Beim Empfang der IHK Lübeck warb Hamburgs Bürgermeister für mehr Kooperation. Eine gemeinsame Politik bei Windenergie soll Ziel sein.

Lübeck. Für Peter Harry Carstensen war es der letzte, für Olaf Scholz der erste Auftritt beim traditionellen Neujahrsempfang der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Lübeck. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident geht im Mai in Ruhestand, der Hamburger Bürgermeister fängt gerade erst an. Nachdem ihm insbesondere die Nord-CDU vorgeworfen hatte, in seiner Regierungserklärung die norddeutsche Kooperation nicht einmal erwähnt zu haben, ging Olaf Scholz (SPD) nun in die Vollen. "Hamburg hat ein ureigenes Interesse an einer prosperierenden Metropolregion", sagte er vor den rund 1700 Gästen in der Musik- und Kongresshalle. "Bei allen Entscheidungen sollten wir bedenken, wie der größtmögliche Nutzen für unsere Gesamtregion entstehen kann."

Kooperation und Wettbewerb seien dabei nicht notwendigerweise Gegensätze. "Ziel muss es sein, die beste Lösung, also den besten Standort zu finden, um die Wettbewerbsfähigkeit der Region insgesamt zu stärken."

Ausführlich widmete er sich dem Thema Windenergie. Hier hatte es zuletzt Streit zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein gegeben. Die Hansestadt will eine Windenergiemesse organisieren. In Husum gibt es schon seit vielen Jahren eine solche Leistungsschau der Windradbauer. In Schleswig-Holstein empfand man das Hamburger Vorhaben als unziemliche Konkurrenz, in Hamburg als normalen Wettbewerb.

+++ Hamburgs Bürgermeister schüttelte Hände im Akkord +++

Scholz ging in seiner Rede nicht auf den Messestreit ein, sagte aber: "Eine gemeinsame Politik der norddeutschen Länder bei der Windenergie ist ein anstrebenswertes Ziel. Dies allein schon wegen der Aufgabe, Windstrom nicht nur zu erzeugen, sondern auch in die Netze zu bringen." Es müssten starke Leitungen gelegt, große Speicherkapazitäten geschaffen und intelligente Netze geknüpft werden. "Das wird alles sein müssen", sagte Scholz in der für ihn charakteristischen knappen Art. Das Ziel der Maßnahmen sei klar: "Norddeutschland ist weltweit führende Windenergieregion."

Außerdem forderte der Hamburger Bürgermeister "mutige politische Entscheidungen in der Verwaltungszusammenarbeit". Dies sei mit Blick auf Effizienz und Einsparungen "in beiderseitigem Interesse". Ausführlicher könnten die beiden Regierungschefs darüber am 28. Februar sprechen. Dann soll es eine gemeinsame Sitzung der Kabinette geben.

Diese Ankündigung beantwortete zumindest teilweise die Frage, die der IHK-Präses Christoph Andreas Leicht zuvor in seiner Ansprache gestellt hatte: "Wir geht es der Wohngemeinschaft Hamburg/Schleswig-Holstein?" Man spricht wieder miteinander, wäre zu entgegnen. Leichts Analyse ging tiefer. "Es hat zuletzt mehrmals kräftig im Gebälk geknirscht", sagte er. Hamburg und Schleswig-Holstein bildeten nach wie vor "eine reine Zweck-WG". Leicht: "Die Wohnung müsste insgesamt mal aufgeräumt werden, aber beim Reden darüber kommt nichts raus. Es reicht nicht, wenn der eine ohne den anderen formuliert, wie er die nächsten 20 Jahre in seinem Zimmer zu verbringen gedenkt."

+++ Wind-Messe: Scholz und Carstensen auf Friedensmission +++

Leicht machte den Regierungschefs Vorschläge, worüber man ins Gespräch kommen sollte. Zum Beispiel der grenzüberschreitende Schulbesuch. Das Gastschulabkommen, vor zwei Jahren von den beiden Ländern abgeschlossen, kritisierte er scharf. Dies sei eine Einigung zu Lasten von Unternehmen und Auszubildenden gewesen. "Ziel muss es sein, gerade die jungen Menschen dies- und jenseits von Grenzen nicht als Gäste zu begreifen. Wir brauchen Partnerabkommen statt Gastabkommen."

Bildung ist für Leicht "die wichtigste soziale Maßnahme überhaupt". Die Akademikerquote in der IHK-Region (Lübeck sowie die Kreise Stormarn, Segeberg, Ostholstein und Herzogtum Lauenburg) sei mit acht Prozent zu niedrig. "In Hamburg sind es 14 Prozent, in München 21 und in Kopenhagen 40 Prozent." Schlussfolgerung: Die Hochschulen im Norden müssten in Zeiten knapper Kassen enger zusammenarbeiten. Und auch die IHK selbst packt mit an: Sie prüft derzeit, ob in Lübeck eine internationale Schule aufgebaut werden könnte.

Der politische Teil des Abends endete mit einer kurzen Podiumsdiskussion, an der neben Scholz, Leicht und Peter Harry Carstensen auch Reinhard Meyer teilnahm, Chef der Staatskanzlei Mecklenburg-Vorpommern. Die Moderatorin fragte Carstensen, ob die Gespräche mit Hamburg denn auf Augenhöhe geführt würden. Carstensen rückte an Scholz heran, was den Größenunterschied zwischen den beiden Regierungschefs noch deutlicher werden ließ, und sagte: "Na ja."