Platzwunde, offener Bruch, Verbrennung, fehlende Hand: Die Reinbeker liefern, was gefragt ist - auch ans Fernsehen.

Reinbek. Aus der offenen Wunde tropft dunkelrotes Blut, an den Rändern ist die Haut zerfetzt, gibt den Blick frei auf schieres Fleisch. Das sieht schmerzhaft aus. Ist es glücklicherweise aber nicht. Denn die Risswunde an Jasmin Zachhubers Unterarm ist nur geschminkt. Die 20-Jährige gehört zum Kreisschminktrupp des Jugendrotkreuzes Stormarn. Realistische Unfalldarstellung - kurz RUD - heißt das, was die zehn jungen Menschen im Kellerraum des DRK-Gebäudes in Reinbek üben. "Wir werden zum Beispiel für Übungen von Feuerwehren gebucht", sagt Nadine Wolkenhauer, die Leiterin der Gruppe.

Auch Brandwunden sind im Angebot, ebenso offene Brüche, Platzwunden und abgetrennte Körperteile. Auch für eine Sendung des NDR-Kriminalreports wurden sie schon gebucht. "Da haben wir eine Frau so geschminkt, dass sie aussah, als sei sie verprügelt worden", sagt die 22-Jährige. Auch das Schauspielern bei den Übungen mache Spaß, ergänzt Jasmin Zachhuber.

Die meisten Hilfsmittel sind in einer großen, blauen Kiste gesammelt: Tuben und Dosen mit dem sogenannten Kit, einer Art hautfarbener Knete, mit beigefarbenem und durchsichtigem Wachs, mit roten und blauen Farben, eine Palette mit Farben in unterschiedlichen Hauttönen, Pinsel, Schwämme, Spachtel. Nadine Wolkenhauer zeigt, wie schnell eine Wunde entsteht: Mit Kit modelliert sie zusätzliche Haut auf den Arm ihrer Mitstreiterin, tönt es mit der passenden Hautfarbe ab und setzt einen gezielten Schnitt. Die Ränder werden ausgefranst. "So ein Riss könnte zum Beispiel am Stacheldrahtzaun entstehen", sagt sie. In und an die Ränder der Wunde aus Knete kommt dunkle und helle Blutfarbe. "Je tiefer die Wunde, desto dunkler das Blut." Zum Schluss noch ein Schuss flüssiges Blut - fertig ist die Risswunde. Das Blut kommt aus dem "Blutkoffer", in dem zahlreiche Döschen lagern. "Früher hatten wir nur eine Sorte Blut, heute gibt es flüssiges und festes, dunkles und helles und vieles mehr."

Neben dem Koffer steht eine Plastikdose auf dem mit alten Tüchern abgedeckten Tisch. Die Fremdkörper-Box. Darin: Nägel, Glasscherben, Holzsplitter. "Die können wir in bestimmte Wunden stecken." Wer schon das gruselig findet, für den öffnet Nadine Wolkenhauer eine weitere Kiste. "Hier haben wir zum Beispiel unsere selbst gebastelte Amputation." Sie hält eine scheinbar abgetrennte Hand in einem geblümten Gartenhandschuh hoch. "Wir haben versucht, die Knochen und das Fleisch besonders realistisch darzustellen." Die Hand landet wieder in der Kiste zwischen losen Knochen. "In England werden noch echte Schweineknochen benutzt, unsere sind aber aus Kunststoff", sagt die Gruppenleiterin.

Bei Einsätzen muss es oft schnell gehen, besonders wenn bei Großübungen Notfälle mit 30 oder 40 Verletzten simuliert werden. Dann schminken die Mitglieder der RUD-Gruppe im Fünf-Minuten-Takt. "Brandwunden oder Amputationen dauern allerdings etwas länger", sagt Nadine Wolkenhauer. Wichtig sei, dass man sich genau vorstelle, unter welchen Bedingungen die Verletzung entstanden ist. "Bei einem Unfall in der Küche sollte kein Dreck in einer Wunde sein." Unter Zeitdruck verständigen sich die Schminker nur noch mit Hilfe von Abkürzungen: Riss, Schnitt, Koplawu. Jasmin Zachhuber erklärt: "Das heißt Kopfplatzwunde - eine der leichtesten Übungen." Schwieriger wird es bei Verletzungen, die man noch nicht in echt gesehen hat. "Brandwunden sind ein bisschen tricky", sagt Schminker Christian Bohlmann. Zum Lernen hat die Gruppe sich deshalb Bilder aus dem Internet gesucht. So etwas können sie sich mittlerweile ohne Problem ansehen. Nadine Wolkenhauer sagt: "Bei einer echten Wunde denke ich auch mal: 'Das sieht aber gut aus.'"