95 Wohnungen am Niebüllweg gehören zu der defizitären Gesellschaft, die Insolvenz angemeldet hat. Wird die Einrichtung nun herausgelöst und auf eigene Beine gestellt?

Ahrensburg. Hansi Rohwedder war schon da, bevor das Awo-Servicehaus überhaupt eröffnet wurde. "Ich bin fünf Tage vorher eingezogen. Aus meiner alten Wohnung konnte ich raus. Und hier war bereits alles fertig", sagt die Ahrensburgerin. 13 Jahre ist das her. Hansi Rohwedder ist jetzt 86 Jahre alt - und wohnt nach wie vor in der Awo-Einrichtung im Ahrensburger Stadtteil Gartenholz. Und hier gedenkt sie auch zu bleiben. Obwohl die Awo das Insolvenzverfahren für ihre Gesellschaft "Mobile Soziale Dienste" beantragt hat, zu dem auch der Geschäftsbereich "Betreutes Wohnen" im Awo-Servicehaus gehört. "Das Servicehaus muss weiterleben", sagt die alte Dame energisch und fügt etwas leiser hinzu: "Es ist hier wie zu Hause."

Hansi Rohwedder hat genau verfolgt, was passiert ist. Schrecken tut sie das nicht. Auch auf so manche Hiobsbotschaft reagiert sie nicht. Und schon gar nicht auf Gerüchte, die das Ende der Awo-Einrichtung prophezeien. "Da werden Dinge als Tatsachen dargestellt, die keine sind. Das ist wie stille Post. Bei so etwas mache ich meine Ohren zu", sagt Hansi Rohwedder, die aber keineswegs die Augen vor der Realität und den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Einrichtung verschließt und auch schon eine mögliche Lösung parat hat: "Wenn es in der jetzigen Form nicht weitergeht, gründen wir eine eigene Firma und übernehmen den Betrieb", sagt die 86-Jährige. Und das ist nicht träumerisch dahergeredet. Ihr ganzes Leben war die Ahrensburgerin politisch engagiert. Jetzt ist sie Ehrenvorsitzende der Stormarner FDP. Sie hat gelernt, Dinge einzuschätzen.

So deckt sich ihre Idee durchaus mit einem Vorschlag des Insolvenzverwalters Gideon Böhm. Er hatte nach erster Akteneinsicht die Möglichkeit in Aussicht gestellt, die Bereiche Betreutes Wohnen, Menüdienst und Haushaltsservice - die alle im Awo-Servicehaus angesiedelt sind - aus der Awo-Gesellschaft "Mobile Soziale Dienste" auszugliedern und in ein eigenständiges Unternehmen umzuwandeln. Das würde das Awo-Servicehaus aus dem Strudel herausholen, in den der wirtschaftlich am schlechtesten dastehende Geschäftsbereich Ambulante Pflege die Einrichtung gezogen hat.

"Unser Haus läuft ja gut. Nur zwei der 95 Wohnungen sind frei", sagt Sabine Gerstenberg, die das Awo-Servicehaus seit der ersten Stunde leitet. "Aber die Krise in der ambulanten Pflege hat uns jetzt richtig runtergerissen", sagt sie. Allerdings hatte das Haus am Niebüllweg in den vergangenen Jahren auch selbst zu kämpfen. "Die Miete ist zu hoch. So hat sich ein Defizit aufgebaut. Wir bemühen uns schon lange um eine Mietminderung. 5000 Euro sind einfach zu viel für uns", sagt die Leiterin des Hauses. Wie der Awo-Geschäftsführer Arp Kreßin hat auch sie mehrfach versucht, mit der Eigentümergesellschaft in Kontakt zu kommen. Vergeblich. "Wir werden ständig vertröstet", sagt Sabine Gerstenberg. "Ich warte immer noch auf einen Rückruf", sagt Arp Kreßin. Für ihn ist die Miete nicht nur zu hoch für das Awo-Servicehaus, sondern auch im Vergleich zu anderen gewerblichen Immobilien in der Umgebung unangemessen. Kreßin: "Das Servicehaus zahlt einen Quadratmeterpreis von 10,50 Euro. Für unsere Geschäftsstelle in der Großen Straße bezahlen wir deutlich weniger. Und das ist eine Superlage."

Die Situation wird dadurch erschwert, dass der ausgelaufene Mietvertrag für das Servicehaus nicht verlängert wurde. Seit einem dreiviertel Jahr gibt es einen Schwebezustand. Sabine Gerstenberg: "Dabei wäre gerade in dieser Situation eine Klärung nötig. Natürlich bezahlen wir die Miete trotzdem weiter. Wir wollen schließlich hier bleiben." So wie Hansi Rohwedder, die ins Servicehaus kam, weil ihr das Awo-Konzept so gut gefiel.

"In diesem Haus hat jeder die Chance, mitzutun, mitzugestalten", sagt die 86-Jährige, die zweimal in der Woche an der Rezeption "Dienst schiebt" und einmal im Monat als DJ für Unterhaltung sorgt. Immer unter einem anderen Thema. Auch ein Jazz-Abend war schon dabei. Die Konzertreihe vom Plattenteller war ihre Idee. Genauso wie die "Flüstertüte"- eine Hauszeitschrift, die sie in Eigenregie herausgibt. Der Zivildienstleistende David Glaw hilft ihr dabei. "Er ist der einzige, der meine Schrift lesen kann", sagt die alte Dame, schaut den 21-Jährigen an und sagt: "Er ist ein Schelm."

Der Zivi kocht für sie Kaffee, kauft ein und hält mal einen Plausch. Mit alten Menschen zu arbeiten - macht das Spaß? "Ist schon okay. Man hat ja auch Großeltern", sagt David Glaw. Und ein cooles Lächeln deutet an, dass er sich hier wohlfühlt. Für ihn ist in einigen Monaten Schluss im Servicehaus. Hansi Rohwedder wünscht sich, dass es hier für sie noch lange weitergeht. Und sie ist optimistisch. "Wir sind eine starke Gemeinschaft. Wir schaffen das."