Franziska Behring und Michael Degenhard sprachen mit der Bürgermeisterin über die Nordtangente, Finanznöte und politische Flops.

Hamburger Abendblatt:

Wenn Sie auf 2009 zurückblicken - was war für Sie der bewegendste berufliche Moment?

Bürgermeisterin Ursula Pepper:

Der traurigste Moment war für mich sicher die Trauerfeier von Hans Pahl, der für mich ein langjähriger politischer Weggenosse war.

Abendblatt:

Was waren besonders schöne Momente?

Pepper:

Die Bürgermeisterwahl. Das war ein glücklicher Moment. Ich bin mit der Wahl meines Nachfolgers sehr einverstanden. So kann ich mein Amt gut abgeben. Kribbeln im Bauch und Lampenfieber hatte ich, als die S-Bahn-Brücke am Bahnhaltepunkt Gartenholz nachts eingesetzt wurde.

Abendblatt:

Was war der politische Flop des Jahres?

Pepper:

Die Kastenlinden. Wir hatten wirklich gedacht, mit der Planung der Großen Straße und der Gestaltung der Linden eine neue Baumform einführen zu können. Aber wir haben es nicht geschafft, die Leute von diesem Gesamtkonzept zu überzeugen.

Abendblatt:

Und sonst?

Pepper:

Schade ist, dass wir es mit dem S-Bahnhof zum Jahreswechsel nicht geschafft haben und sich das Ganze jetzt drei Monate verzögert. Aber die Ursachen sind nachvollziehbar. Ich bin froh, dass wir die Sperrzeiten, die wir bei der Bahn eingeworben hatten, auch genutzt haben und unser Bauwerk fertig ist. Hätten wir das nicht geschafft, hätten wir jetzt noch zwei Jahre warten müssen.

Abendblatt:

Themenwechsel. Wie steht die Stadt Ahrensburg finanziell da?

Pepper:

Die Krise geht auch an Ahrensburg nicht vorbei. Wir sind nicht die Insel der Glückseligen. Die Gewebesteuereinnahmen und Anteile der Einkommensteuer sind zurückgegangen. Bei der Gewerbesteuer hatten wir 2008 mit 26 Millionen Euro unser Höchstjahr. Jetzt haben wir rund 20 Millionen Euro. Da aber die normale Größenordnung rund 23 Millionen Euro sind, ist es ein moderater Rückgang.

Abendblatt:

Aber die Stadt hat noch einiges vor. Stichwort Schlosspark.

Pepper:

Der liegt mir sehr am Herzen. Das Schloss ist unser Aushängeschild. Deshalb müssen wir etwas tun für das Schloss. Jetzt haben wir es gerade geschafft, von Bund und Land Fördermittel für die neue Außenfassade zu bekommen. Eigentlich wäre jetzt die Außenanlage dran. Auch mit der Maßgabe, dass wir unser Realisierungskonzept fortschreiben. Das sollte man nicht in die Unendlichkeit verschieben, zumal wir ein neues Problem dazu bekommen haben.

Abendblatt:

Sie meinen den verschlammten Schlossteich?

Pepper:

Auch die Politik sieht es als notwendig an, den Teich zu entschlammen. Für uns ist die wichtige Frage, ob auch das mit in die Förderung aufgenommen wird. Wenn es eine Förderung gäbe, würde sie bei etwa 50 Prozent der Kosten liegen. Zudem wollen wir die Schlossinsel erneuern und das südliche Umfeld mit einbeziehen. Das sind Gesamtkosten von 5,3 Millionen Euro inklusive Sanierung des Schlosses plus 1,2 Millionen Euro für die Teichentschlammung. Wenn wir eine Förderung von etwa 50 Prozent bekämen, müssten wir schauen, ob wir es bis zum Jahr 2013 schaffen, die andere Hälfte in die mittelfristige Finanzplanung einzustellen. Uns muss klar sein, dass es fraglich ist, ob wir solche Fördermöglichkeiten für das Schloss in absehbarer Zeit wieder bekämen. Und dass es sich um die nächste Stufe des Realisierungskonzepts handelt.

Abendblatt:

Braucht Ahrensburg dafür wieder viele Gutachten?

Pepper:

Nein, wir haben ein gutes Planungsbüro und die bisherigen Vorschläge sind von der Politik positiv aufgenommen worden.

Abendblatt:

Dennoch scheint es so, als brauche Ahrensburg mehr Gutachten als andere Städte und Gemeinden?

Pepper:

In zwei Fällen, dem AOK-Kreisel und dem Bebauungsplan Beimoor-Süd, hat es mehrere gegeben. Ein erstes Gutachten wurde in Auftrag gegeben, um die Lärmsituation zu prüfen, oder die Möglichkeiten für einen Kreisel. Als die Gutachten vorgestellt wurden, war es in beiden Fällen so, dass Bürger der Auffassung waren, es müsse noch mal überprüft werden. Dann hat die Politik entschieden, einen zweiten Gutachter zu beauftragen. Es geht darum, inwieweit Politik bereit ist, die Erkenntnisse des ersten Gutachters anzuerkennen.

Abendblatt:

Wird in Ahrensburg grundsätzlich zu lange diskutiert, zu spät entschieden?

Pepper:

Ja, ich hätte mir gewünscht, dass einige Dinge schneller zu Ende gebracht werden. Das hängt aber auch damit zusammen, dass wir Bürger haben, die sich sehr stark interessieren. Und über die Zukunftswerkstatt haben wir eine Kultur aufgebaut, die sagt: Wir wollen euch beteiligen, wir wollen euch gern hören. Dieses "gern hören", führt dazu, dass auch die Politik den Bürgern bei Anregungen, Kritik und Befürchtungen entgegen kommt und das entsprechende Thema in eine neue Diskussionsrunde bringt.

Abendblatt:

Sollten die Politiker in Ahrensburg strikter sein?

Pepper:

Konsequenter. Wenn Politik zu einer Entscheidung kommt, sollte sie auch dazu stehen. Das würde ich mir wünschen. Was ich bedauere ist, dass wir eine Entwicklung machen, es dann aber Rückschritte gibt. Wo man eigentlich schon in die nächste Stufe gehen müsste, fallen wir wieder zurück.

Abendblatt:

Beispiel?

Pepper:

Nordtangente. Da waren wir schon weit im Verfahren, hatten mehrere Varianten geprüft und dann wurde alles in den Papierkorb geworfen.

Abendblatt:

Auch beim Thema Erlenhof.

Pepper:

Seitdem ich Bürgermeisterin bin, hätte ich gern die Ausweisung des Erlenhofs als neue Fläche für den Wohnungsbau gehabt. Seit 1998 bin ich der Auffassung, dass wir, bezogen auf die demografische Entwicklung und auf unseren Stellenwert der Stadt in der Metropolregion Hamburg, neue Wohngebiete ausweisen sollten. Und auch bezahlbaren Wohnraum für junge Familien. Es hat sich in den vergangenen zwölf Jahren bestätigt, dass die Schere zwischen Alt und Jung weiter auseinander geht. Weil die Leute nicht nur älter werden, sondern Ahrensburg für viele ältere Menschen, etwa aus Hamburg, ein attraktiver Alterswohnsitz ist. Die Neubürger sind uns sehr willkommen. Aber es muss auch gezielte Ansiedlungspolitik für junge Familien betrieben werden.

Abendblatt:

Damit stoßen Sie nicht überall auf offene Ohren.

Pepper:

Nein. Aber man muss sehen, bei wem: Das sind häufig diejenigen, die bereits Eigentum in Ahrensburg besitzen. Die sehen nicht die Notwendigkeit, dass noch Neues kommen muss.

Abendblatt:

Gibt es eine Nachfrage von jungen Familien?

Pepper:

Ja, eine große. Das hat das Baugebiet Ahrensburger Redder gezeigt. Innerhalb kürzester Zeit waren die Grundstücke weg. Seit zwölf Jahren reden wir darüber, dass wir neue Gebiete brauchen, um vor allem auch junge Familien anzusiedeln.

Abendblatt:

Welche Potenziale stecken in den Quartieren, die im Integrierten Stadtentwicklungskonzept hervorgehoben werden?

Pepper:

Das ISEK zeigt auf, dass es auch noch Potenziale an Nachverdichtung gibt. Im Gewerbegebiet West gibt es etwa entlang der Bahnlinie die Möglichkeit, neuen Wohnraum zu entwickeln. Zum Beispiel für junge Menschen, die nicht so lärmempfindlich sind und es als Chance sehen, mit der Bahn schnell nach Hamburg kommen zu können. Beim Gängeviertel, in dem Wohnen und Arbeiten dicht aneinander sind, geht es eher darum, wie sich so ein Viertel, so ein Schätzchen in unserer Stadt, herauskristallisieren lässt.

Abendblatt:

Stichwort Stadtentwicklung. Wie könnte die Zukunft des Gängeviertels aussehen?

Pepper:

Es sind keine städtischen Flächen. Aber wir können mit Anwohnern und Investoren überlegen, wie man Wohnmöglichkeiten verschönern kann, ohne mehrgeschossigen Wohnungsbau zu betreiben. Ziel sollte sein, den Charakter des Viertels zu erhalten. Ein besonderes Quartier daraus zu machen.

Abendblatt:

Es gibt andere Flächen, auf die die Stadt mehr Einfluss in der Gestaltung hat: Der Rathausplatz. Wie sieht Ihre Wunschvorstellung aus?

Pepper:

Der Platz ist unproportional und zu groß. Er muss kleiner werden, bebaut werden. Ich wäre für eine Markhalle, die neben den Markttagen inhaltlich auch anders genutzt werden kann.

Abendblatt:

Dass das neue Peter-Rantzau-Haus gebaut wird, steht fest. Am Stormarnplatz müssen dafür vier Ahornbäume fallen. Steht Ahrensburg der nächste Baumstreit bevor?

Pepper:

Ich glaube nicht. Alle, die sich für den Erhalt der Bäume stark machen, haben kein Interesse daran, das Peter-Rantzau-Haus zu verhindern. Außerdem sind die Verträge unterschrieben. Die vier Bäume sind im Prinzip schon gefällt.

Abendblatt:

Und was ist mit den anderen Bäumen, die in diesem Gebiet weichen sollen?

Pepper:

Aus stadtplanerischer Sicht ist es eine geschlossene Kette: Entweder muss man alle Bäume erhalten, oder alle fällen. So ist der B-Plan aufgestellt. Allerdings muss man sagen, dass niemand weiß, wann das nächste Gebäude kommt. Und wenn eine nächste Generation von Politikern etwas anderes entscheidet, kann man die Baugrenzen gegebenenfalls auch verschieben.

Abendblatt:

Sprechen wir über die Jugend. Es gab zuletzt immer wieder Ärger zwischen Jugendlichen und Polizei am 42 und am LeDisque. Was tut die Stadt?

Pepper:

Das ist nicht so einfach. LeDisque ist eine Diskothek in der Innenstadt. Das hat seine Konsequenzen. Die Disco wird am Wochenende aufgesucht, es wird Alkohol getrunken und es wird draußen auch mal lauter. Für die Anwohner ist das unangenehm. Was man machen kann, sind Alkoholkontrollen. Darauf achten, dass das Jugendschutzgesetz eingehalten wird. Und wo nicht getrunken wird, ist die Wahrscheinlichkeit von Schlägereien und Randale geringer. Die aktuelle Lage ist vielleicht ein Zeichen dafür, dass wir an anderer Stelle eine Disko brauchen.

Abendblatt:

Zum Beispiel im alten Rohrbogenwerk?

Pepper:

Ja, das wäre denkbar. Ich finde den Ort für eine Kultureinrichtung und das Konzept gut. Der Knackpunkt ist, ob diejenigen, die das Rohrbogenwerk betreiben wollen, in der Lage sind, es zu finanzieren.

Abendblatt:

Es wird vermutlich ein Thema sein, mit dem auch ihr Nachfolger Michael Sarach zu tun haben wird. Haben Sie Kontakt?

Pepper:

Wir treffen uns häufiger. Erst kürzlich war er bei der Verwaltungskonferenz und hat sich vorgestellt. Ab Januar wird er sich die Eigenbetriebe der Stadt anschauen, Aufsichtsräte und die Fachbereiche im Haus kennen lernen.

Abendblatt:

Wird Herr Sarach im kommenden Jahr neue Firmen in Ahrensburg begrüßen können?

Pepper:

Leider wird sich das Krankenhaus nicht im Gewerbegebiet niederlassen. Dafür hatten wir ja extra ein Grundstück reserviert. Kommendes Jahr werde ich dazu mit Klinikchef Martin Zellner ein Gespräch führen. Ansonsten haben wir im Augenblick keine großen Flächen zur Verfügung. Viele Flächen sind reserviert - wir haben noch rund 4000 Quadratmeter zu vergeben. Die nächsten beiden B-Pläne Nummer 88a und 88b befinden sich in Aufstellung, sodass die Stadt in Kürze weitere Baugrundstücke für Gewerbeansiedlungen anbieten kann.

Abendblatt:

Auch im reichen Ahrensburg leben viele Menschen am Existenzminimum. Wie viel Geld wendet die Stadt zur Bekämpfung sozialer Not auf?

Pepper:

In Ahrensburg haben wir 752 Bedarfsgemeinschaften. Das heißt Einzelne, Paare und Familien, die Hartz IV bekommen. Wir müssen 23 Prozent der Unterkunftskosten dazu zahlen. Das waren in diesem Jahr 490 000 Euro.

Abendblatt:

Ist es mehr geworden im Vergleich zu den Vorjahren?

Pepper:

Ja. Und im Jahr 2010 wird es noch mehr. Dann sind es 550 000 Euro.

Abendblatt:

Kann die Stadt überhaupt gegensteuern?

Pepper:

Wir müssen bezahlbaren Wohnraum und Gewerbegebiete für Arbeitsplätze schaffen. Etwas tun, damit Menschen gar nicht erst in eine Notlage kommen. Wir machen sehr viel im Bereich der Prävention zum Thema Obdachlosigkeit. Wenn wir erfahren, dass jemandem eine Zwangsräumung bevorsteht, versuchen wir eine Unterkunft zu organisieren oder mit dem Vermieter zu sprechen. Zudem versuchen wir etwa bei Hochverschuldeten, sie von einer Schuldnerberatung zu überzeugen. Wir haben zwei Mitarbeiterinnen im Rathaus, die soziale Hilfestellung leisten. Das ist eigentlich Aufgabe des Kreises. Das wir einen städtischen Sozialdienst haben, ist freiwillig.

Abendblatt:

Das Badlantic kostet die Stadt jedes Jahr 1,5 Millionen Euro. Wir lange geht das noch gut?

Pepper:

Ich glaube, dass wir es erhalten können. Wir brauchen in einer Stadt mit mehr als 30 000 Einwohnern einen Ort, an dem Kinder schwimmen lernen können. Als wir die Cottage-Sauna gebaut haben, hatten wir uns von ihr versprochen, dass sie so gute Zahlen schreibt, dass sie das Badlantic entlasten kann. Das hat sich aber nicht so entwickelt. Die Sauna pendelt so bei plus minus Null.

Abendblatt:

Welche anderen Optionen gibt es?

Pepper:

Vielleicht sollten wir eine Privatisierung diskutieren. Aber das entscheiden Politik und Badbetriebsgesellschaft. Zudem kann überlegt werden, das Freibad im Sommer nicht zu heizen. Der Bredenbeker Teich ist auch nicht beheizt.

Abendblatt:

Das Bauamt und insbesondere Bauamtsleiter Wilhelm Thiele erntet immer wieder Kritik. Woran liegt das?

Pepper:

In den vergangenen Jahren haben wir viel verändert. Und einige Ahrensburger sind keine Freunde von Veränderungen. Wenn sich etwas verändert, wird auch kritisiert. Einige wollen, das Ahrensburg eine verträumte Kleinstadt ist. Wobei die größte Veränderung in den 60er-Jahren stattgefunden hat. Da hat sich das Dorf Ahrensburg verabschiedet.

Abendblatt:

Was ist ihr größter Wunsch für 2010?

Pepper:

Ahrensburg wünsche ich, dass es eine finanziell gut aufgestellte Stadt mit hohen Entwicklungspotenzialen bleibt, die auch genutzt werden. Persönlich wünsche ich mir, dass der neue Bürgermeister ein tatkräftiger Bürgermeister ist, der das Verhältnis zwischen Politik, Verwaltung und Bürgern positiv aufgreift und eine gute Streitkultur in Ahrensburg auf den Weg bringt. Privat freue ich mich auf ein Leben ohne Terminkalender. Und ich wünsche mir, dass mein Mann und ich die Zeit gut miteinander verbringen. Dass wir das lernen. Ich fahre von 100 auf Null und wünsche mir, dass sich das so erfüllt, wie ich es mir vorstelle - dass es kein Leid, sondern eine Freude ist.

Abendblatt:

Frau Pepper, wir danken Ihnen für das Gespräch.