Wie soll eine Kirchengemeinde mit einem Missbrauchsskandal umgehen, der vor mehr als 30 Jahren seinen Anfang nahm?

An dieser Frage scheiden sich in der Schlossstadt die Geister. Allein die Abscheu vor den Vergehen, die einem Pastor im Ruhestand vorgeworfen werden, eint Gläubige, Atheisten und Geistliche.

Schnell haben die amtierenden Ahrensburger Pastoren, die jetzt von der dunklen Vergangenheit ihres Kollegen eingeholt werden, am helllichten Tag auf dem Rondeel Farbe bekannt. Haben erklärt, dass "innerhalb der Kirche der Missbrauch von Kindern und Jugendlichen offenbar über Jahre verharmlost und totgeschwiegen wurde". Das war nicht nur eine Flucht nach vorn. Die Pastoren haben unmissverständlich die Schuld der Kirche eingeräumt. Und, was noch wichtiger ist: Sie haben die Opfer um Verzeihung gebeten.

Was dem Bekanntwerden der ungeheuerlichen Vorgänge aus den 70er- und 80er-Jahren in und um den beschaulichen Kirchsaal am Hagen folgt, gleicht einem Beben. Tagelang gibt es kein anderes Gesprächsthema. Vor allem bei denen, die den verdächtigten Pastor aus Konfirmandenzeiten, dem Religionsunterricht, Gottesdiensten, Hochzeiten, Trauungen oder Beerdigungen kennen. Ein Pastor, dem sich so viele Menschen selbst und dem sie später sogar ihre Kinder anvertrauten, ein Triebtäter? Unfassbar.

Für viele ist das ebenso wenig zu begreifen wie das Eingeständnis Friedrich Hasselmanns, von den Übergriffen seines Kollegen gewusst, aber nicht angemessen gehandelt zu haben. Ein Eingeständnis, das Kirchenvorstand Helgo Matthias Haak dazu veranlasste, dem verdienten und respektierten Hasselmann alle pastoralen Tätigkeiten zu untersagen. Ein Alleingang Haaks möglicherweise, wie Reaktionen seiner Kollegen vermuten lassen. Schockiert zeigen sich andere Kirchenvorstände über die Sanktionen gegen Hasselmann. Ein "exzellenter Kollege" sei er, der zwar "seine Informationspflicht nicht erfüllt" habe, dem aber kein Vergehen anzulasten sei. Wie soll eine Kirchengemeinde umgehen mit einem solchen Skandal? Der mutmaßliche Täter schweigt. Für seine Vergehen wird er juristisch wahrscheinlich nie belangt werden. Auf ein Schuldeingeständnis von ihm, eine Entschuldigung gar, warten die Opfer bis heute vergebens.

Nun steht also nur der im Feuer, der sich öffentlich zu seiner Schuld durch Unterlassen bekannt hat. Dabei ist es so sicher wie das Amen in der Kirche, dass Hasselmann nicht der einzige Mensch ist, der damals etwas gehört oder gewusst hat. Opfer hatten sich auch an die Kirchenleitung gewandt, sich einer Pröpstin offenbart. Sogar Eltern wussten Bescheid, ohne juristische Schritte einzuleiten. Vermutlich, so hätte es wohl der Autor Henry Miller formuliert, leben sie alle bis heute in "friedlicher Koexistenz mit ihrem schlechten Gewissen".

Was also kann eine Kirchengemeinde lernen aus diesem für Ahrensburg bislang beispiellosen Skandal, bei dem mehr als 30 Jahre lang vertuscht wurde? Martin Luther King würde allen Beteiligten ins Stammbuch schreiben: "Kein Problem wird dadurch gelöst, wenn wir darauf warten, dass Gott allein sich darum kümmert."