Bürokratiewahnsinn, Ansprüche der Parteien, fehlende Kompetenzen: Der 56-Jährige über seinen “Traumberuf mit albtraumhaften Zügen“.

Hamburger Abendblatt:

Herr Rehders, am Donnerstag ist Ihr letzter Arbeitstag als Bürgermeister von Glinde. Die Einweihung des neuen Marktplatzes werden Sie nicht mehr mitbekommen - jedenfalls nicht im Amt.

Uwe Rehders:

Stimmt. Was natürlich schade ist, weil das eines meiner großen Projekte gewesen ist - sozusagen Chefsache, wie vieles andere auch. Aber wenn der Marktplatz dann am Ende die Akzeptanz findet, die ich mir erhoffe, dann ist das gut. Ich habe den Eindruck, dass jetzt doch einige Einzelhändler überlegen, mehr aus ihren Geschäften zu machen. Das haben wir uns ja immer erhofft: Dass die städtische Investition in den Marktplatz zu einer Art Aufbruch führt.

Abendblatt:

Der Marktplatz macht nur dann Sinn, wenn die Geschäfte rundherum belebt sind. Aber da gibt es doch einige Leerstände. Haben Sie Hoffnung, dass sich das bald ändern wird?

Rehders:

Der Standort Glinde ist zu attraktiv für bestimmte Branchen, als dass wir über längere Zeit Leerstände haben. Ob das, was dann folgt, wirklich attraktiv ist oder den Vorstellungen der Bürger entspricht, ist eine ganz andere Sache. Ein Ein-Euro-Laden überzeugt mich auch nicht. Aber die Stadt kann das nicht beeinflussen. Wenn wir Glück haben, werden wir von den Immobilieneigentümern informiert, aber eine echte Mitwirkungsmöglichkeit haben wir nicht. Vielfach sind das auch auswärtige Eigentümer.

Abendblatt:

Sie waren bis 2002 Leiter der Kommunalaufsicht in der Kreisverwaltung und haben wie viele ihrer Vorgänger den Karriereschritt zum Bürgermeisteramt gemacht. Ein Traumberuf?

Rehders:

Die Glinder Verwaltung hat rund 170 Mitarbeiter, ist also relativ klein. Das bringt mit sich, dass viele Themen immer auch irgendwie Chefsache sind: aus eigenem Antrieb heraus, aber auch, weil das aus Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit an einen herangetragen wird. Man befasst sich mit vielen, vielen Detailfragen. Bürgermeister zu werden, ist ein Traumziel für einen Verwaltungsmenschen, aber es hat auch albtraumhafte Züge. Nur wirkliche Insider wissen um die Belastungen, die so ein Amt mit sich bringt. Das sind mit Arbeit volle Tage und Wochen, und am Freitag stellt man überrascht fest: Es ist doch gerade erst Montag gewesen. Vieles geschieht unter Zeitdruck, unter großem Stress, wird begleitet von vielen kommunalpolitischen und juristischen Fragen. Es gibt heutzutage nichts mehr, was glatt läuft. Verwaltung ist leider auch immer noch so gestrickt, dass sie zu großer Form aufläuft, wenn es darum geht nachzuweisen, dass etwas unmöglich ist. Das ist aber nicht die Frage. Die Frage ist: Wie kriegen wir es hin.

Abendblatt:

Die Zahl der Gesetze und Verordnungen nimmt auch immer mehr zu.

Rehders:

Wir reden von Entbürokratisierung, aber in Wirklichkeit wird es immer schlimmer. Auch die Einflüsse aus dem EU-Recht machen uns zu schaffen. Denken Sie nur an Ahrensburg, an dieses blöde Ding mit dem Bahnhof Gartenholz, der nicht eröffnet werden kann. Da würde ich mich hinstellen und sagen: Wir machen den jetzt auf. Ist doch egal, ob die Schilder zertifiziert sind oder nicht. Aber wir haben in Verwaltungen ein ganz ausgeprägtes Sicherheitsdenken. Man fällt ganze Alleen, nur weil da mal ein Ast rausbrechen könnte und irgendjemand dann seinen Kopf dafür hinhalten müsste.

Abendblatt:

Ein Bürgermeister hat dennoch große Möglichkeiten, etwas zu bewirken. Zugleich ist er aber auch gefangen in einem Netz aus politischen Entscheidungen und aus Vorschriften. Welches Gefühl überwiegt da bei Ihnen: das der Freiheit oder das der Abhängigkeit?

Rehders:

Der Bürger hat, gerade seitdem die Bürgermeister direkt gewählt werden, den Eindruck, der Bürgermeister sei derjenige, der alles gestaltet und entscheidet. Dem ist ja nicht so. Er hat zwar alles zu vertreten und wird für alles verantwortlich gemacht, hat aber nur eingeschränkte Entscheidungsmöglichkeiten. Da sehe ich eine Schwäche im System. Die Kompetenzen des Bürgermeisters müssten erweitert werden. Er darf ja nicht mal über die Organisation seiner Verwaltung allein entscheiden. Das passt nicht zur Direktwahl. Ich frage mich manchmal, ob ich mich mit dem Wissen und den Erfahrungen, die ich heute habe, noch einmal für eine Laufbahn in der Verwaltung entscheiden würde. Aber trotzdem: Die vergangenen acht Jahre möchte ich nicht missen.

Abendblatt:

Ihre Amtszeit ist sicher auch deshalb stressig gewesen, weil sich in Glinde viel verändert hat. Stichwort altes Bundeswehrdepot. Waren es acht intensive Jahre?

Rehders:

Ja. Ich hätte mir in der Tat gewünscht, dass es mal so eine Art Beruhigung gegeben hätte. Es haben uns eine ganze Reihe von großen Projekten begleitet. Allein das Mühlencenter hat ja acht Jahre gedauert. Das waren äußerst schwierige Verhandlungen. Auch deshalb, weil man von der anfangs angedachten Konzeption abweichen musste. Wir saßen mit unseren Partnern schon beim Notar, um die Verträge zu unterzeichnen, als der Anruf kam, es gebe grundbuchrechtliche Schwierigkeiten. Da wäre die Sache fast an einem eigentlich ganz banalen Problem gescheitert. Beim Depot hat es auch Überraschungen gegeben, zum Beispiel Lärmschutzanforderungen aus dem benachbarten Gewerbegebiet, die ich nie für möglich gehalten hätte. Ohne externe Unterstützung ist so etwas für eine Verwaltung nicht mehr machbar. Und dann wird mit dem Finger geschnippt und gesagt: "Wir wollen mal eben Stadtwerke machen." Da erkennt Politik oft nicht, wie komplex solche Themen sind.

Abendblatt:

Sie sind 2002 von der CDU unterstützt worden, die zuletzt nicht mehr so begeistert von Ihnen war. Anderen Bürgermeistern ist Ähnliches passiert. Ist das ein kommunalpolitisches Grundgesetz, dass sich nach einer Wahlperiode die anfänglichen Unterstützer enttäuscht abwenden?

Rehders:

Das scheint systemimmanent zu sein. Es herrscht offenbar die Vorstellung, dass der eigene Mann die Position der Unterstützer vertreten wird. Wenn man dann merkt, dass der das nicht macht, weil er seine Aufgaben sachlich abarbeiten will, dann gibt es Frust und Enttäuschung. Dabei kann man sich von vornherein klarmachen, dass solche Vereinnahmung nicht funktionieren kann.

Abendblatt:

Manche sagen, in Glinde ist es deshalb noch ein bisschen schwieriger als anderswo, weil Ihr Amtsvorgänger Hans-Peter Busch im Hintergrund immer noch ein bisschen mitmischt. Hat Sie das gestört?

Rehders:

Nein, das hat mich überhaupt nicht gestört, weil Herr Busch sich völlig zurückgehalten hat. Ich fand das, was der Trittauer Ex-Bürgermeister Jochim Schop neulich gesagt hat, völlig richtig: Wenn man den Posten aufgibt, dann muss man den Schnitt machen und sich aus der Politik vollkommen heraushalten.

Abendblatt:

Sie sind nach Glinde gezogen, als sie Bürgermeister wurden, und wollen nun auch hier wohnen bleiben. Wo ist denn Glinde am schönsten?

Rehders:

Bei mir zu Hause auf der Terrasse. Es ist wichtig, einen Ort zu haben, wo man zumachen kann. Ich habe gemerkt, dass man als Bürgermeister stets und ständig unter Beobachtung steht. Man glaubt gar nicht, was die Leute meinen, von einem zu wissen. Mein Sohn ist BMW-Freak und kommt als jüngerer Mensch schon mal ein bisschen später nach Hause, und das ist dank des Motorgeräusches auch hörbar. Da habe ich dann hinterher zu hören gekriegt, wo denn wohl der Bürgermeister morgens um fünf herkommt.

Abendblatt:

Sie schätzen gutes Essen und Trinken, habe ich gehört. Dafür hätten Sie jetzt mehr Zeit.

Rehders:

Ja, wir fahren im Urlaub immer mit dem Michelin unterm Arm durch Frankreich, weil es mich ärgern würde, wenn ich aus Versehen ein tolles Restaurant am Wegesrand verpassen würde. Als Ausgleich fahre ich Rad, aber das ist natürlich viel zu kurz gekommen.

Abendblatt:

Ihnen steht ein harter Schnitt bevor. Nach Jahren mit extrem wenig Freizeit kommen nun Jahre mit sehr viel.

Rehders:

Ich hatte vorletzte Woche Urlaub und konnte da schon mal üben.

Abendblatt:

Und? Hat's geklappt?

Rehders:

Ja doch, es ging. Ich glaube auch nicht, dass mir dieses Wichtigsein fehlt, das mit dem Amt verbunden ist. Man hat seine Zeit gehabt.