Wie geht man mit behinderten Menschen um? Offen und mit Respekt, lautet die Antwort der “Aktion Mensch“. Nicht die Behinderung erschwere das Dasein, sondern die Art und Weise, wie andere damit umgingen, sagen Fachleute.

Die Schüler der Klasse 6 d der IGS verstehen jetzt besser, wie sich Behinderte fühlen. In einer Projektwoche fuhren sie mit Rollstühlen durch Barsbüttel, bauten auf diesem Wege auch Berührungsängste ab.

Mit drei geliehenen Rollstühlen waren die 22 Kinder an einem regnerischen Vormittag in der Gemeinde unterwegs. "Vorher hatte ich ein bisschen Angst davor", sagt die elfjährige Annika Schlak. "Jetzt würde ich mich trauen, jemandem zu helfen." Dass Hilflosigkeit auch wütend machen kann, erlebte ihre Klassenkameradin Vanessa Müller: "Wenn es regnet, kann man die Räder gar nicht bewegen", sagt Elfjährige. Immer wieder rutschte sie mit ihren Händen von den regennassen Handläufen des Rollstuhls ab. Mitschülerin Anne Obidike steckte sogar einmal fest. Die groß gewachsene Zehnjährige kam mit den Fußstützen auf den Boden, als sie durch eine Senke im Neubaugebiet am Waldenburger Weg fuhr. Der 77jährige Werner Schlüter hatte die Kinder auf ihrer Tour begleitet. Er sagte: "Morgen werden die Kinder ganz schön Muskelkater in den Armen haben." Für den zwölfjährigen Philipp Frenzel galt das bestimmt. Er kam angesaust, sagte: "Das macht Spaß" - und landete ebenfalls in der Senke. Mit hochrotem Kopf kam er aber aus eigener Kraft wieder heraus. Kinder, die geschoben wurden, genossen die Hilfe. "Das ist entspannt, wenn man gefahren wird", sagt Annika.

Den Anstoß für das Projekt hatte das Buch "Behalt das Leben lieb" von Jaap ter Haar gegeben, dass die Klasse im Deutschunterricht gelesen hatte. Es handelt von einem Jungen, der bei einem Unfall erblindet. Die Klasse fuhr in die Speicherstadt, besuchte den "Dialog im Dunkeln". Dort erfuhren die Schüler wie es ist, mit dieser Form der Behinderung umzugehen. "Ein Vater hatte Werner Schlüter für unser Vorhaben gewonnen ", berichtete Klassenlehrer Lutz Coldewey. Schlüter, der auch Barsbütteler Seniorenbeiratsvorsitzender ist, erzählte den Kindern aus dem Alltag mit seinem an Multipler Sklerose erkrankten Sohn. Und von Erfahrungen mit anderen Rollstuhlfahrern. "Er hat auch sehr persönliche Fragen beantwortet, uns die Tür zu einer bisher fremden Welt einen Spalt weit geöffnet", sagt Coldewey. Zehn Kinder der Klasse 6 d möchten sich nun für eine Behinderten-Selbsthilfegrupe engagieren, sind auf der Suche nach einer Möglichkeit dazu. Interessierte wenden sich an den Klassenlehrer.

lutzcoldewey@gmx.de