Treffpunkt Stormarn: 1800 Zuschauer und 82 Künstler sind sich nach der Musiknacht einig: Das hat Spaß gemacht

Ahrensburg. Der Refrain erklingt erst zaghaft, wird dann immer lauter. "What a Wonderful World" singen rund 400 Menschen in der Ahrensburger Holzhandlung Wulf. Vorn auf der Bühne holt Big Jay McNeely aus seinem Saxofon alles heraus. Die vierte Ahrensburger Musiknacht hat gerade angefangen, doch der Song von Louis Armstrong trifft ins Schwarze. Nach mehr als acht Stunden mit knapp 20 Konzerten in der Innenstadt sind sich die rund 1800 Besucher und 82 Künstler einig: Louis Armstrong hat recht.

17.55 Uhr am Sonnabend: Hunderte Fahrräder stehen vor der Lagerhalle der Holzfirma. Der Duft von Grillwürstchen zieht durch die unerwartet laue Frühlingsluft. Die Menschen unterhalten sich gut gelaunt. Für viele ist die Musiknacht ein fester Treffpunkt. Die Vorfreude ist förmlich zu spüren.

18.12 Uhr: Axel Zwingenberger betritt strahlend die Bühne in seiner Heimatstadt. Die grünen Schuhe zum schwarzen Anzug fallen ins Auge. Dann greift der Boogie-Woogie-Meister in die Tasten. Nach jedem Stück gibt es viel Applaus. Zwingenbergers Freund und Kollege, die Rhythm-and-Blues-Legende Big Jay McNeely, nimmt ein Bad in der Menge. Arm in Arm mit Ingeborg Wulff, der Schwester des Seniorchefs der Firma, schreitet der 83 Jahre alte Musiker aus Los Angeles zur Bühne. Seine Finger laufen über die roten Klappen seinen Tenorsaxofons. Er flirtet mit dem Publikum, das mitklatscht, mitsingt, hingerissen ist von dem Mann auf der Bühne, dessen Leben die Musik ist. McNeely, der den extrovertierten Saxofonstil "Honkin" erfunden hat, spielt natürlich auch seinen größten Hit "There ist Something on your Mind".

Besucherin Ursula Richter ist begeistert. "Das geht bis in die Zehenspitzen", sagt sie, "bei dieser Musik kann man einfach nicht still sitzen." Christine Witte und Heike Dräger stimmen zu: "Ein fulminanter Auftakt."

19.12 Uhr: Überall schlendern und radeln Gruppen von Menschen durch die Innenstadt. Viele verabreden sich per Handy mit Freunden an einem der 16 Schauplätze, an denen 19 Konzerte gegeben werden. Das Programmheft hilft bei der Orientierung. "Wir wollen möglichst viel mitbekommen und Neues kennenlernen", sagt Manfred Wille aus Hamburg-Rahlstedt, "wenn die Musik nicht gefällt, zieht man einfach weiter. Das ist ein richtig gutes Konzept." Er ist auf dem Weg ins Badlantic, das zum ersten Mal bei einer Musiknacht dabei ist.

20.02 Uhr: Das Schwimmbad-Restaurant ist bis auf den letzten Platz gefüllt, als Big Daddy Wilson und Jochen Bens auf Cajon und Gitarre die ersten Töne anschlagen. Big Daddy Wilson singt. Zwischendurch erzählt er von seiner Heimat North Carolina und lobt die persönliche Atmosphäre. "Was für eine Stimme", sagt Rosie Campling, eine gebürtige Südafrikanerin, die in Ahrensburg wohnt. "Unbeschreiblich gefühlvoll und kraftvoll zugleich", fügt ihre Freundin Karin Dieckebohm hinzu. Sie hatte so von der vergangenen Musiknacht geschwärmt, dass Rosie dieses Mal mitgekommen ist. "Gott sei Dank", sagt die junge Frau. Zur Erinnerung kauft sie eine CD des Duos.

20.47 Uhr: Die Dunkelheit senkt sich langsam auf die Innenstadt. Wildfremde Menschen tauschen Tipps aus, erzählen begeistert von der Musik, die sie soeben gehört haben, prosten einander zu, lachen. Eine Stimmung, die an Plätze in Italien und Spanien erinnert. "Endlich ist mal was los in der Stadt. Das könnte viel öfter so sein", sagt Rainer Traupel. Er steuert gezielt das Santorini an, weil dort "Indigo Rocks", spielt. Die vier Musiker hatten mit ihrem lockeren Mix aus Westcoast-Swing, trockenem Texas-Shuffle und kraftvollem Gitarrensound den Todendorfer im vergangenen Jahr begeistert. Während das Restaurant-Team kühles Bier und griechische Spezialitäten serviert, gibt die Band Vollgas. "Wir haben nur die erste Musiknacht verpasst. Das passiert uns nicht ein zweites Mal", sagt Traupels Freundin Yvonne Landmann.

20.58 Uhr: Im Restaurant Maredo drängen sich die Zuhörer um den zur Bühne umfunktionierten Gesellschaftsraum. Die Hamburger Blues-, Funk- und Soulband, die in dem Steakhaus spielt, heißt ausgerechnet "Eat more Fish". "Toller Sound, lustiger Name", sagt Silvia Haffner aus Reinbek, "hätte auch gut bei Fisch Schloh reingepasst."

21.16 Uhr: Im Fischgeschäft gibt ein Bayer den Ton an. Der Münchener Gitarrist, Sänger und Mundharmonikaspieler Peter Crow C. hat mit seiner Truppe "The Weed Whackers" Blues der 20er- bis 40er-Jahre mitgebracht. Anna Schablowski und Yvonne Leptien hören von draußen zu. Ihr Urteil zur Musiknacht: charmant, dynamisch, vielfältig. "Der perfekte Start in den Sommer", sagt Anna Schablowski.

21.54 Uhr: Das City-Center rockt und groovt - wenn auch bei nicht überall gleich guter Akustik. Vor dem Sky-Markt kommen Irish-Folk Fans und Guinness-Genießer auf ihre Kosten. Bei Home & Cook tanzen die Menschen zwischen Kopftöpfen, Pfannen und Kaffeemaschinen zum temperamentvollen Blues- und Latinmix von Marcos Coll und Adrian Costa von "Los Reyes del KO" . Claudia und Michael aus Bad Oldesloe sind hingerissen. "Fehlt nur noch, dass die auf den Töpfen spielen", sagt Claudia. Und genau das machen die beiden Vollblutmusiker wenig später auch. Es sei diese Spontaneität, gepaart mit der musikalischen Vielfalt und der persönlichen Atmosphäre, die die Musiknacht so einzigartig macht, sagt die Oldesloerin. Auch Hans-Jürgen und Margit Harring und Jutta und Rolf Diercks aus Großhansdorf lassen sich durch "Swinging Ahrensburg" treiben. "Das ist eine wunderbare Veranstaltung", sagt Hans-Jürgen Harring.

22.38 Uhr: Freunde der leiseren Töne sind bei Music Corner zusammengekommen. Andächtig lauschen sie dem virtuosen Gitarrenspiel von Stephan Völpel und Johnny Weber alias "Groove Improve". "Sagenhaft, wie die spielen", meint Rüdiger Ewert aus Großhansdorf. Seine Bravo-Rufe mischen sich in den Applaus.

22.46 Uhr: Gegenüber im Zeitlos stehen die "Blues Walkers" auf der Bühne. Beim Ray-Charles-Hit "Hallelujah, I love you so" hält es Don Juan und Martylla aus Ahrensburg nicht mehr auf den Stühlen. Sie tanzen ausgelassen auf den paar Quadratzentimetern, die ihnen das Publikum frei macht.

23.51 Uhr: Im Casa Rossa geht nichts mehr. Mathias Schlechter (Klavier, Gesang) und Jochen Reich (Schlagzeug) spielen sozusagen vor ausverkauftem Haus: Neuankömmlinge müssen sich gedulden, bis andere Musikfans das Restaurant verlassen.

23.02 Uhr: Ein fulminantes Schlagzeugsolo beendet den Auftritt von Jessy Martens und Jan Fischer's Blues Support im Park Hotel. "Bis nachher bei der After-Show-Party", ruft die energiegeladene Sängerin ins Publikum. Die Bühne für die "Stimulators", die die Musiknacht traditionell beschließen, ist bereitet.

24 Uhr: Die Menge setzt sich zum großen Schlussakkord in Richtung Park Hotel in Bewegung. Die "Stims" haben ihre Mixtur aus Ska, Rock, Latin, Soul und Funk schon angerührt. "Ohne die Band wäre die Veranstaltung nicht rund", sagt Frank Heise. Auch Heike Dräger hat durchgehalten: "Nach einem tollen Auftakt ein tolles Finale. Dazwischen Musik, Musik, Musik. Schöner geht es nicht."

1.18 Uhr: Felizitas Thunecke und Jürgen Knecht-Nernheim, die die Musiknacht mit ihrer Agentur Feljon organisiert haben, sitzen entspannt im Hotelfoyer. "Ich bin super happy", sagt Thunecke, "es ist perfekt gelaufen. Gäste und Bands hatten viel Spaß. Alles hat zusammengepasst." Die Anspannung der vergangenen Wochen ist verflogen. "Nach dem schleppenden Vorverkauf gingen an der Abendkasse so viele Karten weg wie noch nie", sagt Jürgen Knecht-Nernheim.

Derweil machen sich einige Gäste, die schon im Holzland Wulf dabei waren, auf den Heimweg. Mit Big Jay McNeelys Saxofonklängen im Ohr: "What a Wonderful World".