Es geht um rund 200 000 Euro. Gegenstand des Verfahrens sind 60 Fälle. Jurist gesteht. Es ist seine zweite Verurteilung.

Lübeck/Ahrensburg. Er war ein bekannter Jurist in Ahrensburg, ein geschätzter Kommunalpolitiker in Bargteheide und ein Mann, der mit seinem Reichtum prahlte. Bis 1998. Im Juni jenes Jahres verlor er seine Zulassung als Rechtsanwalt und Notar - wegen "Vermögensverfalls", Schulden in Millionenhöhe drückten. Und Jens M. geriet alsbald selbst ins Visier der Ermittlungsbehörden. Nun ist der 65-Jährige erneut verurteilt worden, wegen diverser Bankrottvergehen. Zweimal eineinhalb Jahre Freiheitsstrafe lautet das Urteil des Lübecker Amtsgerichtes. Die Strafe ist für vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Zudem muss M. 200 Stunden gemeinnützige Arbeit verrichten. Richterin Sohre Tschakert ist damit den Forderungen von Staatsanwalt Thorwald Mähl nachgekommen.

M. soll zwischen Januar 2005 und September 2007 über verschiedene freiberufliche Beratertätigkeiten Geld eingenommen haben, das er dem Insolvenzverwalter nicht ordnungsgemäß gemeldet hatte. Es geht um 60 Fälle, um etwa 200 000 Euro. M. hatte mit seiner Kanzlei, in der er zuletzt als "freier Mitarbeiter" Verträge entworfen und Kollegen zum Beglaubigen vorgelegt hatte, 2003 Insolvenz angemeldet.

Mehr als sechs Stunden lang dauert die Verhandlung. M. trägt braunes Jackett, weißes Hemd mit rot-braun gemusterter Krawatte, dazu eine graue Hose. Die Lübecker Anwälte Hans-Jürgen Wolter und Friedrich Bergmann haben ihn begleitet. Zu sagen haben sie nicht viel. Stattdessen ist es M., der die ganze Zeit redet, nur ab und zu unterbricht Richterin Tschakert ihn, um Fragen zu stellen oder um zu einem neuen Themenkomplex überzuleiten.

M. bestreitet die von Staatsanwalt Mähl vorgetragenen Anschuldigungen nicht. Er sagt: "Mein Verhalten ist mir völlig unverständlich. Ich kann es mir im Nachhinein gar nicht erklären."

Die neuerlichen Straftaten fielen zum Teil in eine Bewährungszeit. Denn M. war im März 2006 vom Amtsgericht Ahrensburg schon einmal zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden, und zwar wegen Betrugs: 1998 hatte er sich 100 000 Euro von einer Bekannten geliehen und nach Überzeugung des Gerichts die Frau darüber getäuscht, dass er die Summe nicht wie versprochen bald würde zurückzahlen können.

Warum ist die nun verhängte Strafe trotzdem noch einmal zur Bewährung ausgesetzt worden? Die Richterin begründet ihr Urteil zum einen damit, dass M. ein Geständnis abgelegt hat. Außerdem sei die Situation für ihn auch ohne Haftstrafe schon schwierig genug: Dadurch, dass es für ihn im Mai 2009 nicht zu einer Restschuldbefreiung gekommen sei, stehe er durch seine hohe Verschuldung (knapp drei Millionen Euro) weiterhin unter großem finanziellen Druck. Hinzu kämen seine gesundheitlichen Probleme, genauso wie sein instabiles Umfeld - er sei vor einem Jahr bei seiner Ehefrau in Bargteheide ausgezogen, so M., der seinen aktuellen Wohnort mit Schiphorst angibt.

Äußerlich sind Jens M. diese Probleme im Gericht nicht anzusehen. Er wirkt vollkommen ruhig. Die Beine hat er entspannt ausgestreckt, die Füße dabei locker übereinandergeschlagen. Mal sind die Hände auf dem Tisch gefaltet, mal die Arme vor der Brust verschränkt.

Die souveräne Erscheinung will nicht so recht passen zu dem, was M. über seine persönliche Situation zu berichten hat. Es ist ein einziges Wehklagen. "Ich habe trotz meiner Einkünfte bescheiden gelebt", sagt M., und, um das zu konkretisieren: "Ich habe mir nie einen Urlaub leisten können." Das Geld sei für Miete, Benzinkosten, Krankenbehandlung und Lebensunterhaltungskosten draufgegangen.

Insbesondere seine Krankheiten rückt M. immer wieder in den Mittelpunkt. 2005 habe er einen Herzinfarkt gehabt, inzwischen leide er zudem an Altersdiabetes, habe im vergangenen halben Jahr 20 Kilogramm abgenommen. Da er aus Kostengründen die meiste Zeit nicht krankenversichert gewesen sei, hätten ihn Krankenbehandlungen viel Geld gekostet.

Bei den Anträgen des Staatsanwaltes und seines Verteidigers Wolter starrt er regungslos aus dem Fenster. Nur als Richterin Tschakert ihm das letzte Wort erteilt, bricht seine Stimme weg. Eine einzige echte Gefühlsregung in mehr als sechs Stunden Verhandlung.