Früherer Eigentümer der Stoltenrieden-Hochhäuser legte vor dem Schöffengericht ein Geständnis ab. Bekommen die Gläubiger Geld zurück?

Bad Oldesloe. Zehn Monate Haft auf Bewährung, 20 000 Euro Geldbuße, von der die Opfer profitieren sollen: das Urteil gegen Robert P., den sogenannten Miethai von Bad Oldesloe, früherer Eigentümer der Stoltenrieden-Hochhäuser. Das Ahrensburger Schöffengericht hat den Österreicher mit Wohnsitz in Friedrichshafen schuldig gesprochen, in den Jahren 1999 bis 2003 Mietkautionen nicht ordnungsgemäß angelegt, sondern davon Gehälter seiner Mitarbeiter und Handwerkerrechnungen bezahlt zu haben. Es geht um 63 Fälle der Untreue. Schaden: 82 000 Euro. Zuvor hat P. gesprochen, hat gestanden und geweint.

Ahrensburger Amtsgericht, kurz vor 9 Uhr. Auf dem Flur steht eine Gruppe Schaulustiger. Ehemalige Mieter der vier Hochhäuser sind da. Der frühere Hausmeister auch. Ein Handwerker, dem Robert P. noch 5000 Euro schulden soll, ebenso. Und Gerd-Günter Finck vom Verein Mieter helfen Mietern. Ein Kamerateam filmt für den NDR.

Robert P. ist immer noch ein Mann, für den sich viele interessieren. Auch wenn er seit 2003 am Stoltenrieden nichts mehr zu melden hat: Die Wohnblocks stehen seit dem Sommer jenes Jahres unter Zwangsverwaltung. P. und sein Wirken aber bleiben unvergessen: wie er 1998 die Mieten um 50 Prozent erhöhte; wie er exorbitant hohe Nebenkostennachzahlungen verlangte; wie er Handwerker nicht bezahlte; wie Strom und Wasser mehrfach abgestellt wurden, weil auch die örtlichen Versorger kein Geld erhalten hatten. Und dann ist da eben noch die Geschichte mit den Kautionen.

Nur um die geht es bei diesem Prozess. "Das Gericht fühlt sich nicht dazu berufen, die guten oder schlechten Wohnverhältnisse am Stoltenrieden zur beurteilen", wird der Vorsitzende Richter Ulf Thiele später sagen.

Aber so weit ist es noch nicht. Es ist zehn nach neun, als sich mit leichter Verspätung die Türen zum großen Gerichtssaal öffnen. Da sitzt er. Trägt schwarzen Anzug über lachsfarbenem Hemd, dazu eine gestreifte Krawatte. Das volle kurze Haar, schwarz mit einem Hauch von Grau an den Schläfen, ist so tadellos gestutzt, als hätte gerade ein Friseur seine Hände im Spiel gehabt. Robert P., 52 Jahre alt, österreichischer Staatsbürger, gibt den perfekt gestylten Geschäftsmann. Aber er wirkt angespannt. Der Mund ist zu einem schmalen Strich zusammengekniffen, die Hände sind auf dem Tisch gefaltet, die Augen, hinter schwarz geränderter Brille, wandern kritisch prüfend durch die Reihen der Zuschauer.

Zunächst spricht Robert P. nicht. Er scheint es auch überhaupt nicht vorzuhaben. Statt seiner ergreift sein Ahrensburger Verteidiger Thomas Elvers das Wort, um einen - wie er es formuliert - zu diesem Zeitpunkt sehr ungewöhnlichen Vorstoß zu unternehmen. Er regt eine Einstellung des Verfahrens an. "Wir können uns eine Zahlung von 12 000 Euro an den Zwangsverwalter oder die Landeskasse vorstellen", sagt Elvers.

Auch Richter Thiele scheint einer Lösung jenseits einer klassischen Gerichtsverhandlung, in der ein Angeklagter vernommen und Zeugen befragt werden, nicht abgeneigt zu sein. Aber das Angebot des Rechtsanwaltes ist ihm zu gering. "Ich halte schon eine Verurteilung für geboten. Eine Verurteilung, die zum Ausdruck bringt, dass man den Mieterschutz nicht umgehen darf, und dass insbesondere mit Kautionen tipptopp umgegangen werden muss", sagt Thiele. Er regt eine Höchststrafenvereinbarung an, die allerdings ein Geständnis voraussetze.

Das Feilschen um Monate und Euros hat begonnen. Die Sitzung wird mehrfach unterbrochen. Drinnen wird beraten, draußen vor der Tür ist Ex-Hausmeister Dietrich Kessler (66) in Plauderlaune. "Als Robert P. die Häuser am Stoltenrieden 1998 gekauft hat, hat er große Reden geschwungen, was er alles vorhat. Wir haben an ihn geglaubt." Kessler, zu diesem Zeitpunkt schon fünf Jahre in der heruntergekommenen Anlage beschäftigt, durfte weiterhin mietfrei wohnen. P. zahlte ihm 1500 Euro Gehalt. Der Hausmeister war zufrieden - bis er nach anderthalb Jahren 9000 Euro Nebenkosten nachzahlen sollte. "Als ich mich weigerte, bekam ich kein Gehalt mehr", sagt er. P. habe ihn mit Klagen überzogen, vor Gericht aber verloren. Bei seinem Auszug aus der Hausmeisterwohnung habe P. dann noch 23 000 Euro für die Renovierung gefordert.

"Ja, ja, der Herr P.", sagt der Maler Michael Jakubowski und zieht einen Vollstreckungsbescheid aus dem Jahr 2003 aus der Tasche. Ihm schulde P. noch 5000 Euro. "Ich habe zum Glück rechtzeitig die Kurve gekratzt und die Arbeiten eingestellt, nachdem ich mitbekommen hatte, dass P. die Handwerker nicht bezahlte", sagt er. Die Tür zum Gerichtssaal geht wieder auf.

Nach mehr als zweieinhalb Stunden sind die Verhandlungen über das Strafmaß so weit fortgeschritten, dass Robert P. eigentlich nur noch reden muss. Er soll zunächst etwas von sich erzählen. Er macht das sehr langsam und leise, in jenem Schweizer Dialekt, der Grenz-Österreichern aus der Bodensee-Region eigen ist. Doch plötzlich bricht seine Stimme weg, er schluchzt, zückt ein Taschentuch, tupft Tränen aus dem Gesicht. Eine schwere Tumoroperation am Kopf 2007, keine Arbeit, von der Lebensgefährtin und Mutter seiner Töchter getrennt - das alles belaste ihn sehr. P. erklärt sich als mittellos. "Ich werde immer falsch eingeschätzt, weil ich so ein gepflegtes Äußeres habe", sagt er. "In dem Oldesloer Objekt habe ich enorm viel Geld kaputt gemacht." Der gestylte P., er wirkt mit einem Mal wie ein gebrochener Mann.

Dann gesteht er, es dauert 30 Sekunden. Richter Thiele wird ihm später als strafmildernd zugutehalten, dass er bis 2006 schon 46 500 Euro zurückgezahlt hat. Thiele: "Sie hätten sich auch in einen Offenbarungseid flüchten und alle Gläubiger gegen die Wand laufen lassen können." Zwei der zehn Monate Haft gelten zudem, so der Richter, als vollstreckt: Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hätten viel zu lange gedauert.

Der Prozess ist zu Ende. Die Schaulustigen stecken ihre Köpfe wieder zusammen. "Das Urteil ist den Geschädigten sicherlich schwer zu vermitteln", sagt Gerd-Günter Finck. Die Gruppe diskutiert: Geht es Robert P. wirklich so schlecht, oder war das im Gericht alles nur Show? Dann entdecken sie ihn, der den öffentlichen Auftritt außerhalb der schützenden Gerichtsmauern scheut: Er kauert am Hinterausgang, gleich neben den Mülleimern.