Insbesondere die Milchviehhalter erzielen häufig nicht mal mehr Kostendeckung. Immer mehr Landwirte denken über neue Konzepte nach - und darüber, aufzugeben.

Ahrensburg/Labenz. "Wachsen oder weichen" - früher das Motto auf dem Lande. Damals, als der Strukturwandel vor allem die kleineren Höfe in der Region verschwinden ließ. 2009 hat die Agrarkrise die Branche nun härter getroffen als je zuvor: Es sind jetzt auch die größeren, renommierten Familienbetriebe, denen der Preisverfall an die Substanz geht, die mit dem Rücken an der Wand stehen. Die finanzielle Lage der Landwirte verschärft sich laufend. Nach Angaben des Deutschen Bauernverbandes (DBV) sank das Unternehmensergebnis der Haupterwerber 2008 im Schnitt um 24 Prozent, von 45 400 auf 34 400 Euro. Besonders betroffen sind Milchviehhöfe: minus 45 Prozent auf 29.300 Euro. "Diese Entwicklung ist in Stormarn ähnlich", sagt Peter Koll, Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes. Der vertritt 600 Betriebe, darunter 160 Milchviehhalter. "Einige davon überlegen, auszusteigen", sagt Koll. Weil es sich nicht mehr rentiere. Seit 2008 hat der Verband sechs bis sieben Milchviehhalter verloren, die "aufgehalten" haben, wie es bei den Bauern heißt. Koll: "Weitere überlegen. Da lassen sich noch keine genauen Zahlen sagen."

Viele Bauern suchen jetzt Hilfe oder Alternativen. "Wir erwarten noch mehr Ansturm", sagt Günter Bock von der Wirtschaftsberatung der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, Außenstelle Bad Segeberg. Im Moment suchen in dieser auch für Stormarn zuständigen Beratungsstelle drei bis vier Bauern pro Tag wirtschaftliche Tipps zum Überleben.

Umsteigen auf Biomilch ist in dieser Krise, anders als früher, auch kein Rezept mehr. Erstmals haben auch die Bioerzeuger zu kämpfen. Carola Ketelhodt vom Bioland-Landesverband: "Der Biomilchpreis ist in den Keller gegangen, wenn auch nicht so stark wie bei der konventionell erzeugten Milch. Auch der Biogetreidepreis verfällt. Die Lager sind voll mit alter Ware." Dennoch überlegen viele Landwirte, ob sie mit Biowaren den Weg aus der Krise finden: "Wir haben viele Anfragen von Milchbauern, die eine Umstellung überlegen, darunter eine Handvoll aus Stormarn. Gerade in dieser Jahreszeit werden neue Konzepte angedacht", sagt Ketelhodt.

Einer der von der Krise betroffenen Biolandhöfe ist der von Karsten Witten aus Labenz (Amt Sandesneben). Der Landwirt betreibt das Anwesen (110 Hektar, 90 Milchkühe) seit 1994 als Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit Heinz Wegner aus Sandesneben. "Hat der Bauer Geld, hat es die ganze Welt", zitiert Karten Witten eine alte Regel vom Dorf. Sie gilt nicht mehr. "Wir bekommen einen Grundpreis in Höhe von 34 Cent pro Liter von der Meierei Trittau, die unser Produkt unter der Marke Hamfelder Hof vertreibt. So wenig haben wir seit zwölf Jahren nicht erhalten." Auskömmlich wären nach Wittens Meinung 43 bis 45 Cent. Bis zu 53 Cent pro Liter brachten seine Biokühe - eine gibt pro Tag rund 20 Liter - schon einmal ein.

"Die Stimmung, die ist in der ganzen Branche nicht gut", sagt Witten. Er macht sich Sorgen um die konventionell wirtschaftenden Kollegen, die immer 7,5 bis 8 Cent pro Liter weniger bekommen als Biobauern, aber auch um den eigenen Hof: "Wir überlegen schon, die Milchsparte aufzugeben, auch weil die Pachten steigen werden. In der Region sollen etliche Biogasanlagen entstehen: Da ist Boden begehrt." Witten rechnet so: "Wenn die Niedrigpreisphase bei der Milch noch drei bis fünf Jahre anhält, müssen wir über die Aufgabe der Milcherzeugung nachdenken. Dann ist auch die Stallfinanzierung abbezahlt." Schwer würde es ihm fallen, nicht mehr zu melken: "Die Kühe sind alte Familientradition." Zum Glück hat der dreifache Vater mit einem Landgasthof und dank des Lehrerinnenberufs seiner Frau Babette noch zwei weitere Einkommensquellen. Richtig sauer ist der Labenzer, der seit vier Jahren dem Bund der Milcherzeuger angehört, nur auf einen: "Auf den Handel. Der verdient sich an uns dumm und dämlich." Sein Blick auf 2010: "Wenn wir nicht weniger produzieren, wird der Milchpreis weiter sinken."

"Es ist zu viel Milch am Markt. Das drückt die Preise", meint sein konventionell wirtschaftender Kollege Thomas Rübcke vom Ahrensburger "Hof Kamp" (100 Hektar Eigenland plus 100 Hektar Pacht, 100 Milchkühe). Ihn quälen die hohen Betriebskosten. Er hat eine Musterrechnung aufgemacht: "Pro Liter Milch muss ich inklusive Arbeits- und Gebäudekosten 38 Cent ausgeben. Die Meierei Trittau zahlt mir aber derzeit nur 26 Cent Grundpreis pro Liter", sagt der staatlich geprüfte Landwirt. Gerste, Weizen, Raps und Soja, die er in Loren in den Stall rollt, kosten richtig Geld. "Jede Kuh frisst pro Tag für 3,51 Euro. Sie gibt 30 Liter und bringt mir Milcheinnahmen von 7,80 Euro pro Tag." Unter dem Strich sieht es nicht gut aus: "In normalen Jahren habe ich 300 000 Euro Milchgeld eingenommen, 2009 nur noch 220 000 Euro. Mit den 26 Cent komme ich gerade so hin."

Ist er wütend? "Nein, wir hoffen, dass das Tal durchschritten ist. Und ich bin besorgt um die Zukunft."

Seine Tochter Sandra, 23 Jahre alt, will den Hof einmal übernehmen. Nur der Ackerbau - ohne Kühe - würde gerade genug für Thomas Rübcke bis zur Rente einbringen. Alternativen? Thomas Rübcke: "Da muss die Mentalität stimmen. Ich könnte nicht bio machen, weil ich davon nicht überzeugt bin." Auch als Betreiber einer Biogasanlage mag sich der Landwirt aus dem Beimoor nicht sehen. Eine Industrieanlage ist einfach nicht nach seinem Geschmack.