Hamburgs berühmte Rotlicht-Meile Reeperbahn hat jetzt einen Web-Radiosender und sendet seit Januar. Das Studio steht in Ahrensburg.

Ahrensburg. Auf roten Teppichen ist meist nur Platz für Prominente. Auf einem Ahrensburger Exemplar hingegen sitzt Mops Paula. Die ist zwar ein Hund, aber dennoch durchaus teppichtauglich gekleidet. Ihr Pullover ist bedruckt mit einem Totenkopf, das passt ganz gut zur Beschäftigung ihres Herrchens. Der nämlich betreibt Radio Reeperbahn , benannt nach der wohl bekanntesten Straße Hamburgs, der "sündigsten Meile der Welt", in deren Nachbarschaft der Fußballverein St. Pauli Fanartikel mit Totenkopf-Logos verkauft.

"Paula ist unser Studiomops", sagt Mario Rosendahl, 37, besagtes Herrchen. Der wichtigste Teil des Studios befindet sich auf einem Tisch über dem Teppich (und manchmal auch über Paula): Vier Monitore, viele Knöpfe, viele Hebel, zwei Paar Kopfhörer. So kann man Radio machen. Radio Reeperbahn ist seit dem zehnten Januar offiziell über das Internet zu empfangen, vorher gab es etwa ein halbes Jahr eine Testversion. Neben Musik will das Team, etwa zehn Leute, auch Veranstaltungstipps und Berichte über das Rotlichtmilieu und die Kiezprominenz senden.

"Ich wollte schon immer einen eigenen Radiosender haben, aber das ist eigentlich unbezahlbar", sagt Rosendahl. Bezahlbar werde es erst, wenn man Quote mache. "Wir haben uns also zusammen gesetzt und überlegt: Was interessiert Leute auch überregional? Was kennt jeder? Da ist man schnell beim Thema Sex oder Rotlichtmilieu", sagt er. Die Reeperbahn kennt jeder, auch mindestens ein Kioskbesitzer aus Kreta, das weiß Rosendahl seit seiner Hochzeitsreise. Da hat er nämlich mit einem gesprochen. Und wie man etwas bekannt macht, auch über die Grenzen kretischer Kioskwände hinaus, weiß Rosendahl auch: Er ist Geschäftsführer der Ahrensburger Werbeagentur Eyecansee, die unter anderem Radioprogramme für Einkaufszentren produziert.

Die Liebe zum Radio ist allerdings nicht wegen eines Einkaufszentrums entstanden. Rosendahl hatte schon einen Studienplatz bei der Bundeswehr, als er das Angebot bekam, beim NDR eine Ausbildung zu machen. Mehr als elf Jahre Erfahrung sammelte er im Bereich Rundfunk, unter anderem bei Radio Hamburg. Deshalb weiß er, dass man seinen persönlichen Musikgeschmack "an der Studiotür abgeben" muss. Das ist wohl auch ganz richtig so, denn wahrscheinlich würden nicht alle der 56 000 Hörer, die in den vergangenen 30 Tagen eingeschaltet haben, gern den ganzen Tag die Scorpions, U2 oder Fury in the Slaughterhouse hören. Aber das ist nur eine Vermutung.

Nun läuft also den ganzen Tag eine wohl überlegte Mischung. "Besonders wollen wir aber auch Musik aus Hamburg spielen, wie etwa Fettes Brot oder Udo Lindenberg. Auch Lieder aus Musicals sollen berücksichtigt werden. "Wir wollen neben Hamburgern auch Touristen ansprechen und eigentlich jeden, der Hamburg mag", sagt Rosendahl. "Als Webradio kann man Menschen auf der ganzen Welt erreichen." Ein besonderer Fan wohnt in Bremerhaven. Der hat dem Sender sogar ein Gedicht geschrieben, in dem er "genial" auf "an jedem Tag einmal" und "Herz" auf "Schmerz" reimt. Mehr versteht nur, wer das öfter hört, denn der Mann kam gerade vom Zahnarzt. Sein Mund war betäubt.

Fans gibt es also schon, Geld noch nicht so richtig. Rechnen wird sich Radio Reeperbahn erst in etwa drei Jahren, sagt Rosendahl, das sei ein normaler Zeitraum. Noch hat nicht mal das Maskottchen des Senders einen Namen. Die Hörer sind eingeladen, Vorschläge zu schicken für die rote Dame mit Lindenberg-Hut, deren Beine das A in Radio bilden. Rosendahls Lieblingsname bislang? "Herbert".

Weil zwar die Reeperbahn eine sündige Meile ist, Ahrensburg aber eher nicht so, soll das Studio irgendwann nach Hamburg umziehen. Mario Rosendahl und seine Frau aber bleiben in Ahrensburg, sie haben erst vor zwei Wochen ihr neu gebautes Haus bezogen. Mops Paula ist ihr Wohnort vermutlich ziemlich egal, auffallen tut sie mit ihrem Totenkopfpulli sicher in beiden Städten.