Schleswig-Holsteins Denkmalschutz-Chef Michael Paarmann appelliert an die Stadt, Wandmalerei in Schule zu retten

Bad Oldesloe. Auch er hat bisher nur diese wenigen bunten Linien gesehen, die einen echten Wenzel Hablik versprechen. Einen echten Wenzel Hablik, der offenbar seit Jahrzehnten wie ein Schatz verborgen liegt unter Schichten weißer Farbe, versteckt im Obergeschoss des Hauses 18 der Oldesloer Theodor-Storm-Schule. Aber das Wenige, das Michael Paarmann gesehen hat, genügt ihm für sein Urteil von schwärmerischer Opulenz. "Das ist ein echter Glücksfall für die Denkmalpflege", sagt deren oberster Hüter in Schleswig-Holstein. "Solche Ausstattungen aus den 20er-Jahren gibt es nur noch in ganz, ganz geringem Umfang." Dieser Schatz müsse erhalten werden. Und dafür will er, der Landeskonservator, sich nun einsetzen. Er ruft die Stadt, deren Bürger und Kunstliebhaber dazu auf, sich an der Rettungsaktion zu beteiligen.

Der Fund war eher zufällig ans Tageslicht getreten: Wie berichtet, hatte Paarmanns Mitarbeiter Albrecht Barthel, ein Liebhaber der Kunst des gebürtigen Böhmen und Wahl-Holsteiners Hablik, ein bisschen an den Wänden gekratzt im ersten Stockwerk des Schulgebäudes an der Olivet-Allee, das zurzeit saniert wird. Und da tauchte sie auf, die Farbe. Ein bisschen ergraut, ein bisschen matt, für den Experten dennoch unverkennbar Habliks Handschrift, die expressionistische Züge mit solchen des Bauhauses vereint. Hier, mutmaßt Barthel, könnte Habliks Vision von jenem bunt gestalteten Festsaal Realität geworden sein, die selbst Kennern wie ihm bislang nur als Entwurf aus dem Jahr 1924 bekannt ist.

Dass Wenzel Hablik in dem 1926 erbauten Kontorhaus gewirkt hat, steht außer Frage. Die Existenz einer von ihm gestalteten Kassettendecke im Erdgeschoss ist bekannt gewesen und hat in der Vergangenheit bereits dazu geführt, dass das Gebäude unter Denkmalschutz steht. Während der Sanierung ist auch diese Decke ans Tageslicht gekommen.

Die Authentizität der Funde steht für Paarmann außer Frage. "Hablik hat vermutlich mit einigen Helfern selbst in Bad Oldesloe gemalt", sagt der Landeskonservator. "Seine Verbindung zu dem Objekt ist eindeutig belegt." Doch was führte den seit 1907 in Itzehoe lebenden Hablik in das Haus des Oldesloer Margarinefabrikanten und Kaffeerösters Friedrich Bölck (1887-1940)? Albrecht Barthel: "Wahrscheinlich waren Habliks Mäzen, der Itzehoer Holzgroßhändler und Fensterfabrikant Friedrich Biel, und Bölck miteinander bekannt." Dafür spreche, dass im Kontorhaus die überaus seltenen "Stumpf-Patentschiebefenster" aus dem Hause Biel - leider undicht - eingebaut worden seien.

Was die Denkmalschützer schwärmen lässt, treibt den Verantwortlichen in der Stadt Bad Oldesloe Sorgenfalten ins Gesicht. Das seit den 50er-Jahren als Schule genutzte Gebäude wird gerade mit Geld aus dem Konjunkturpaket II gefördert. Der 1,25 Millionen Euro teure Umbau soll im Herbst abgeschlossen sein. "Im Erdgeschoss wollen wir die Kassettendecke abhängen", sagt Oldesloes designierter Bauamtsleiter Frank Duwe. Lediglich ein kleiner Teil der Deckenmalereien im späteren Flur soll sichtbar bleiben. Eine aufwendige Restaurierung der Hablik-Kunst im ersten Stock geschweige denn die damit verbundene Verzögerung des Schulbetriebes könne sich die Stadt aber momentan nicht erlauben - so jedenfalls ist es die bisherige Mehrheitsmeinung in Reihen der Politiker und der Stadtverwaltung gewesen.

Denkmalschutz-Chef Paarmann hofft unterdessen, dass er die Entscheidungsträger umstimmen kann oder dass ihm das womöglich sogar schon gelungen ist. "Ich habe den Tenor vernommen, dass alle die Restaurierung wollen", sagt er. Zumal die im Obergeschoss verborgenen Arbeiten die im Erdgeschoss künstlerisch bei weitem überträfen. "Wir werden uns ganz sicher finanziell beteiligen", sagt Paarmann, verweist dabei allerdings auf seinen kleinen Etat von 750 000 Euro jährlich. "Wir hoffen auf andere Zuwendungsgeber, womöglich auch auf private Spender", sagt er. Mit der Brechstange solle hier aber gar nichts durchgesetzt werden. Paarmann: "Wenn die Stadt nicht restaurieren will, dokumentieren wir das eben. Dann können sie Gipskarton drauf kleben, und dann ist es eben weg. Für immer."

Dass Wenzel Habliks Ehefrau Elisabeth Lindemann (1879-1960) eine bekannte Textilkünstlerin war, und der Raum im ersten Stock der Theodor-Storm-Schule ein Fachraum für textiles Werken werden soll, ist aus Michael Paarmanns Sicht der perfekte Brückenschlag aus der Vergangenheit in die Zukunft. Bedenken, dass Schüler nicht sorgsam mit wertvollen Wänden umgehen könnten - "da fliegt schon mal ein Joghurtbecher an die Wand", wie der Oldesloer Stadtverordneter und ehemalige Schuldirektor Hartmut Jokisch (Grüne) es formuliert hatte -, teilt der Denkmalschützer nicht: "Ich denke, ganz so schlecht sollten wir unsere Schüler nicht einschätzen."

Heute Abend wollen die Mitglieder des Oldesloer Bauausschusses in einer Sondersitzung über das weitere Vorgehen beraten und beschließen. Die Politiker treffen von 19 Uhr an in Zimmer 209 der Oldesloer Stadtverwaltung (Markt 5) zusammen.