Es brodelt im berühmten Ahrensburger Naturschutzverein. Es geht um gefälschte Dokumente, um Veruntreuung von Spendengeld, um Mobbing.

Schaut man auf das Datum, dann muss der Brief lange unterwegs gewesen sein. "Ahrensburg, den 5. Dezember 2011" steht auf dem beige-farbenen Umweltpapier. Auf dem Briefkopf prangt das Vereinslogo des bekannten Naturschutzvereins Jordsand, der im Haus der Natur in Ahrensburg residiert. Den Adressaten - die Stormarnausgabe des Hamburger Abendblattes - erreicht es jedoch erst Wochen später. Die Deutsche Post dürfte nicht für die Verzögerung verantwortlich sein. Vielmehr der Verfasser. Denn der Unbekannte hat sich vermutlich eingehend überlegt, wie er das Schreiben formuliert und wann er es abschickt. Denn er dürfte geahnt haben, welche Wirkung seine Worte haben würden. Er bittet gar um "ungekürzten Abdruck" des Textes. Für eine "Pressemitteilung" eine eher ungewöhnliche Forderung.

Als Absender wird der Name Uwe Schneider, erster Vorsitzender des Vereins Jordsand, genannt. Schneider jedoch bestreitet, Verfasser des Textes zu sein. Uwe Schneider selbst meldet sich umgehend telefonisch in der Abendblatt-Redaktion und betont, dass es sich bei dem Schreiben um eine Fälschung handle. Er selbst habe nur per Zufall von der Existenz des Schreibens erfahren, dass an mehrere Redaktionen versandt worden sei. Einer der Briefumschläge sei nicht frankiert worden und an den Verein zurückgeschickt worden.

Die beiden Vorsitzenden bezeichnen die "Pressemitteilung" als Fälschung

Mit seinem Stellvertreter, Jürgen Wahl, verfasst Schneider ein Fax, in dem der mysteriöse Brief als Fälschung bezeichnet wird. Beide Vorstandsmitglieder haben das Fax unterschrieben. Genauere Informationen zu den Hintergründen wollen jedoch weder Schneider noch Wahl geben.

Wer auch immer das Schreiben verfasst und abgeschickt hat, er wollte damit offenbaren, dass sich ein tiefer Graben durch die Führung des bundesweit bekannten Vereins zu ziehen scheint.

Die offenbar seit Monaten andauernden Querelen haben in einer Vorstandssitzung am vergangenen Freitag ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht: Der bisherige Geschäftsführer Thorsten Harder, seit 1. Juli 2010 im Amt, wurde mit sofortiger Wirkung von seinem Amt freigestellt. Begründung? Dazu wollen sich weder Uwe Schneider noch der Zweite Vorsitzende Jürgen Wahl äußern.

Dass es zwischen Vorstand und Geschäftsführer Probleme gibt, war bereits in dem als "Pressemitteilung" betitelten Schreiben angedeutet worden. Dort geht es unter anderem um Mobbing, um "Frauengeschichten" und Denunziation. Und: Der wohl gravierendste Vorwurf, der vor allem die rund 3000 Mitglieder des traditionsreichen Vereins interessieren dürfte - es geht um die Veruntreuung von Vereinsgeld. Um den satzungswidrigen Einsatz von Mitteln, die der Verein durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und staatliche Zuschüsse erhält.

Was in dem womöglich gefälschten Schreiben angedeutet wird, hat einen wahren Hintergrund: Bei der Staatsanwaltschaft Lübeck wird tatsächlich ein Verfahren gegen Uwe Schneider geführt, seit Herbst 2011. Und der Vorwurf darin lautet eben: Veruntreuung von Vereinsgeld. Wegen des Verfahrens sei Schneider - so berichtet ein Internetforum namens Jordsand-Aufrecht unter Berufung auf ein Sitzungsprotokoll - auf einer Vorstandssitzung vom 12. November aufgefordert worden, seine Ämter ruhen zu lassen. Jens Umland, Sprecher der Referenten, hätte gar den Rücktritt Schneiders gefordert. Die Referenten sollen dem Vorstand von der Arbeit aus den Schutzgebieten berichten, um die sie sich kümmern. Der Vorsitzende habe die Forderungen jedoch abgelehnt.

Die Referenten des Vereins solidarisieren sich mit Thorsten Harder

In dem Forum findet sich ein weiteres Schreiben, offenbar von den Referenten des Vereins. Darin setzen sie sich für den Geschäftsführer Thorsten Harder ein und fordern dessen Weiterbeschäftigung. Zur Begründung heißt es: "Auffallend ist, dass seit der Arbeitsaufnahme des Geschäftsführers die Zusammenarbeit mit den Referenten der Schutzgebiete und den bereits genannten Gesprächspartnern deutlich besser, zielführend und zügiger geworden ist." Es gebe nachvollziehbare Haushaltspläne, klare Arbeitsteilungen sowie kooperative Arbeitsweisen. "Wir stellen fest, dass der erste Vorsitzende nicht in der Lage ist, die im Sinne des Vereins und der Vereinsarbeit erfolgreiche Arbeit des Geschäftsführers zu würdigen und sich von Teilen seiner bisher eigenen Aufgaben zu trennen", heißt es weiter.

Insider vermutet, dass Thorsten Harder "fertiggemacht" werden sollte

Glaubt man einem, der sich Uwe Jordsand nennt und dieser Redaktion eine E-Mail geschrieben hat, dann hat Schneider mit gezielten Anschuldigungen sogar aktiv versucht, den Geschäftsführer aus dem Amt zu drängen. Uwe Jordsand schreibt: "Die Abmahnung an Herrn Harder vom letzten Jahr begründet sich auf einer Begebenheit, die Uwe Schneider verfälscht und hochgejubelt hat." Laut dem E-Mail-Schreiber sei es Schneider darum gegangen, Harder "fertigzumachen". Auch das mysteriöse Schreiben auf offenbar veraltetem Vereinspapier hatte ebenfalls den Rauswurf Harders angedeutet.

Der Geschäftsführer hatte sich seinerseits offenbar mit einer Anzeige wegen Verleumdung gegen Unbekannt zur Wehr gesetzt. Im Internet-Forum heißt es dazu: "Es hat erste Vernehmungen gegeben." Auch der Erste Vorsitzende Uwe Schneider sei als Zeuge vernommen worden.

Laut dem anonymen E-Mail-Schreiber, der sich Uwe Jordsand nennt, ist Harder unterstellt worden, er habe im Umgang mit Mitarbeitern ein gravierendes Fehlverhalten gezeigt. Vor diesem Hintergrund hatte der Vorstand Harder offenbar im vergangenen Jahr bereits eine Abmahnung erteilt. Ohnehin ist sein Arbeitsvertrag befristet.

Die Schwierigkeiten zwischen Schneider und Harder haben offenbar auch den Vorstand in zwei Lager gespalten. Mitglieder berichten, dass sich die Vorstände Thorsten Meyer und Jan Weber für den Geschäftsführer einsetzen, während die übrigen vier zu Uwe Schneider hielten. Diese Mehrheit scheint sich nun durchgesetzt zu haben.

Thorsten Harder wird freigestellt, Jürgen Wahl übernimmt kommissarisch

Am Freitag nun folgte der nächste Schritt. Mit sofortiger Wirkung stellt der Vorstand den Geschäftsführer frei. Rund eine Stunde dauert die Diskussion, dann wird Thorsten Harder informiert. Er muss seine Büroschlüssel abgeben und verlässt das Haus der Natur wohl zum letzten Mal. Zu den Gründen für den Schritt wollen Uwe Schneider und Jürgen Wahl nichts Genaues sagen.

Kommissarisch wird nun zunächst der Zweite Vorsitzende Jürgen Wahl die Geschäfte leiten. Doch dieser Zustand soll nicht von Dauer sein. "Wir suchen sofort einen neuen Geschäftsführer, weil wir für die Arbeit einen Hauptamtlichen brauchen", sagt Jürgen Wahl.

Schon 2005 hatte es einen ungeplanten Führungswechsel gegeben

Probleme in der Führung des Vereins, dessen wohl berühmtestes Mitglied die im vergangenen Jahr verstorbene Altkanzler-Gattin Loki Schmidt war, gab es in der Vergangenheit schon. 2005 war ein Geschäftsführer nach nur wenigen Monaten wieder aus dem Verein ausgeschieden. Auch bei dem Ornithologen Markus Risch scheint ein Streit die Ursache für sein frühes Ausscheiden gewesen zu sein. Zudem berichten Insider des Vereins, dass es bereits vor einiger Zeit Versuche gegeben habe, Schneider als ersten Vorsitzenden abzuwählen. Dieser habe dann jedoch stets Mitglieder vor allem aus Ostdeutschland mobilisieren können, die bei den Wahlen für ihn stimmten.

Am 11. Februar treffen sich die Mitglieder des Vereins zu ihrer Jahresversammlung. Ob sie dort über die Geschehnisse und die Gräben im Verein aufgeklärt werden, erscheint in der derzeitigen Situation noch völlig unklar.