Obmann warnt: “Haben keinerlei Erfahrungswerte und brauchen einen Management-Plan von Naturschützern, Jägern und Wissenschaftlern.“

Lütjensee. Die Kreisjägerschaft bereitet sich auf die Rückkehr der Wölfe nach Stormarn vor. Die Fachleute wissen zwar nicht, ob sich Canis Lupus (so die zoologisch exakte Bezeichnung) dauerhaft im Kreis ansiedeln wird, aber: "Wir gehen davon aus, dass Wölfe Stormarn bald als Durchzugsgebiet nutzen werden", sagt Ralf Borchers von der Kreisjägerschaft. Als Beleg führen Borchers und sein Kollege Reinhold Häbel Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit an. So war im April 2007 auf der B 76 zwischen Süsel und Haffkrug (Kreis Ostholstein) ein junger Rüde von einem Auto angefahren und getötet worden. Und erst kürzlich meldeten Augenzeugen einen Wolf im deutsch-dänischen Grenzgebiet. Die Jäger wollen sich auf die Rückkehr der Wölfe vorbereiten. Reinhold Häbel aus Lütjensee sagt: "Wir brauchen einen Management-Plan, der von Naturschützern, Jägern und Wissenschaftlern erstellt wird." Darin soll festgelegt werden, wie sie mit der Rückkehr des Wolfes umgehen sollen. Es geht um Fragen wie: Wie viele Wölfe verträgt der Mensch? Oder: Wie werden Nutztierhalter entschädigt, wenn ihr Tierbestand Opfer eines Wolfangriffs wurde? Denn für die Stormarner Jäger ist die Entwicklung eine großen Herausforderung. Wölfe sind für sie Neuland. Fast 200 Jahre ist es her, seit die Tiere in Schleswig-Holstein ausgerottet wurden. Häbel: "Wir haben keinerlei Erfahrungswerte, auf die wir zurückgreifen können."

2009 hat Schleswig-Holstein deshalb bereits eine Richtlinie über Zuwendungen für Maßnahmen zur Sicherung des Bestandes zu- und durchwandernder Wölfe in Schleswig-Holstein verabschiedet. So fördert das Land beispielsweise Vorkehrungen zur Vermeidung von Schäden durch Wölfe sowie Maßnahmen zur Akzeptanz der Wiederbesiedlung Schleswig-Holsteins durch Wölfe. Kann der Wolf in Stormarn auch dauerhaft einen festen Bestand entwickeln? "Das bleibt abzuwarten", sagt Borchers. Theoretisch sei es möglich. Der Jäger: "Wölfe sind sehr anpassungsfähig." Obwohl sie in der Regel sehr scheue Tiere sind, brauchen sie als Lebensraum nicht zwangsläufig eine unberührte Wildnis. Wichtig ist, dass sie ausreichend Nahrung wie Hirsche, Rehe oder Wildschweine vorfinden und ruhige Rückzugsräume zur Aufzucht ihrer Welpen. Dennoch vermutet Borchers, dass die enge Besiedlung und die hohe Nutzungsdichte hier im Kreis die Wölfe erst einmal abschrecken könnten.

Auch wenn auf die Jäger nun mehr Arbeit zukommt, freuen sie sich über die Entwicklung. "Eine größere Artenvielfalt ist etwas Schönes", sagt Reinhold Häbel. Er fordert, dass der Wolf ins Jagdrecht aufgenommen wird. Bisher unterliegt er dem Artenschutzabkommen und darf nicht gejagt, gefangen, verletzt oder getötet werden. Damit genießt er derzeit in Deutschland den höchstmöglichen Schutz.

Warum kehrt der Wolf erst jetzt wieder nach Schleswig-Holstein zurück? Grund dafür, dass diese Entwicklung nicht früher eingesetzt hat, war laut Häbel die innerdeutsche Grenze. Sie habe verhindert, dass die Tiere ins nördlichste Bundesland gelangen konnten. "Außerdem sind Wölfe in der DDR systematisch bejagt worden", sagt Häbel. "Jetzt ist die Grenze seit zwei Jahrzehnten offen, und die Wölfe kommen."

Wie sollten sich die Menschen auf die Rückkehr des Wolfes vorbereiten? Häbel: "Überhaupt nicht." Der Jäger glaubt, dass die Tiere keine Bedrohung für den Menschen darstellen. "Da passiert nichts", meint er. Denn normalerweise suchen Wölfe das Weite, wenn sie Menschen bemerken. Sie sind dämmerungs- und nachtaktiv und halten sich tagsüber versteckt.

Dann gibt Häbel allerdings zu bedenken, dass die Erfahrungswerte, die der Kreisjägerschaft vorlägen, fast 200 Jahre alt seien. "Sie sind also nicht viel wert", sagt er. Deshalb bleibe im Moment nichts anderes übrig als abzuwarten. Sicher ist bislang nur: Der Wolf stellt eine Gefahr für Nutztiere dar. In Mecklenburg-Vorpommern wurde die Herde eines Schäfermeisters in den vergangenen drei Jahren bereits drei Mal Opfer von Wolfangriffen. 37 Tiere hat er dabei verloren. Eine Gefahr, die auch den Stormarner Nutztierhaltern drohen könnte.

Reinhold Häbel ist es deshalb wichtig, Erfahrungen auszutauschen. Denn nicht für alle Jäger in der Bundesrepublik ist der Wolf Neuland. In Sachsen zum Beispiel ist das Raubtier bereits seit zehn Jahren wieder heimisch. Die Tiere kamen Ende der 90er-Jahre von Polen in die Lausitz und breiten sich seitdem dort aus. Inzwischen gibt es in der Gegend sechs Wolfsrudel.