In unserer Serie treffen wir Menschen aus Stormarn auf ihrer Lieblingsbank. Heute ist es der Ortsvorsitzende der SPD, DRK-Chef und Stadtverordnete.

Reinbek. "Das Wort hat der Landtagsabgeordnete Puls": 17 Jahre war dieser Satz immer mal wieder im Kieler Plenarsaal zu hören - immer dann, wenn Klaus-Peter Puls ans Rednerpult trat. Im Oktober hat er aufgehört. Das Schreiben an die Stormarner SPD, in dem er seinen Rückzug ankündigt, stammt vom Februar 2009 und besteht aus einem einzigen Satz: "Liebe Genossinnen und Genossen, damit Ihr die nötigen Vorbereitungen treffen könnt, teile ich Euch mit, dass ich für die Landtagswahl nicht wieder kandidieren werde."

Wer Puls nicht kennt, könnte auf die Idee kommen, hier sei jemand sauer. Aber so ist es nicht. Es gibt nur eben Dinge, die wichtiger sind als das Kieler Rednerpult. Puls ist Reinbeker Sozialdemokrat, und das Reinbekertum scheint ihm fast noch ein bisschen mehr am Herzen zu liegen als das Sozialdemokratische. Zumindest reicht es tiefer. "Reinbek ist am schönsten", sagt Puls. Die Frage nach dem Warum stellt sich nicht - zumindest nicht im Pulsschen Wohnzimmer in der Parkallee. Gleich hinterm Haus beginnt der Wald, dem in diesen Tagen der Schnee mit seinen weißen Linien auf jedem Ast, auf jedem Zweig faszinierende Konturen verleiht.

Aber auch das ist nur die Oberfläche. Reinbek geht tiefer. Bei Klaus-Peter Puls, der soeben 67 geworden ist, hat es mit "Vaters" und "Mutters" zu tun, wie der Sohn sie mit fast jungenhaftem Charme nennt. "Vaters" also: Der stammt aus Prahlsdorf, damals ein kleines Dorf nördlich von Reinbek, heute Reinbeker Ortsteil. Peter Puls war Maurermeister. Später hatte er in Reinbek eine Baufirma: Schenkenberg & Puls. Klaus-Peter Puls' Mutter, ein Dienstmädchen, stammt aus Mecklenburg.

Er selbst ist - selbstverständlich - in Reinbek geboren und aufgewachsen. Sogar zu Studienzeiten blieb die Stadt sein Wohnort, bis in die 70er-Jahre hinein, da war er fast 30, hat er bei seinen Eltern gewohnt. Das ist gewiss keine Revoluzzer-Biographie. Die Eltern haben ihn zu nichts gedrängt. "Vaters hätte es wohl gern gesehen, wenn ich die Firma übernommen hätte. Aber er hat auch gesagt: 'Mach du mal, was du für richtig hältst'."

Also hat Puls erst mal das Abitur gemacht, in Reinbek an der Sachsenwaldschule. Die hieß damals noch Sachsenwald-Oberschule. "Abgekürzt SOS", sagt Puls und grinst. Dann hat er Volkswirtschaft in Hamburg studiert, danach Jura. In den Semesterferien half er in der väterlichen Firma. Die wuchs und wuchs, hatte zeitweise bis zu 70 Beschäftigte. "Bei den Häusern, die an der Straße Auf dem Großen Ruhm stehen, habe ich die Baugrube mit ausgeschachtet", erzählt er. Ihm hat das Spaß gemacht. "Das war eine andere Welt als an der Uni. Ich hab' auch mal Geld ausgezahlt. Freitags war ja immer 'Lohntütenball'."

Puls wohnt heute noch auf dem Grundstück, das sein Vater gekauft, wohnt in dem Haus, das sein Vater gebaut hat. Der starb 1980, bei einem Schützenumzug. In voller Uniform. "Vaters war lange Vorsitzender des Reinbeker Schützenvereins", sagt der Sohn - und dann sagt er eine Weile nichts.

Im Garten, nah am Haus, steht noch der Pavillon, den Peter Puls damals als erstes Haus auf sein neu erworbenes Areal gestellt hatte. "Das war anfangs ein großer Kleingarten", sagt Puls. "In dem Pavillon hat Mutters ihren Häkelbüdelclub versammelt." Dass Puls 1969 in die SPD eingetreten ist, hat zu Hause zu keinen größeren Erschütterungen geführt. "Vaters" wählte zwar FDP - "wie es sich für einen mittelständischen Unternehmer gehört", sagt Puls grinsend -, machte seinem Sohn aber auch hier keine Vorschriften. Am Mittagstisch gab es allerdings hin und wieder leidenschaftliche Auseinandersetzungen. "Da hat Mutters dann irgendwann gesagt: 'Nun hört doch mal auf.' Die wollte natürlich, dass man ihr Essen würdigt, ist doch klar." Puls war da schon vom Politik-Virus befallen. Seine Juso-Gruppe mischte in der Stadt mit. "Wir waren 30 Leute. So was gibt's heute bei den Jusos gar nicht mehr, da herrscht Nachwuchsmangel." Schon 1974 wurde er Mitglied der Stadtverordnetenversammlung. Er blieb es bis zum Jahr 1997. Da war er schon fünf Jahre Landtagsabgeordneter. Ganz schön anstrengend, aber sein Reinbeker Anwalts- und Notariatsbüro betrieb er trotzdem weiter. "Ich wollte immer unabhängig von der Politik sein", sagt er. Zu Hause hielt ihm seine erste Frau den Rücken frei, sie organisierte Büro und Haushalt: Brigitte Fischer aus Kiel. "Alle haben sie nur 'Sprotte' genannt", sagt Klaus-Peter Puls. 2003 ist sie gestorben. Puls trauerte - und heiratete 2006 noch einmal. "Meine Bine" - ein liebevoller Blick streift das Foto von ihr und ihm, das auf der Anrichte steht. Puls ist kein Mensch, der sich in der Trauer vergräbt. Die 67 Jahre sieht man dem schlanken Mann im schwarzen Rollkragenpulli nicht an. Er macht Musik, schreibt Texte, spielt Klavier. Wer in Reinbek wohnt, muss ihn schon mal gehört haben.

Auch in der Landeshauptstadt Kiel kennt man Klaus-Peter Puls als Barden. "Auf einem SPD-Landesparteitag bin ich schon aufgetreten, und auch bei Fraktionsweihnachtsfeiern." Er nimmt bekannte Melodien und schreibt dazu einen Text über aktuelle politische Themen. Puls grinst: "Gitarre kann ich nicht spielen, singen kann ich auch nicht, aber beides zusammen geht." Kostprobe gefällig? Zur Melodie von "An de Eck steiht'n Jung mit'n Tüdelband" besingt Puls zum Beispiel die umstrittene, mit einem angeblich pflegeleichten Kunststoffbelag versehene Holländerbrücke in Reinbek: "Bau'n, bau'n, Brücken woll'n wir bau'n: Das gibt Selbstvertrau'n. Für Holz und Stein sind wir zu fein: Uns're muss aus Plastik sein!" So etwas macht ihm großen Spaß. Am kommenden Sonnabend, 6. Februar, steht er wieder auf der Bühne. Die Prahlsdorfer haben ihn zu ihrem Prahlsdorffest eingeladen. Puls hat schon was in Arbeit - ein Stück über die marode Uwe-Plog-Halle, die immer dann geschlossen werden muss, wenn es schneit. Zur Melodie von "Leise rieselt der Schnee".

Überhaupt Prahlsdorf: Das ist jetzt sein Wahlbezirk bei den Kommunalwahlen. Der Ort, aus dem sein Vater kommt. "Das war früher ein richtiges Kommunistendorf", sagt Klaus-Peter Puls und strahlt dabei.

Das wirkt, als ob sich ein Kreis schließen würde. Aber das Bild ist falsch. Zwar ist die Kieler Phase vorbei, zwar hat Reinbek ihn wieder. Aber zu Ende ist nichts. Puls ist Ortsvereinsvorsitzender der SPD, ist Chef des Deutschen Roten Kreuzes. Er sitzt in der Stadtverordnetenversammlung, und kann sich noch mehr Reinbek-Engagement vorstellen. Im Rathaussaal wird es nun wieder öfter heißen: "Das Wort hat der Stadtverordnete Puls".