlich ein Mühlenmuseum im Untergeschoss der Seniorenwohnanlage Claudiushof am Reinfelder Herrenteich ein - dort, wo jahrhundertelang die alte Claudiusmühle stand und aus Getreidekörnern Mehl gemahlen wurde.

Als die Planungen für den Bau der Seniorenwohnanlage 2008 begannen, wurde die Mühle abgerissen. Damals war die Anlage allerdings schon seit mehr als zehn Jahren außer Betrieb. Die Oldesloer Mühlendynastie Ströh hatte das Fabrikgelände 1996 stillgelegt und die Produktion ihres Askania-Mehls in andere Betriebsstätten verlegt.

Rainer Hesse machte beim Abriss der Mühle vor drei Jahren mehrere Hundert Fotos. Bilder, aus denen er nun zahlreiche Collagen gebastelt hat, die bald die Wände des Museums zieren sollen. Sie dokumentieren das Ende der Mühle. Ihre Geschichte begann im 13. Jahrhundert. 1235 wurde die Wassermühle am Herrenteich erstmals schriftlich erwähnt. Bis ins 18. Jahrhundert stellten die Arbeiter in dem Ursprungsgebäude Mehl her, dann wurde die baufällige Mühle abgerissen und gegen eine neue ersetzt. Hesse: "Sie hat vermutlich bis 1850 gestanden, dann wurde sie erneut gegen eine modernere Anlage ersetzt."

Der Reinfelder Rolf Nielsen hat für das neue Museum zwei Modelle der beiden Anlagen aus dem 18. und 19. Jahrhundert gebaut. Denn auch das dritte Mühlengebäude stand nicht lange. Es brannte 1943 ab, wurde jedoch bereits ein Jahr später, noch während des Krieges, wieder aufgebaut. "Die Claudiusmühle war für die Menschen wichtig, weil dort Mehl hergestellt wurde", sagt Hesse. Dennoch sei es etwas Besonderes gewesen, dass die Anlage damals so schnell wieder aufgebaut wurde. Der Reinfelder sagt: "Eigentlich wurde der ganze Stahl während des Krieges von der Rüstungsindustrie aufgebraucht."

Seit mehr als einem Jahr arbeitet Hesse, der auch ehrenamtlich für das Heimatmuseum der Stadt tätig ist, am Aufbau des Mühlenmuseums. Sein Wissen über die Claudiusmühle hat sich der Reinfelder mit viel Lesen angeeignet. Zudem musste er viele Fachausdrücke lernen. Fast seine gesamte Freizeit investiert der Packmitteltechniker in das Projekt. Zahlreiche Abende und Wochenenden verbrachte er in dem 60 Quadratmeter großen Raum, der bald ein Museum sein soll. Denn die Arbeit gestaltet sich als sehr schwierig. "Als die Mühle 2008 abgerissen wurde, war sie bis auf den alten Mahlstuhl leer", erinnert sich Hesse. "Ein Schrott-Entsorger hatte sie bereits einige Jahre zuvor ausgeräumt." Lediglich einen alten Türgriff in Form einer Ähre, ein Türschild in Form einer Korngabe und eine Jahreszahl konnte der 56-Jährige retten.

Deshalb bat Rainer Hesse zahlreiche Reinfelder, in ihren Kellern nach alten Schätzen aus der Mühle zu suchen, und nahm Kontakt zu Johannes Ströh auf, dessen Großvater die Mühle bei einer Zwangsversteigerung Mitte des 20. Jahrhunderts erworben hatte. Auf diese Weise sammelte Hesse Schilder, Bilder, Mehlsäcke, Waagen, Sackkarren, eine Schreibmaschine und andere Geräte aus der Mühle. Aus dem Stadtarchiv bekam er zudem alte Bauzeichnungen, zum Beispiel aus dem Jahr 1876. Der schönste Fund aber sei eine Schallplatte gewesen. Auf ihr ist ein alter Radio-Werbespot der Mehlmarke Askania aus den 50er-Jahren zu hören. Der Preis damals für ein Kilogramm Askania-Mehl: 89 Pfennig. Hesse sagt: "Die Schallplatte klebte in einem Partykeller an der Wand."

Wann das Mühlenmuseum eröffnet werden kann, steht noch nicht fest. "Ich hoffe, dass ich im Februar so weit bin", sagt Rainer Hesse. Bis dahin gibt es allerdings noch viel zu tun: Fotos müssen sortiert, Bilderrahmen an der Wand angebracht und zahlreiche Vitrinen eingeräumt werden.