Sebastian Kraft gibt Unterricht an der Hamburger Stage School und wird einen Preisträger des Stormarner Musik-Contests-betreuen.

Ahrensburg, Hamburg. "Du musst wirklich laut werden, richtig Gas geben!" Sebastian Kraft treibt seinen Schüler an, immer lauter klingt Seals "Amazing" durch das kleine Tonstudio. "Keine Angst vorm Schreien." Der Vocal Coach macht es vor: Die Hände auf den Rippen, wippt er mit den Knien, verzieht den Mund und schreit quäkende Ä-Laute heraus. Dann nickt er seinem Schüler zu. "Probier's noch mal." Während Christopher Przibylla es erneut - jetzt lauter, rockiger - mit Seal versucht, lässt ihn sein Lehrer nicht aus den Augen. Sebastian Kraft verfolgt jeden Ton und jede Bewegung, wippt, gestikuliert, schneidet Grimmassen. Er dreht die Regler an seiner Musikanlage. "Und noch mal!"

Im Tonstudio wird es immer wärmer, ein Ventilator wirbelt die stickige Luft durch den Raum. Hier wird schon den ganzen Tag gesungen. "Das ist richtig Arbeit", sagt Sebastian Kraft. Er gibt Rock-Pop-Unterricht an der Hamburger Stage School, einer Privatschule für Performing Arts. Die Schüler werden in Tanz, Gesang und Schauspiel ausgebildet, viele werden Musicaldarsteller, andere spielen in Fernsehserien oder machen Karriere als Sänger. In einer intensiven dreijährigen Ausbildung werden zurzeit 250 Schüler für eine Profilaufbahn auf der Bühne vorbereitet. Auch Sebastian Kraft hat hier seine Ausbildung gemacht, vor vier Jahren ist er als Vocal Coach zurückgekehrt. "Hilfe zur Selbsthilfe" nennt er seine Arbeit. "Ich versuche, jetzt das weiterzugeben, was ich in den vergangenen 15 Jahren gelernt habe", sagt der 35-Jährige, der an verschiedenen Hamburger Musiktheatern, zurzeit am Schmidt Theater, auftritt, außerdem in Fernsehserien mitspielt und für Musikvideos und Werbespots choreographiert. Musik sei für ihn der Quell des Lebens. "Sie kann dich aufpeitschen, aber auch runterziehen." Seine Leidenschaft hat Sebastian Kraft zum Beruf gemacht. Vor Publikum könne er sich ausleben, sagt er. "Es ist so schön, wenn die Leute an meinen Lippen kleben und ich sie in meine Welt ziehen kann."

Wer beruflich im Rock-Pop-Gewerbe erfolgreich sein wolle, brauche Biss, sagt er. "Man muss die Gesetze des Popgeschäfts verstehen. Und man braucht Substanz. Nur wer gut ist, kann langfristig Erfolg haben." Also keine Casting-Produkte, sondern echte Bands aus interessanten, individuellen Typen, die gemeinsam ihr Ziel verfolgen. Viele junge Sänger blieben zudem beim Imitieren ihrer Vorbilder stehen, sagt Sebastian Kraft. "Sie sollten aber ihre eigene Stimme hören."

Dabei hilft er auch dem Gewinner des Coachings beim Stormarner Musik-Wettbewerb MusicStorm. Nicht nur die Stimme, auch die Bewegung auf der Bühne sollten natürlich sein, meint Sebastian Kraft. "Viele benutzen künstliche Gesten", sagt er. Das Coaching hilft, die eigene Performance zu verbessern. Bewegung und Spannung seien sehr wichtig, sagt er und demonstriert, wie der Ton seiner Stimme sich verändert, wenn er beim Singen in die Knie geht. "Deshalb stellt Mick Jagger immer sein Bein auf eine Box." Musik sei "pure Physik", jeder könne das, sagt Sebastian Kraft. Auch in die Liedinterpretation werden die Gewinner eingeführt. "Warum nimmt mich ein Lied gefangen?" Der Band Coach erklärt den Schülern, wie die Mechanismen in der Rock-Pop-Welt funktionieren. "Ich weiß, wie die da ticken, das will ich weitergeben."

Dass es in Seals "Amazing" um die frühere Drogensucht des Sängers geht, war auch Stage School-Schüler Christopher Przibylla neu. "Das hat viel mehr mit Rock-Pop zu tun als ein Liebeslied", sagt sein Lehrer und ermuntert ihn wieder zu Kniebeugen. "Wenn du dich bewegst, findest zu den Zugang besser." Als der Unterricht nach nur 20 Minuten zu Ende ist, vergleicht Christopher Przibylla seinen Gesang mit der ersten aufgenommenen Version. "Das fühlt sich viel lockerer an." Für Sebastian Kraft ist es wichtig, dass seine Schüler ihren Fortschritt sehen. "Ich will mit ihnen das erarbeiten, was sie noch nicht können." Als er die Tür öffnet und frische Luft in das Tonstudio lässt, rät Sebastian Kraft seinem Schüler deshalb: "Nutze diesen Unterricht als totale Experimentierphase."