Ob der Mond über dem Reinfelder Herrenteich schien, als der spätere Dichter Matthias Claudius in einem Haus am Ufer des Gewässers am 15. August 1740 zur Welt kommt, ist nicht überliefert.

Es würde passen zu dem Mann, in dessen Gedichten das Mondmotiv immer wieder eine zentrale Rolle einnimmt. Auch sein berühmtestes Werk heißt zwar "Abendlied" - viel bekannter ist es aber unter der ersten Zeile: "Der Mond ist aufgegangen."

Bei der Geburt des kleinen Matthias ahnen der Reinfelder Pastor Matthias Claudius und seine Frau Maria nicht, dass ihr zweites Kind einmal als einer der großen deutschen Dichter gelten wird. Viele Jahre noch wird es dauern, bis der Junior selbst sein lyrisches Talent zu Papier bringt - und erst nach seinem Tod wird Matthias Claudius als begabter Poet gewürdigt.

"Zu literarischem und wirtschaftlichem Erfolg hat er es zu Lebzeiten nie gebracht", sagt Klaus Sauerbeck, der ein neues Buch über die bekanntesten Verse des Reinfelder Dichters geschrieben hat. "Genau genommen war die Not sein ständiger Begleiter." Nicht nur in finanzieller und künstlerischer Hinsicht.

1751 muss Matthias Claudius innerhalb weniger Monate drei Geschwister beerdigen. 1760 stirbt zudem sein ein Jahr älterer Bruder Josias, mit dem ihn eine besonders enge Beziehung verband und mit dem er gemeinsam in Jena studierte. "Trotz dieser schweren Schicksalsschläge ließ sich Matthias Claudius nicht in seinem Glauben erschüttern", sagt Klaus Sauerbeck, der als Konrektor an einer Grund- und Hauptschule in Bayern arbeitet.

Und noch etwas beeindruckt den Autor sehr: "Claudius hatte eine ganz besondere Beziehung zu seiner Familie. Mit seinen zwölf Kinder spielte er oft, tollte mit ihnen durch das Haus - zu jener Zeit eher ungewöhnlich." Auch die Liebe zu seiner Frau Rebekka war äußerst innig. "Zur silbernen Hochzeit hat er seiner Frau ein sehr schönes Liebesgedicht geschrieben", sagt der Autor und meint: "Nach 25 Ehejahren ist das doch bemerkenswert."

In seinem Leben dichtet Claudius viele Verse über Menschen, besonders über die, die ihm nahestehen. "Seine erste Veröffentlichung war die Trauerrede, die er am Grab seines Bruders Josias gehalten hat", sagt Sauerbeck. Andere Gedichte schreibt der Reinfelder für seine Kinder oder seine Eltern. Geld verdient er damit kaum. Nachdem er sein Studium der Rechts- und Finanzwissenschaften abbricht, kehrt er nach Reinfeld zurück. Einige Zeit arbeitet er anschließend als Sekretär des Grafen von Holstein in Kopenhagen, doch mit Mitte 20 lebt er wieder in seinem Geburtsort. Als Redakteur beim "Wandsbecker Bothen" kann er ab 1771 schreiben und veröffentlichen. Doch die Zeitung wird nach wenigen Jahren eingestellt.

Sicherheit und Geborgenheit findet der Dichter zu Hause bei seiner Frau und seinen Kindern, mit denen er mittlerweile in einem Haus in Wandsbek wohnt. Sie inspirieren ihn zu neuen Gedichten. Auch die Natur ist ein immer wiederkehrendes Thema in Claudius' Gedichten. Besonders der Mond taucht in vielen Versen auf. Aber der Poet widmet sich auch politischen Themen. "Er wird oft als naiv dargestellt", sagt Sauerbeck, "das war er aber nicht." 1778 schreibt Matthias Claudius zum Beispiel sein "Kriegslied". Im gleichen Jahr erscheint das berühmte "Abendlied". Ein Gedanke liegt dem gläubigen Literaten beim Dichten dieses Liedes besonders am Herzen: Es gibt mehr als nur die Dinge, die wir sehen können. Damit hinterfragt er den Vernunftglauben der Aufklärung.

Und so dichtet er, was mehr als 200 Jahre später eines der am weitesten verbreiteten Volkslieder deutscher Sprache sein wird: "Seht ihr den Mond dort stehen? Er ist nur halb zu sehen, und ist doch rund und schön."

Klaus Sauerbeck: Der Mond ist aufgegangen, 2009, SCM Hänssler, mit CD, 12,95 Euro.