Nach einem Sturz wurde Walter Gabriel zum Pflegefall und soll pro Monat für seine Wohnung in Ahrensburg rund 1600 Euro mehr zahlen

Ahrensburg. Das ist kein netter Brief, der ihm am Dienstag an der Wohnungstür ausgehändigt worden ist. "Förmliche Zustellung" steht auf dem Kuvert, darin steckt ein Vollstreckungsbescheid. Dass es einmal so weit kommen würde, hätte Walter Gabriel, 89, nicht gedacht. "Mein Girokonto ist gepfändet worden", sagt der Beamte im Ruhestand. Gabriel sitzt in seinem Wohnzimmer am Esstisch, während er das Papier kopfschüttelnd studiert. Zwei Etagen tiefer sitzen die Initiatoren dieser Aktion im Büro der Stadtresidenz Ahrensburg.

Es ist der vorläufige Höhepunkt eines Streits, den der Pensionär Gabriel und sein Vermieter seit bald zwei Jahren ausfechten. Zunächst vor dem Landgericht Lübeck, das für Gabriel entschieden hat. Später vor dem Oberlandesgericht (OLG) in Schleswig (wir berichteten), dessen 3. Senat am 1. Juni gegen ihn geurteilt hat. Und bald womöglich vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Gabriels Anwalt Lothar Joswig will nun erreichen, dass eine Revision gegen das Schleswiger Urteil zugelassen wird. "Dieser Fall hat eine grundsätzliche Bedeutung", sagt er.

"Die Sätze sind zwischen Kassen und Heimträgern ausgehandelt worden"

Vordergründig geht es um die Frage, weshalb sich die Miete für die 113 Quadratmeter große Wohnung, in der Walter Gabriel und seine Frau Ursula, 79, seit sechs Jahren leben, seit 1. August 2008 drastisch verteuert haben soll. Genau 5625 Euro und 89 Cent koste sie seitdem, sagt Gabriel. Das seien rund 1600 Euro mehr als zuvor.

Der August 2008, das war jener Monat, in dem der bis dahin gesunde Senior nach einem Sturz die Pflegestufe 1 zuerkannt bekam. Seine Frau hat schon seit dem Einzug Pflegestufe 2. "Aus unserer Mietwohnung soll an diesem Tag eine Art Pflegewohnung geworden sein", sagt Gabriel. Eine Pflegewohnung, die wesentlich höhere Mehrkosten verursacht, als von der Pflegeversicherung ersetzt werden.

Was den ehemaligen Mitarbeiter der Stormarner Kreisverwaltung maßlos ärgert, ist nach Auffassung des 3. Senats beim OLG aber rechtens. "Die Pflegesätze und die Sätze für die Unterbringung sind zwischen Krankenkassen und Heimträgern ausgehandelt worden", hatte der Vorsitzende Armin Teschner schon während eines Ortstermins in Ahrensburg Mitte April zu bedenken gegeben. Und: "Diese Sätze sind verbindlich. Von ihnen kann nicht abgewichen werden."

Nach Einschätzung des Anwaltes Joswig ist das Problem aber ein ganz anderes. Hier gehe es um Verbraucherschutz. So hätten die Eheleute Gabriel schon vor dem Einzug in die Seniorenresidenz darauf hingewiesen werden müssen, dass höhere Kosten auf sie zukommen könnten, sollte auch Walter Gabriel einmal zum Pflegefall werden. "Das ist im vorliegenden Fall unstreitig nicht geschehen", sagt Joswig.

"Der Bewohner ist im Extremfall dem Träger praktisch ausgeliefert"

Er erklärt: "Der zwischen dem Träge eines Alten- und Pflegeheimes und dem Bewohner abgeschlossene Vertrag ist dem Bürgerlichen Recht zuzuordnen." Im Bürgerlichen Recht stünden sich gleichberechtigte Vertragspartner gegenüber. "Das Verhältnis eines Heimbewohners zum Träger ist aber geprägt von einer strukturellen Unterlegenheit. Der Bewohner ist im Extremfall dem Träger praktisch ausgeliefert."

Über die dem noch nicht rechtskräftigen OLG-Urteil prompt folgende Zwangsvollstreckung wundert sich Lothar Joswig insbesondere. "Diese Vorgehensweise entspricht nicht dem Gesetz und ist auch unter dem Aspekt der Fürsorgepflicht des Heimträgers nicht akzeptabel", sagt er. "Obgleich mein Mandant bereit ist, die Forderungen auszugleichen, schickt noch während eines laufenden Gerichtsverfahrens die Heimleitung einem schwerstbehinderten, betagten Rollstuhlfahrer den Gerichtsvollzieher ans Bett."

Auch wenn der Fall Gabriel nun höchstrichterlich entschieden werden soll. Lothar Joswig sagt: "Wir streben eine einvernehmliche Lösung an, damit dieser Mann nicht noch weiter unter dieser Sache leiden muss, die er nicht selbst verschuldet hat."