Wie fühlt es sich an, EU-Abgeordneter zu sein? 25 Schüler aus Reinbek haben es ausprobiert und sind zum Europäischen Parlament gefahren.

Stormarn. Dort trafen die Elft- und Zwölftklässler auf 550 Schüler aus 20 europäischen Ländern, um mit ihnen beim Euroscola-Programm europäische Fragen zu diskutieren (wir berichteten). In dem Plenarsaal, in dem tags zuvor noch die echten Abgeordneten getagt hatten, stand Stina Niemann gleich zu Beginn der Veranstaltung vor einer besonders großen Herausforderung: Sie musste ihre Schule auf Französisch den anderen Schülern vorstellen.

"Vor meinem Auftritt war ich richtig nervös", erinnert sich die 17-Jährige. "Aber als ich dann vorne stand, war die Aufregung verflogen und ich habe mich nur noch gefreut, vor so vielen Menschen sprechen zu können." Ohne einen einzigen Versprecher schaffte die Schülerin ihren Text. Stina: "Ich habe mich wie eine Abgeordnete gefühlt. Es war ein großartiges Gefühl, als mir das Wort erteilt wurde und ich in das Mikrofon sprechen konnte."

Ähnlich begeistert wie Stina kehrten auch ihre Mitschüler aus Straßburg zurück. "Wir haben uns wichtig gefühlt", sagt Auriel Tschaikowski. Außerdem sei es schön gewesen, Jugendliche aus den anderen europäischen Ländern kennenzulernen. "Ich hatte ja vorher noch nie Menschen aus Bulgarien gesehen", sagt Stina. Und Auriel ergänzt: "Auf diese Weise haben wir direkt ein Gesicht zu den EU-Mitgliedsstaaten bekommen." Interessant sei es auch gewesen, die Einschätzungen anderer Jugendlicher mit den eigenen zu vergleichen. "Das hat uns gezeigt, warum es so schwierig ist, in Europa zu einheitlichen Entscheidungen zu kommen", meint Linus Wien. Eine Rumänin habe beispielsweise die Idee gehabt, dass die Europäer mit Belohnungen zur Europawahl gelockt werden sollten, um etwas gegen die niedrige Wahlbeteiligung zu unternehmen. Linus: "So etwas hat überhaupt nichts mit meiner Auffassung vom Wählen zu tun."

Im Plenarsaal stand den Schülern auf jedem Platz ein Computer mit Kopfhörern zur Verfügung. "Alles, was im Plenum gesagt wurde, wurde simultan in Deutsch, Französisch und Englisch übersetzt", sagt Auriel. "Wir konnten die Reden entweder live hören oder sie uns übersetzen lassen." Eine Möglichkeit, von der die Schüler auch Gebrauch machten. Denn es sei schwierig gewesen, die verschiedenen Dialekte zu verstehen, sagt Niklas Nietner, der sich in Straßburg so gut präsentierte, dass er für seine Leistung beim sogenannten Eurogame sogar mit einem Pokal geehrt wurde. "Wir mussten in Vierergruppen in 30 Minuten 19 Fragen zur EU und zur europäischen Geschichte beantworten", sagt der 17-Jährige. Die Schwierigkeit: Jede der 19 Fragen war in einer anderen europäischen Sprache formuliert.

Das Team von Niklas, zu dem drei Schüler aus Estland, Bulgarien und Belgien gehörten, meisterte die Aufgabe am besten. Auch wenn die Reinbeker nur zwei Tage mit den anderen Jugendlichen verbracht haben, wollen sie mit einigen von ihnen auch in Zukunft in Kontakt bleiben - über das Internetportal Facebook, per E-Mail oder Telefon. Niklas: "Ich habe meiner Mitstreiterin vom Eurogame aus Estland bereits eine Mail geschrieben."

Begleitet wurden die Schüler von ihrem Lehrer Hans-Jürgen Otto, der die Fahrten seit mehr als zehn Jahren organisiert. Er sagt: "Für die Jugendlichen war Straßburg eine einmalige Erfahrung."