Pädagogen des Projekts “Schulverweigerung - zweite Chance“ betreuen Kinder und Jugendliche, die zu Hause Probleme oder Angst vorm Alltag haben.

Ahrensburg/Bargteheide/Glinde. Wenn Kinder und Jugendliche den gesetzlich vorgeschriebenen Besuch der Schule verweigern, dann stehen Lehrer und Schulleitung in Stormarn diesem Problem manchmal machtlos gegenüber. Wie viele Schüler der Schule dauerhaft fernbleiben, darüber gibt es bislang keine verlässlichen Zahlen. Nach Auskunft von Schulrätin Katrin Thomas hat das Schulamt ein Konzept zum Umgang mit Schulverweigerern. "Es fängt bei der Prävention an", sagt Thomas. "Fehlt ein Schüler elfmal, wird die Schule aktiv." Dann seien Gespräche zwischen Klassenlehrern, Schulleitung und Eltern vorgesehen. Doch der Fall einer 14-Jährigen aus Ahrensburg, die seit drei Jahren immer wieder die Teilnahme am Unterricht verweigert, macht deutlich, dass die Möglichkeiten der Beteiligten im Zweifel begrenzt sind.

Mit elf Jahren begann das Mädchen zu schwänzen, nachdem ihre alleinerziehende Mutter mit ihr umgezogen war. Schon auf der vorigen Schule war es mit hohen Fehlzeiten aufgefallen. Der Allgemeine Soziale Dienst holte es eine Zeit lang morgens ab, begleitete es zur Schule. Auch eine Lehrerin kümmerte sich um die Schülerin, brachte sie zum Unterricht. Offenbar ohne dauerhaften Erfolg. "Als abschreckende Maßnahme steht bei den Eltern auch mal die Polizei vor der Tür", sagt Schulrätin Kirsten Blohm-Leu.

Meistens gibt es mehrere Gründe, warum ein Kind das Lernen verweigert, wissen die Experten. "Die Ursachen liegen häufig in den Familien. Psychische Störungen, Trennung, Alkoholismus - da kommt oft zu viel zusammen", sagt Diplom-Pädagoge Aleksander Wojtczak. Er ist einer der Fachleute des von der EU mitfinanzierten Projekts "Schulverweigerung - die zweite Chance" des Jugendaufbauwerks der Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein. In einem Haus in der Waldstraße 14 in Ahrensburg gibt es seit Januar eine Anlaufstation für Schüler und Eltern. Wojtczak, der von einer Kollegin unterstützt wird, betreut zurzeit einen Ahrensburger, der seit sechs Monaten nicht mehr in der Schule war. Der Junge habe schon an der Grundschule Probleme gehabt, wurde auf dem Schulweg häufig von Mitschülern geärgert. An einer weiterführenden Schule stellten Psychologen später eine Angststörung fest. Nach einer Therapie erschien er drei Monate lang wieder zum Unterricht - dann kamen die Angstzustände zurück. Auch in der Familie gab es Probleme, sagt Wojtczak: "Jetzt haben wir Aussicht auf eine stationäre Therapie. Ohne die wird das nichts."

Zum Fall der 14-jährigen Ahrensburgerin sagt Schulrätin Thomas: "Das ist eine seltene Ausnahme." Meist seien seelische Krankheiten der Grund fürs Schwänzen. "Solchen Schülern haben wir schon Langzeitpraktika vermittelt", sagt Thomas. Das sei oft sinnvoller, als einen Schulbesuch zu erzwingen. Wojtczaks Kollegin, Ljiljana Schwanenberg, berichtet: "Viele Schüler fehlen stundenweise. Manche kommen erst zur zweiten Stunde, andere schwänzen bestimmte Fächer." Sie und ihr Kollege betreuen zurzeit 13 Schulverweigerer aus drei Stormarner Schulen. Sie besuchen die Klassen sechs bis acht. Eine der Schulen, zu denen die Pädagogen regelmäßig Kontakt halten, ist die Sönke-Nissen-Schule in Glinde. Schulleiter Herbert Horn sagt, Totalverweigerer gebe es an seiner Schule nicht. Lediglich zehn Schüler seien auffällig. Allesamt Jungen. Die Zusammenarbeit mit den Pädagogen der "zweiten Chance" wolle er nicht mehr missen: "Seit die Berater einmal wöchentlich bei uns sind, läuft das hier in ruhigerem Fahrwasser."

Auch Martin Poser hat Erfahrung mit Schwänzern. Der Schulleiter der Dietrich-Bonhoeffer-Realschule in Bargteheide sagt: "Jeder schwänzt mal. Schüler probieren das aus. Meistens reicht es, sie einmal zu erwischen." Seine Schule sei gut vernetzt. "Wir haben eine Sozialpädagogin im Haus und tauschen uns mit dem Jugendamt aus." Seine Erfahrung sei, dass das Thema Schwänzen erst in der Pubertät beginne. "Die testen dann aus: Wie weit kann ich gehen?", meint Poser.

Eindeutige Erkenntnis darüber, ob Schwänzen eher bei Mädchen oder Jungen ein Problem sei, gibt es nicht. Wojtczak: "Wir unterscheiden zwischen aktiver und passiver Verweigerung." Dauerschwänzer seien für die Schulen leicht zu ermitteln. Die Zahl passiver Schulverweigerer, die zwar zum Unterricht erscheinen, aber nicht wirklich mitarbeiten wollen, sei schwerer zu erheben. Wojtczak: "Da hat jeder Lehrer andere Kriterien." Die beiden Ahrensburger Pädagogen wollen Heranwachsende bei ihren Problemen begleiten. Sie motivieren, sich wieder in den Schulalltag einzufinden. Dafür nehmen sie sich für jeden Problemfall drei bis vier Stunden pro Woche Zeit. Und trotzdem gebe es Rückschläge. Wojtczak sagt: "Das dürfen wir zwar nicht persönlich nehmen, aber das trifft uns dann schon."