Anruferin löst Evakuierung der Pflegeheime in Lütjensee und Trittau aus. Rettungsdienst kritisiert mangelhafte Information durch Polizei.

Lütjensee/Trittau. Margarete Huber hatte sich gerade in ihr Zimmer zurückgezogen, die Beine hochgelegt und einige Seiten in ihrem Roman gelesen, als eine der Altenpflegerinnen plötzlich hereinkam und sie aufforderte, ihre Jacke anzuziehen. "Sie sagte, es habe eine Bombendrohung gegeben, und alle müssten jetzt das Haus verlassen. Ich dachte, das ist eine Übung", sagt die 88-Jährige, die sich daraufhin Jacke, Mütze und ihren Gehwagen schnappte und ihn ins Freie schob.

Es ist kurz nach 16 Uhr, als sie und die übrigen 151 Bewohner des Lütjenseer Pflegeheims Haus am See am Dienstag das Gebäude verlassen müssen. Manche schieben Gehwagen, andere sitzen in Rollstühlen und werden von Pflegekräften hinausgebracht.

Um 15.40 Uhr hatte eine noch unbekannte Frau am Telefon des Altenheims Haus Billetal in Trittau angekündigt: "Bei Ihnen und im Haus in Lütjensee geht in einer Stunde eine Bombe hoch." Der Betreiber der beiden Heime, Ralf Schulz, nimmt die Drohung ernst. Er informiert Polizei und die Rettungsleitstelle der Feuerwehr in Bad Oldesloe.

Kurze Zeit später treffen in beiden Häusern Polizisten ein, durchsuchen die Gebäude. Sprengstoffhunde sind so schnell nicht einsatzbereit. Die Beamten finden zwar nichts, ordnen aber trotzdem eine Evakuierung an. "Unsere Kräfte haben sich erst ein Bild der Lage verschafft, die Räumlichkeiten durchsucht und dann vor Ort entschieden, zu evakuieren", sagt Polizeisprecher Andreas Dirscherl.

Gegen 16.05 Uhr sei dann damit begonnen worden, die Bewohner - 152 in Lütjensee, 164 in Trittau - aufzufordern, die Heime zu verlassen. Erst eine Viertelstunde später bat die Polizei bei der Rettungsleitstelle in Bad Oldesloe, die für Feuerwehren und Notärzte zuständig ist, um Unterstützung. "Wir hatten uns, nachdem wir vom Heimleiter informiert wurden, mit der Polizei in Verbindung gesetzt. Aber dort hieß es, dass man noch keine gesicherten Kenntnisse habe. Wir haben dann auf die Rückmeldung gewartet", sagt Markus Hilchenbach, Leiter der Rettungsleitstelle in Bad Oldesloe. Es dauert bis um 16.19 Uhr, ehe die Polizei die Evakurierung der beiden Heime ankündigt - die bereits im vollen Gang ist, ohne Rettungskräfte. Erst 20 Minuten bevor die Bomben detonieren sollen schrillen die Sirenen in Lütjensee und Trittau. Die Schnell-Einsatz-Gruppen (SEG) aus Stormarn und Lauenburg sowie Notärzte machen sich auf den Weg - mehr als 150 Helfer. Ein hoher logistischer Aufwand, der schnell organisiert werden muss. "Als die Einsatzkräfte eintrafen, waren die Heime schon fast leer", sagt Hilchenbach, der den Alarmierungsablauf gestern kritisierte.

Warum es zu der Zeitverzögerung gekommen war, wollen Rettungsleitstelle und Polizei nun intern erörtern. Auch eine weitere Panne in der Informationskette muss geklärt werden: Die Polizei teilte den Rettungskräften offenbar nicht mit, dass die Anruferin ein Ultimatum gesetzt hatte. "Dass es das gab, erfuhren unsere Leute erst vor Ort. Es wird deswegen eine Nachbesprechung geben", kündigt Hilchenbach an.

Von den Informationsproblemen zwischen Polizei und Rettungskräften bekommen die Bewohner der Heime nichts mit. "Etwa gegen 16.30 Uhr, zehn Minuten vor Ablauf des Ultimatums, waren alle draußen. Einen Alarm in den Heimen haben wir absichtlich nicht ausgelöst, damit kein Chaos entsteht. Wir wollten lieber alle in Ruhe mithilfe unseres Personals ins Freie bringen", sagt Ralf Schulz. Etwa 70 Prozent der Bewohner seien pflegebedürftig, die meisten davon bettlägerig. "Für sie wäre es eine zu große Aufregung gewesen", sagt Schulz. Die Evakuierung habe auch so gut funktioniert, weil Nachbarn mithalfen, die älteren Menschen aus den Häusern zu schieben. Mitglieder der Feuerwehr brachten die Senioren aus Lütjensee anschließend in die nahe gelegene DRK-Blutspendezentrale. Die Trittauer wurden in einer Turnhalle versorgt. Nachdem die Polizei weder in Lütjensee noch in Trittau Sprengstoff aufspürt, werden die Bewohner gegen 17.30 Uhr in die Heime zurückgebracht.

Eine Stunde später sitzen die meisten von ihnen, wie Margarete Huber, Ernst-Otto Matthies und Ilse Walden, entspannt am Abendbrottisch. "Aufregung hat es eigentlich nicht gegeben. Die Rettungskräfte kamen uns sehr routiniert vor. Die wussten, was sie tun. Angst hatten wir keine, unsere Generation hat ganz andere Dinge erlebt. Und es ist ja nichts passiert", sagt Ilse Walden, 88.

Wer die anonyme Anruferin ist, wollen die Beamten der Polizei jetzt herausfinden. "Wir stehen aber noch ganz am Anfang", sagt Sprecher Andreas Dirscherl. Der Pflegeheimbetreiber Ralf Schulz selbst hat keine Ahnung, wer hinter der Straftat steckt: "Auch wir diskutieren kräftig, wer so etwas tut. Die Frage ist, was wollte die Anruferin erreichen?" Die Frau habe nicht ihm geschadet, sondern den Bewohnern. "Sie mussten innerhalb einer halben Stunde in die Kälte nach draußen und hatten so ein schlimmes Erlebnis." Er hofft nun, dass die Polizei schnell die Identität der Anruferin ermittelt. Auch, damit sie für die Kosten des Einsatzes haftbar gemacht werden kann.