Das Abendblatt beobachtet die Bundestags-Direktkandidaten.

Barsbüttel. Das Abendblatt beobachtet die Bundestags-Direktkandidaten: Norbert Brackmann von der CDU und Gesa Tralau von der SPD treten in Stormarn-Süd gegeneinander an. Beide bewerben sich zum ersten mal um das Mandat für Berlin. Im Schatten des Barsbütteler Rathauses drängen sich jeden Freitag die Wochenmarkthändler. An diesem Tag kommen die Händler der politischen Ware dazu: Es ist Wahlkampf, und die Parteien sind da. Gesa Tralau, Bundestagskandidatin der SPD im Wahlkreis Lauenburg/Stormarn Süd, steht mitten im Herzen des Marktes - dort, wo zwei Wege und damit viele Menschen aufeinanderstoßen. Neben ihr die FDP und die Linken: geballte Politik auf vier Metern Distanz.

"Ist in Ihrer Tüte noch Platz für die SPD?" Der Mann im besten Alter, dem Tralau ihren Flyer lächelnd entgegenhält, schüttelt den Kopf und beschleunigt.

Ein paar Meter weiter hat sich die CDU postiert, im leeren Raum vor der Sparkasse und strategisch nicht sehr günstig. Offenbar war man morgens zu spät. Nun bilden die Info-Stände von der SPD, der FDP und der Linken die Mitte, und die CDU findet sich urplötzlich am Rand wieder. Norbert Brackmann, den CDU-Bundestagskandidaten, stört das nicht. Der bullige Lauenburger hat sich ein Namensschild ans schwarze Jackett geheftet. Drei Wahlhelfer in orangefarbenen Norbert-Brackmann-Shirts packen Flyer, Kugelschreiber und einen kleinen Beutel "Lachgummi" zu einem Päckchen, das den Passanten offeriert wird. Auf einem Zettel steht erklärend: "Damit Sie auch nach der Wahl noch lachen können, setzen Sie auf Vitamin CDU" - wobei das C natürlich die restlichen Buchstaben deutlich überragt.

Den Leuten gefällt das. Kurt Meier, der CDU-Ortsverbandsvorsitzende, kennt die meisten hier - und spricht sie an: "Wenn Sie mal mit unserem Bundestagskandidaten sprechen wollen, hier ist Herr Brackmann." Der Bewerber, schwarzer Anzug, rote Krawatte, macht einen kleinen Schritt nach vorn. Die Frau im Strickkleid, vor dem eine goldene Kette baumelt, sagt: "Seit 1961 wähle ich CDU, aber jetzt? Dass die beiden großen Parteien zusammenarbeiten, das ist doch schizophren." Brackmann lässt seine ohnehin schon volle Stimme noch ein bisschen tiefer sinken und entgegnet: "Aber da muss man jetzt doch umso mehr sehen, dass die CDU stärker wird." Die Dame bleibt zögerlich. Wo ihre Sympathien nicht liegen, ist ihr immerhin klar: "Wenn ich Ulla Schmidt und Ralf Stegner auch nur höre, wird mir schon schlecht."

Brackmann, der ebenso wie Tralau zum ersten Mal in den Bundestag einziehen will, hört den Leuten zu. Er redet nicht viel. Von den vorgestanzten Sätzen einiger seiner Politikerkollegen ist er weit entfernt. Kurze Worte des Einverständnisses, ein "Schönes Wochenende" zum Abschluss.

Brackmann sieht in seinen Wochenmarkt-Besuchen eher eine Motivationshilfe für die Parteifreunde vor Ort. "Wenn ich hier in zwei Stunden 30 Kontakte habe, dann muss man sagen: Vom Zeitaufwand her bringt das nicht viel", findet er. Rund 234 000 Wahlberechtigte leben in seinem Wahlkreis. 75 000 "cdu-affine" Wähler hat er per Post angeschrieben. 80 000 Euro hat ihn das gekostet - "zum Teil von mir, zum Teil von Spendern bezahlt".

Hat Gesa Tralau so was auch gemacht? "Wo denken Sie hin", sagt sie. "Das kann ich mir, das kann sich meine Partei nicht leisten." Auch an ihrem Stand helfen Leute aus dem Ortsverein. Aber das meiste macht Gesa Tralau selbst. Kaum eine Minute steht sie still. Jeder Passant wird angesprochen - auch schon mal doppelt, wenn er im Laufe seines Marktbesuchs erneut bei der SPD vorbeikommt. "Darf ich Ihnen meinen Flyer mitgeben?", fragt Gesa Tralau und setzt ein Lächeln ein, dem man nur schwer widerstehen kann. Und dann darf die Frau im grauen Blazer, die mit ganz wenig Make-up auskommt.

Ein Mann in den Fünfzigern, schwarzes T-Shirt, dünnes Bärtchen, tritt an den Infotisch. "Im 'O-Ton' hat ihr Herr Habersaat geschrieben, dass er die Finanzpolitik von Klaus Wowereit gut findet und fortsetzen will. Da ist ja unerhört", schimpft er. "Hab' ich nicht gelesen, muss ich gleich mal nachgucken", sagt Gesa Tralau und lächelt den Mann an. Der geht, alles andere als zufrieden.

Tralau liest - und findet keine derartige Äußerung ihres Parteigenossen und Landtagskandidaten Martin Habersaat. "Hat der Herr wohl falsch verstanden", meint sie.

Dann flitzt sie zu Norbert Brackmann rüber, um ihn zu begrüßen. "Ich verbringe jetzt fast mehr Zeit mit ihm als mit meinem Mann", sagt sie und grinst.

Wahlkampf - in der Gemeinde Barsbüttel ist das eine zutiefst friedliche Angelegenheit. Wulf Jütting, der Mann von den Linken, kommt vorbei und sagt, dass er eigentlich immer noch Sozialdemokrat sei. Auch Christel Happach-Kasan, die FDP-Bundestagskandidatin, kommt hinzu. CDU-Gemeindevertreter begrüßen SPD-Gemeindevertreter. Und dass die SPD ihr Gesa-Tralau-Plakat direkt vor das Peter-Harry-Carstensen-Plakat gestellt hat, sorgt wirklich nur ganz kurz für Unmut.

"Da sind ja schon ganz schön viele Flyer weg", sagt ein Genosse zu Gesa Tralau. "Die werden wir noch alle los", entgegnet die - und geht schon wieder auf den nächsten Barsbütteler zu.