Motorradfahrer kam bei Zusammenstoß in Witzhave ums Leben

Reinbek. Sie faltet ihre Hände vorm Gesicht, greift sich immer wieder an den Hals, tastet nach dem Anhänger. Es ist ein Zahn ihres verstorbenen Sohnes, der an einer filigranen Goldkette hängt. Sie umfasst den Anhänger und blickt dem Mann ins Gesicht, der für den Tod ihres Kindes mitverantwortlich sein soll.

Die trauernde Mutter und der 71 Jahre alte Angeklagte saßen sich am Montag im Reinbeker Amtsgericht gegenüber. Erwin K. (Name geändert) musste sich wegen fahrlässiger Tötung verantworten. Er hatte im Sommer vergangenen Jahres einen 28 Jahre alten Motorradfahrer auf der Möllner Landstraße übersehen. Beide Fahrzeuge stießen zusammen. Der Motorradfahrer erlag im Krankenhaus seinen schweren Kopfverletzungen. Das Gericht sprach den Rentner aus Witzhave schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 6000 Euro. Zudem entzog die Richterin dem Angeklagten den Führerschein.

Der Angeklagte muss auch seinen Führerschein abgeben

Die Mutter des Getöteten trat als Nebenklägerin auf. "Natürlich weiß ich, dass mein Sohn auch eine Schuld trifft, er war zu schnell", sagt die schwarz gekleidete Frau, "doch dieser Mann möchte partout nicht zugeben, dass er meinen Jungen übersehen hat, er weist sämtliche Schuld von sich."

Am Mittwoch, 27. Juli 2009, fährt Erwin K. mit seinem Ford Focus um 21.30 Uhr auf der Möllner Landstraße. Es nieselt, langsam wird es dunkel. In Witzhave biegt K. nach links auf sein Grundstück ab. Plötzlich ein lauter Knall. Ein Motorradfahrer schleudert durch die Luft, prallt auf die Straße und bleibt bewusstlos liegen. Bevor er abgebogen sei, habe er geguckt, ob es Gegenverkehr gab. "Da war niemand", sagt der Angeklagte. Und weiter: "Ich dachte im ersten Moment, jemand hätte einen großen Stein auf meine Auffahrt gelegt und ich sei dagegen gefahren." Erst als K. aussteigt und den regungslosen Motorradfahrer entdeckt, wird ihm bewusst, was passiert ist.

Gutachter sagt, dass das Motorrad gut sichtbar gewesen sein muss

"Diese Straße ist eine Rennstrecke. Niemand hält sich an Tempo 70. Wenn ich im Garten bin und die hier rasen, ist das manchmal so laut, dass ich fast von der Liege falle", sagt K. Einige Hundert Meter von seiner Einfahrt gebe es zudem eine Kurve, vielleicht habe er den Motorradfahrer gar nicht rechtzeitig sehen können. Ein Sachverständiger der Dekra sagt, dass der Motorradfahrer nach seinen Berechnungen mit Tempo 120 gefahren ist. Als K. zum Abbiegen ansetzte, sei der 200 Meter entfernte Kradfahrer gut sichtbar gewesen. Zumal er sein Licht eingeschaltet hatte. Laut Gutachten hätte der Motorradfahrer rechtzeitig anhalten können, wenn er sich an Tempo 70 gehalten hätte.

"Der Motorradfahrer war zu schnell, aber Sie tragen eine erhebliche Mitschuld", sagte die Richterin in der Urteilsbegründung zum Angeklagten. "Die Fahrerlaubnis entziehe ich Ihnen, weil sie sich keiner Schuld bewusst sind und eigenen Angaben zufolge nichts an ihrem Verhalten geändert haben."

Der Anwalt des Angeklagten, der Freispruch gefordert hatte, deutete an, Einspruch zu erheben.