Konzern hätte prüfen müssen, ob die strengen EU-Vorschriften überhaupt anzuwenden seien. Auch Ausnahmen könnten jederzeit beantragt werden.

Ahrensburg. Im Streit um die fehlende Freigabe für den neuen Bahnhof Ahrensburg-Gartenholz fühlt sich das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) zu Unrecht an den Pranger gestellt. Die Behörde wirft der Bahn AG schwere Versäumnisse bei der Planung vor. "Der Haltepunkt kann aufgrund von Versäumnissen der DB Station & Service AG weiterhin nicht in Betrieb gehen", heißt es in einer EBA-Erklärung. Ursprünglich sollten die Regionalzüge seit Mitte Dezember am Gartenholz halten. Wann es tatsächlich so weit ist, steht in den Sternen.

Nach Auffassung des EBA hätte die Bahn AG prüfen müssen, ob die komplizierten EU-Vorschriften für den Bahnhof Gartenholz überhaupt anzuwenden seien. Ausnahmegenehmigungen könnten jederzeit beantragt werden - auch jetzt noch. In der Vergangenheit habe die Bahn dies bereits "bei einer Vielzahl bundesweiter Vorhaben erfolgreich praktiziert".

EBA-Sprecher Ralph Fischer sagt: "Da die Stadt Ahrensburg erstmals eine solche Bahnanlage baut, fehlen verständlicherweise die notwendigen Kenntnisse. Aus unserer Sicht ist es die Aufgabe der DB Station & Service AG, die mit dem Bauvorhaben betraute Stadt Ahrensburg zu unterstützen. Hier ist dringend Abhilfe geboten." Doch bei mehreren Versuchen, die Probleme in den Griff zu bekommen, habe die Bahn AG immer wieder auf zeitliche Überlastung hingewiesen. Geändert habe sich von Januar bis jetzt aber nichts.

Harsche Kritik muss aber auch das Ahrensburger Rathaus einstecken. "Wenn die Stadt Ahrensburg den Eindruck erweckt, der Haltepunkt sei seit Monaten fertig gestellt und das EBA sei untätig geblieben, entbehrt dies sachlich jeder Grundlage", heißt es in der Erklärung. Bei der Bauabnahme am 23. November hätten größere Teile der Bahnsteige und Zuwege gefehlt. Ralph Fischer: "Die Inbetriebnahme kam aufgrund der erheblichen Sicherheitsgefahr für die Reisenden nicht in Betracht."

In der dritten Etage des Ahrensburger Rathauses stapeln sich im Büro von Fachdienstleiter Stephan Schott jedenfalls noch immer Aktenordner, die sich der Haltestelle widmen. "Es ist der erste Bahnhof, den ich baue", sagt Schott, der sich sonst um Straßenbau kümmert. Weil die Stadt das Vorhaben von der Bahn AG übernommen hat, muss er sich auch mit der Transeuropäischen Eisenbahn-Interoperabilitätsverodnung (TEIV), dem UIC-Kodex 140 und weiterem Regelwerke beschäftigen. Auch Schott möchte den Bahnhof endlich eröffnen, doch ihm fehlen noch immer Zertifikate der beteiligten Firmen.

Auf dem Bahnsteig zeigt Stephan Schott einen grauen Betonpfeiler. Dort soll eigentlich der Fahrkartenautomat stehen. Schotts Problem: "Wir bekommen nicht die vorgeschriebenen Automaten." Es gibt sie noch nicht. Moderne Automaten haben heutzutage meist Bildschirme, die auf Fingerdruck reagieren - sogenannte Touchscreens. Das könnte ein Problem für sehbehinderte Menschen sein. Die sollen nach europäischem Recht nämlich auch problemlos eine Karte kaufen können. Deshalb wurden für europäische Hauptverbindungen - dazu zählt die Strecke Hamburg-Kopenhagen - einheitliche Standards festgelegt. "Die Regelung selbst ist ja absolut sinnvoll", sagt Schott. Nur fehlen ihm jetzt die passenden Automaten.

Etwas weiter an den Rampen findet sich die nächste EU-Auflage. Ein Schild mit einem Rollstuhlpiktogramm. Es soll Rollstuhlfahrer darauf hinweisen, dass sie nicht die Treppe, sondern die Rampen benutzen. Ist das wirklich notwendig? Welcher Rollstuhlfahrer käme auf die Idee, die Treppen zu nehmen? Stephan Schott zuckt mit den Schultern. Das Schild gehöre eben zu einem EU-zertifizierten Bahnhof. Ebenso das Steinpflaster. Schott erklärt: "Die Steine müssen ein bestimmtes Kontrastverhältnis zueinander haben." Die Bereiche für Sehbehinderte müssen sich deutlich von den anderen Bahnsteigflächen unterscheiden. Das ist in Deutschland auch für neue Bahnhöfe vorgeschrieben. "Es war aber nicht so detailliert geregelt", sagt Schott und hat dabei wohl einen der dicken Aktenordner aus seinem Büro vor Augen. Einige Steine mussten deshalb an die Technische Universität (TU) Dresden geschickt und dort geprüft werden. Ähnlich war es bei der Rutschfestigkeit der Bodenbeläge. Die Schilder auf dem Bahnhof müssen ebenfalls zertifiziert sein. Für Buchstabengröße und Kontraste gelten EU-einheitliche Standards. Die Schilderfirma hat diese Unterlagen mittlerweile nachgereicht, andere Zertifikate stehen aber noch aus.

Hat sich die Stadt übernommen, als sie die Projektleitung für den Bau des Bahnhofs von der Bahn übernahm? Schott ist nicht der Meinung. Zwar werde auf dem Bahnhof noch immer an Fahrradständern und einigen Wegen gebaut. Doch ohne die europäischen Regelungen hätte der Betrieb schon aufgenommen werden können, bekräftigt er. Die Bahnsteige seien trotz der Verzögerungen wegen des langen Winters fertig.

Wann aber kann die Haltestelle Gartenholz endlich eröffnet werden? "So schnell wie möglich. Ich möchte mich auch nicht ewig damit beschäftigen", sagt Stephan Schott. Einen konkreten Termin nennt aber keiner der Beteiligten mehr.