Der Vize-Präses Erik Larsson und der Hauptgeschäftsführer Bernd Rohwer fordern eine engere Zusammenarbeit von Schleswig-Holstein und Hamburg.

Stormarn. Hamburger Abendblatt:

Herr Dr. Larsson, Herr Dr. Rohwer, wir haben am Mittwoch gemeldet, dass das Handwerk Aufwind verspürt. Wie stehen Industrie und Handel zurzeit da?

Bernd Rohwer:

Aus vielen Unternehmen im Kreis Stormarn hören wir, dass der Tiefpunkt der Krise offenbar überstanden ist. Der Optimismus nimmt wieder zu.

Abendblatt:

An welchen Indikatoren machen Sie das fest?

Rohwer:

In unserer jüngsten Konjunkturumfrage wird die aktuelle Lage wieder etwas besser beurteilt. Vor allem aber haben sich die Erwartungen für die nächsten Monaten deutlich verbessert. Wenn sich die Erwartungen positiver entwickeln als die aktuelle Lageeinschätzung, spricht dies erfahrungsgemäß für eine Trendumkehr nach oben.

Abendblatt:

Die rund 68 000 Mitglieder der IHK zu Lübeck wählen im kommenden Monat die Vollversammlung, quasi das Parlament. 145 Unternehmer kandidieren für die 64 Sitze. Wie hoch wird die Wahlbeteiligung wohl sein?

Erik Larsson:

Natürlich tun wir alles, um zu einer möglichst hohen Wahlbeteiligung zu kommen. Wir sprechen mit unseren Mitgliedern und machen deutlich, warum unsere Arbeit so wichtig für unsere Wirtschaft ist. Die IHK vertritt die Gesamtheit der Wirtschaft über alle Branchen, und sie tut dies in Selbstverwaltung und demokratisch legitimiert. Und je höher die Wahlbeteiligung, desto stärker unsere Kraft zur Durchsetzung der Interessen unserer Region.

Rohwer:

Üblicherweise liegt die Wahlbeteiligung bei Kammern zwischen zehn und 20 Prozent. Allerdings: Bei den im Handelsregister eingetragenen Betrieben liegt die Beteiligung mit 30 bis 40 Prozent höher.

Abendblatt:

Was werden die Herausforderungen für die neue Vollversammlung sein?

Rohwer:

Das muss die Vollversammlung entscheiden. Allerdings gehe ich davon aus, dass die aktuellen Themen auch die sein werden, die uns in Zukunft beschäftigen. Das ist aktuell das Thema Mittelstand: Was müssen wir tun, um aus der Krise herauszukommen? Wie können wir einer restriktiveren Kreditversorgung entgegenwirken? Das sind zweitens Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel und für mehr Ausbildungsfähigkeit bei unseren Jugendlichen. Und das dritte Thema könnte die Frage der strategischen Ausrichtung sein: Was tun wir, um unsere HanseBelt-Region im Standortwettbewerb zu stärken? Was können wir dazu beitragen, damit sich Hamburg und Schleswig-Holstein stärker als gemeinsamer Wirtschaftsraum aufstellen?

Larsson:

Das Problem ist, dass die politische Situation nicht die wirtschaftlichen Verflechtungen abbildet. Wir wissen ja alle, dass Stormarn von Hamburg profitiert. Wir sind ein gemeinsamer Wirtschaftsraum und erwarten von der Politk, dass sie das stärker bei ihrem Handeln berücksichtigt.

Abendblatt:

Sie fordern also einen Nordstaat?

Rohwer:

Das wird ja nicht auf Knopfdruck funktionieren. Aber es ist in der Tat wichtig, dass man klare Ziele definiert und das Handeln darauf ausrichtet. Und das Ziel muss sein, dass Schleswig-Holstein und Hamburg enger zusammenwachsen und irgendwann dann auch ein Nordstaat möglich sein muss. Dafür sollte man Behörden zusammenlegen, zu einer gemeinsamen Infrastrukturplanung kommen und nach außen gemeinsam auftreten. Die Handelskammern zeigen, dass eine solche Zusammenarbeit funktioniert. Und wir haben dazu auch der Politik konkrete Vorschläge gemacht - zum Beispiel eine gemeinsame Wirtschaft- und die Technologieförderung.

Abendblatt:

Wollen Sie auch mit der Handelskammer Hamburg fusionieren?

Rohwer:

Wir als Wirtschaft wollen mit gutem Beispiel vorangehen. Deswegen fühlen wir uns auch in einer Treiberrolle. Gegenwärtig arbeiten wir sehr erfolgreich mit der Handelskammer Hamburg zusammen, etwa bei Vorstößen zur Autobahn 21 oder zum dritten und vierten Eisenbahngleis (lesen Sie dazu auch Seite 2, Anm. d. Red.). Und wir sehen gute Chancen, dass wir gemeinsam mit den Handelskammern Hamburg, Kiel und Flensburg zu einem noch engeren Verbund kommen, um Kosten einzusparen und Ressourcen für mehr Beratungsqualität und eine noch stärkere Interessensvertretung zu gewinnen. Wir wollen Vorbild sein für eine enge Nordkooperation auch von Politik und Verwaltung.

Abendblatt:

Wo läge der Vorteil?

Larsson:

Es sollte für eine Firma keinen Unterschied machen, ob sie nun am Hamburger Stadtrand siedelt oder eher nach Ahrensburg geht.

Rohwer:

Die Kooperation, die wir wollen, bringt auf beiden Seiten der Medaille etwas. Die Bündelung bestimmter Backofficebereiche spart Kosten ein, also Mitgliedsbeiträge. Zugleich können wir mehr Leistung und Service bieten. Wir werden also schlagkräftiger.

Abendblatt:

Stichwort Fehmarnbelt-Querung: Was müssen die Kommunen hier vor Ort tun, um die Chancen, die daraus erwachsen können, zu nutzen?

Rohwer:

Das Erste ist, und das muss sehr schnell passieren, die Anbindung des Hinterlandes. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zur Fertigstellung 2018 nicht neue Engpässe schaffen. Das fängt schon bei der Fehmarnsundbrücke an. Ein weiteres Thema ist die Bahnverbindung zwischen Lübeck und Hamburg. Und die A 21 muss über die A 24 mit einer Ostquerung über die Elbe fortgeführt werden, um die A 1 zu entlasten. Da im Moment gerade der Bundesverkehrswegeplan aktualisiert wird, haben wir die Chance, dass die A 21 in den vordringlichen Bedarf aufgenommen wird. Und: Ich sprach ja vorhin das Thema Fachkräftemangel an. Diese Fachkräfte brauchen wir auch für den Bau der festen Fehmarnbeltquerung. Wir dürfen das nicht nur den Dänen überlassen.

Larsson:

Eine weitere Aufgabe sehe ich auch darin, darauf zu achten, dass die Entwicklung der Wirtschaft entlang dieser Achse abgestimmt erfolgt. Man darf sich nicht gegenseitig zu viel Konkurrenz machen, denn ein Wettbewerb leer stehender Gewerbegebiete hilft keinem.

Rohwer:

Ein abgestimmtes regionales Entwicklungskonzept ist gerade in Arbeit...

Abendblatt:

...in dem auch steht, dass in Stormarn entlang der A 1 Bedarf an weiteren Gewerbegebieten besteht.

Rohwer:

Richtig. Das sehen wir auch so. Und sind daher froh, dass die Landesregierung im Landesentwicklungsplan anerkannt hat, dass die A 1 eine heraugehobene Entwicklungsachse ist. Die Wirtschaftsförderung Stormarn ist in Abstimmung mit der Landesregierung im Gespräch darüber ist, ob man dort weitere Gewerbeflächen ausweisen kann.

Abendblatt:

Herr Dr. Larsson, Herr Dr. Rohwer, wir danken Ihnen für das Gespräch.