Drei Ammersbekerinnen helfen ehrenamtlich ihrer schwer kranken Freundin. Nun dürfen sie zum Neujahrsempfang des Bundespräsidenten.

Ammersbek. Melli, Sassi, Steffi und Steffi sind beste Freundinnen. Schon seit der Grundschule, die sie im Ammersbeker Stadtteil Hoisbüttel besucht haben, machen die jungen Frauen alles gemeinsam. Sie gehen ins Kino oder spazieren, besuchen Osterfeuer oder grillen im Sommer im Garten. "Oder wir treffen uns hier", sagt Melanie Plautz, 25. "Hier" - das ist das Senator-Neumann-Pflegeheim in Hamburg-Bergstedt, in dem ihre Freundin Steffi lebt. Denn die Vier verbindet eine besondere Freundschaft - und seit gut fünf Jahren gilt das mehr denn je.

Damals, im Oktober 2006, verschleppte Stefanie Vogelwiesche eine Erkältung. Ein Herzmuskel entzündete sich. Niemand bemerkte die Gefahr. Bis zu dem Sonntag, als beim Frühstück auf einmal das Herz der heute 24-Jährigen aussetzte. "Sekundentod nennt man das", sagt Stefanie Schoop. Am Abend zuvor waren die vier Mädchen zum Cocktailtrinken in einer Bar verabredet. Steffi kam nicht, hatte sich auch nicht entschuldigt. "Wir dachten, sie bliebe wegen ihres Knöchels zu Hause. Den hatte sie sich kurz zuvor beim Fußballspielen verstaucht", erzählt Melanie. Steffi spielte damals im Mittelfeld des HSV in der Zweiten Bundesliga. "Sie stand kurz vor dem Aufstieg."

Am Montag telefonierte Melanie mit Steffis Mutter und erfuhr, was passiert war. Nach dem Herzstillstand am Frühstückstisch war Steffi ins Krankenhaus eingeliefert worden. Mehrere Monate lag die Ammersbekerin im Koma. Seitdem ist sie auf Pflege angewiesen. Steffi hat einen sogenannten hypoxischen Hirnschaden erlitten. In fünf Jahren ist keine Woche vergangen, in der nicht mindestens eine ihrer drei Freundinnen bei ihr war. Sie begleiten sie zu Therapien und sammeln Spenden für die teure Behandlung - vor allem aber unternehmen sie gemeinsam die Dinge, die auch andere Freundinnen machen. "Wir waren die ganze Zeit bei ihr. Für uns kam es nie in Frage, uns abzuwenden", sagt Stefanie. "Wir wissen, dass Steffi das auch für uns getan hätte."

Auch wenn die Ammersbekerin ihren Einsatz für die Freundin nicht als etwas Besonderes ansieht, so bleibt er doch bemerkenswert. Morgen ist für die jungen Frauen deshalb ein ganz besonderer Tag. Zwei von ihnen - für alle drei war wegen der vielen Gäste kein Platz - sind zum Neujahrsempfang des Bundespräsidenten eingeladen. Gemeinsam mit 80 ehrenamtlich engagierten Menschen aus ganz Deutschland werden Stefanie Schoop und Saskia Binder zum Schloss Bellevue fahren und Christian Wulff treffen. "Ich war vollkommen überrascht, als ich die Einladung erhalten habe", sagt Stefanie. Steffis Vater hatte an das Ministerium geschrieben. Die Eltern suchten nach einer Möglichkeit, den Freundinnen ihrer Tochter für ihre Unterstützung zu danken.

Schon heute reisen Stefanie und Saskia nach Berlin. "Jetzt, wo der Empfang näher rückt, wird für mich alles realistischer. Ich freue mich richtig", sagt Stefanie. Auf der Tagesordnung steht unter anderem eine Tour durch das Bundespräsidialamt. "Ich bin total gespannt, was uns erwartet", sagt Saskia. "Wir haben Steffi und Melli dann sicher viel zu erzählen."

Die aktuelle Diskussion um Christian Wulff haben die Ammersbekerinnen seit der Einladung zum Neujahrsempfang mit Interesse verfolgt. "Ich freue mich, dass er es sein wird, der morgen da steht", sagt Stefanie. Der Lehramtsstudentin ist der Bundespräsident sympathisch. "Dass er im Amt bleiben will, finde ich toll."

Toll ist auch, dass Steffi seit kurzem große Fortschritte macht. Mit einer Gehhilfe kann sie mittlerweile selbstständig laufen. "Für uns alle war es das schönste Weihnachtsgeschenk, als sie zum ersten Mal die Treppe im Haus ihrer Eltern hochgehen konnte", erzählt Melanie. Das ist ein wichtiger Schritt, denn gesundheitlich ging es für Steffi bisher nur langsam voran. Deutlich sprechen kann sie seit dem Unglück nicht mehr, eine Verständigung ist nur schwer möglich. Trotzdem versteht sie, was ihre Freundinnen zu ihr sagen - und die haben gelernt, Steffis Antworten zu verstehen. "Während sie im Koma lag, wurde uns immer mehr bewusst, dass alles viel Zeit brauchen wird", sagt Stefanie, und Melanie ergänzt: "Wir haben uns gefreut, wenn Steffi nur unsere Hände gedrückt hat." Mittlerweile können die Freundinnen wieder gemeinsam lachen. Sie gehen nun ganz selbstverständlich mit der Krankheit um. Sitzt Steffi im Rollstuhl, schieben die jungen Frauen sie. Ist sie mit ihrem Gehwagen unterwegs, warten sie geduldig.

In Steffis Zimmer im Pflegeheim hängen Bilder von ihrer Abiturfeier und auch von ihrer Zeit beim HSV. Schalke ist der Lieblingsverein der 24-Jährigen, Fußball ist immer ihre Leidenschaft geblieben. Auch wenn sie nicht mehr selbst spielen kann. Stefanie sagt: "Beste Freundinnen gehen auch zusammen durch schwere Zeiten."