Seinen Start hatte sich Henning Görtz sicherlich angenehmer vorgestellt: Der Stadt brechen die Gewerbesteuereinnahmen weg. Im Gespräch mit Abendblatt-Redakteurin Martina Tabel zieht er eine erste Bilanz.

Hamburger Abendblatt:

Wachen Sie immer noch auf und freuen sich, dass Sie Bürgermeister sind?

Henning Görtz:

Ja. Es gab noch keinen Tag, an dem ich gedacht hätte: O Mist, jetzt musst du zur Arbeit. Nach meiner Wahl habe ich gesagt: "Bürgermeister in meiner Heimatstadt zu sein, ist mein Traumjob". Das hat sich bestätigt. Und mit aller Vorsicht: Viele sagen, ich mache den Job auch ganz gut.

Abendblatt:

Was war denn Ihr größter Erfolg im ersten Jahr?

Görtz:

Wir haben trotz der Krise das Niveau unserer Angebote im Kinder- und Jugendbereich nicht senken müssen.

Abendblatt:

Sie wollten Bargteheide zur kinderfreundlichsten Stadt in Stormarn machen. Ein Superlativ. Ist das gelungen?

Görtz:

Ich glaube schon. Wir sind die einzige Stadt im Kreis, die an allen weiterführenden Schulen einen Sozialpädagogen beschäftigt. Zum anderen bauen wir gerade eine neue Kita und schaffen so für jedes Kind im Alter von drei bis sechs einen Platz.

Abendblatt:

Und weiter?

Görtz:

Wir legen uns auch beim Bau von Krippenplätzen ins Zeug. In der neuen Kita am Krögen entstehen auch zwei Krippengruppen, zwei weitere im Anbau an der Kita Mühlentor. Dann haben wir insgesamt fünf. Es existiert zwar noch kein Rechtsanspruch für die Betreuung der Kinder unter drei Jahren. Der kommt erst ab 2013. Aber der Bedarf ist da. Deswegen kümmern wir uns schon jetzt.

Abendblatt:

Was kostet Bargteheide die Kinderfreundlichkeit?

Görtz

Von 2009 bis 2011 werden wir zehn Millionen Euro nur für Schulen und Kindergärten investieren.

Abendblatt:

Was klappte im ersten Jahr nicht? Mussten Sie eine Schlappe ertragen?

Görtz:

Eine Schlappe nicht, aber den ersten Haushalt in meiner Verantwortung, den hätte ich schon gern einstimmig gehabt.

Abendblatt:

Knackpunkt war die Steuerfrage. Die Gewerbesteuer bleibt konstant, die Grundsteuer wird um 40 Prozentpunkte auf 320 angehoben. Ihre Parteifreunde in Berlin planen Steuersenkungen. Ist das sinnvoll?

Görtz:

Ich glaube schon, dass es eine Chance gibt, durch Steuersenkungen Wachstum zu erzeugen. Aber man muss sehen, was der Staat tatsächlich leisten kann. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz bringt den Kommunen Einbußen von vier Prozent.

Abendblatt:

Was heißt das für Bargteheide?

Görtz:

Uns könnten im nächsten Jahr 400 000 Euro fehlen. Das ist die Höhe der Betriebskosten mehrerer Kindergärten. Und wir müssen in 2011 vermutlich ohnehin Kredite aufnehmen. Da wird's dann kritisch.

Abendblatt:

Sie teilen also die Kritik des Städte- und Gemeindebundes, der die Kommunen im Schuldensumpf versinken sieht?

Görtz:

Ja.

Abendblatt:

Unruhe gibt es auch in den eigenen Reihen. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen soll seinen Parteifreunden entgegengeschleudert haben: Ihr habt sie doch nicht mehr alle!

Görtz:

Ich habe mit Carstensen lange zusammengearbeitet. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er es genauso gesagt hat. Und ich finde das gut. Ich kann ihn verstehen.

Abendblatt:

In Bargteheide hat die Steuerfrage dazu geführt, dass SPD und WfB den Haushalt abgelehnt haben. Beeinträchtigt das die künftige Zusammenarbeit?

Görtz:

Wenn man sich nicht einigen kann, entscheidet in einer Demokratie die Mehrheit. Damit kann ich leben. An dem Verhältnis untereinander sollten die Fraktionen arbeiten. Ich will gern dabei helfen. Auf das Klima zwischen Verwaltung und Politik ist das nicht geschlagen.

Abendblatt:

Stichwort Klima: Der Bau des Heizkraftwerks am Schulzentrum ist in den Ausschüssen gescheitert. Hier geht es auch um eine bessere Ökobilanz der Stadt. Ist das Projekt vom Tisch?

Görtz:

Nein. Alle Fraktionen wollen weiter daran arbeiten, denn die Fakten sprechen für sich. Wir könnten in 15 Jahren rund eine Million Euro Heizkosten sparen und den CO2-Ausstoß um 80 Prozent reduzieren.

Abendblatt:

Darüber war man sich ja eigentlich auch einig. Was ist dann schief gelaufen?

Görtz:

Wir wollten das Seniorendorf mit einbeziehen, das in unmittelbarer Nachbarschaft mit 100 Wohneinheiten entsteht. Das ist auch sehr sinnvoll, aber es hat Zeitdruck gebracht. Und da haben einige Politiker nicht mitgemacht und gesagt, jetzt lehnen wir das erst einmal ab.

Abendblatt:

Sie sind ein Pragmatiker, ein Macher. Gehen Sie manchmal zu schnell an die Sachen heran?

Görtz:

Das stimmt wohl. Ich muss lernen, ein bestimmtes Tempo einzuhalten. Der Bebauungsplan Wurth ist auch so ein Beispiel. Hier will Rewe erweitern. Das ist keine große Sache. Aber es fallen Parkplätze weg. Und bei den Ersatzflächen stellt sich die Frage des Lärmschutzes. Da gab es von Seiten der Politik Bedenken.

Abendblatt:

Verständlich, oder?

Görtz:

Natürlich, ich kenne das ja aus meiner Zeit als CDU-Fraktionschef. Ich habe daraus gelernt, die Informationen noch eher weiterzugeben, damit die Politik früher ins Boot geholt wird.

Abendblatt:

Die Etatlage ist prekär. Überall gibt es "Baustellen". Können Sie da noch abschalten?

Görtz:

Ich nehme die Sorgen nicht mit nach Hause und kann auch immer noch gut schlafen.

Abendblatt:

Ein Jahr Bürgermeister: Hat Sie das verändert?

Görtz:

Da müssen Sie meine Frau fragen. Aber ich spüre, dass ich mehr unter Beobachtung bin. Als ich im Sommer einmal abends mit dem Fahrrad nach Hause gefahren bin, standen an der Ampel zwei ältere Damen neben mir. Die eine sagte: Das ist aber schön, dass der Bürgermeister Fahrrad fährt. Und die andere sagte: Und abgenommen hat er auch.

Abendblatt:

Sind Sie gern so prominent?

Görtz:

Früher sind wir am Sonnabend öfter in die Stadt gegangen, haben eingekauft und dann in der Coffee-Lounge einen Cappuccino getrunken. Das machen wir immer noch. Aber es ist nicht mehr so entspannend. Man ist doch immer im Dienst.

Abendblatt:

In Bargteheide kennt Sie eben jeder.

Görtz:

Wahrscheinlich. Aber ich kenne natürlich nicht jeden. Trotzdem habe ich schon gehört, dass sich manche beschwert haben. Nach dem Motto: Mensch, der Bürgermeister hat mich gar nicht gegrüßt. Vielleicht kann ich bei dieser Gelegenheit einmal um Generalabsolution bitten.

Abendblatt:

Als Sie ihr Amt angetreten sind, haben Sie Ihrer Frau versprochen, in Zukunft nicht mehr so oft bis 22 Uhr im Rathaus zu bleiben.

Görtz:

So richtig hab ich das bisher noch nicht hingekriegt.

Abendblatt

Haben Sie noch Zeit, Ihrem Bruder auf dem Hof zu helfen?

Görtz:

Ja, am Sonntag vor Weihnachten hatte ich gerade wieder Melkdienst. 70 Kühe. Meine Mutter hat mitgeholfen. Das einzig Doofe ist das frühe Aufstehen um 6 Uhr. Dafür kann mein Bruder dann mal ausschlafen. Das ist mir wichtig. Das will ich beibehalten.

Abendblatt:

Was haben Sie sich sonst für 2010 vorgenommen?

Görtz:

Ich möchte ein bisschen abnehmen, denn was die Damen da an der Ampel festgestellt hatten, stimmte gar nicht.

Abendblatt:

Am Anfang hatten Sie vier Kilo runtergekriegt. Haben Sie die wieder drauf?

Görtz:

Nein, die vier Kilo sind nachhaltig verschwunden.

Abendblatt:

Gibt es weitere gute Vorsätze?

Görtz:

Ich möchte das Sportabzeichen machen.

Abendblatt:

Sie spielen Tischtennis. Früher haben Sie beim TSV Bargteheide Fußball gespielt. Man munkelt, Sie seien Bayern-Fan.

Görtz:

Schlimmer: Ich bin Mitglied.

Abendblatt:

Wie konnten Sie sich als Norddeutscher so verirren?

Görtz:

Mein Vater war auch in der CDU und HSV-Fan. Irgendwie musste ich mich abgrenzen.

Abendblatt:

Herr Görtz, vielen Dank für das Gespräch.