Leben in der Dauer-Baustelle: Valerija und Donald Sturm arbeiten mit unermüdlichem Einsatz an ihrem Traum.

Grabau. Das Wohnzimmer der Sturms liegt 25 Meter hoch. Holzstiegen führen nach oben. Den Einkauf für die vierköpfige Familie hochzuschleppen, ist ein hartes Stück Arbeit für Valerija Sturm. Der Weg führt über fünf Etagen mit kleinen Fenstern. Einen Fahrstuhl gibt es nicht. Auf einer durchgehenden Fläche von rund 200 Quadratmetern erstreckt sich das Reich der Familie. Alles liegt und steht offen nebeneinander: Esstisch neben Kinderzimmer, Badewanne und Toilette neben Küchenschrank und Herd. Eine Wohnung ohne Wände. Ein Abenteuer.

"Einiges würde ich heute wohl anders machen", sagt der Hausherr. Dabei hat Donald Sturm schon so viel anders gemacht.

Seit 2004 wohnt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern dort, wo die Bauern früher ihr Korn einlagerten. Niemals zuvor hat jemand im Grabauer Speicher gelebt. "Es hat fast ein Jahr gedauert, bis sich der Getreidestaub gelegt hatte", erinnert sich der Kfz-Meister, "aber der Geruch ist geblieben. Vor allem, wenn es regnet und die Luft feucht wird."

Früher hatte Donald Sturm eine Werkstatt im Bargteheider Gewerbegebiet und eine feine Wohnung an der Hamburger Alster. All das hat er gegen einen "alten Kasten" eingetauscht, um Werkstatt und Wohnung unter ein Dach zu kriegen. Freunde hatten ihn eines Abends in einer Oldesloer Kneipe vom Speicher in Grabau erzählt. "Wir sind sofort hingefahren. Es war stockdunkel. Eigentlich war nichts zu sehen, und trotzdem wusste ich sofort: Das muss uns gehören", erinnert er sich an jene Nacht, die sein Leben verändert hat.

Der Speicher war voll mit Bauschutt und Schrott. Auch die ganze Technik war noch drin. Fast zwei Jahre wurde aufgeräumt und umgebaut. 2004 kam der Einzug, zunächst in die provisorisch hergerichtete vierte Etage. Dort steht jetzt noch ein Schreibtisch, eine Chaiselongue und daneben ein Umluftofen. Durch einen Vorhang abgetrennt: die Badewanne und eine Toilette. "Am Anfang dachte ich: Mensch, das ist ja unheimlich viel Platz hier. Aber manchmal finde ich es jetzt schon fast zu eng", sagt Valerija Sturm. Schließlich ist die Familie größer geworden: Lorna (5) und Duncan (2) haben auf gut 70 Quadratmetern unter dem Dach ihre Spielsachen ausgebreitet. "Papa, lass mich auf deinen Schoß", sagt Lorna, die noch Gummistiefel anhat. Gerade war sie beim Nachbarn. Voltigieren. Für sie ist das Landleben ein Kinderparadies, das ganz normale Treppensteigen dagegen eine Unternehmung. Es dauert eine Weile. Und vor allem muss sie zusehen, dass sie das richtige Treppenhaus erwischt. Denn daneben gähnt ein großes Loch. Sturm: "Ein Drittel des Hauses bestand aus dem Silo. Die Holzverschalung habe ich rausgenommen." Jetzt läuft ein offener Schacht von oben nach unten einmal durchs Haus. Donald Sturm will hier noch ausbauen. Aber das geht nicht in zwei Tagen, vielleicht nicht einmal in zwei Jahren. "Wer keine Geduld hat, der sollte die Hände von so was lassen", sagt der Kfz-Mechaniker und fügt hinzu: "Und wer ein geregeltes Leben führen möchte, ist hier auch falsch."

Jetzt steht der Speicher unter Denkmalschutz. "Wir haben uns selbst um den Eintrag gekümmert", sagt der 54-Jährige. Wenn er etwas ändern will, muss er den Denkmalpfleger fragen. Der Speicher ist Teil des Grabauer Guts, das seit 1992 zu den Kulturdenkmälern Stormarns gehört. Der Eintrag des Getreidesilos erfolgte am 14. Februar 2008. Fördergeld hat Donald Sturm seitdem noch nicht gesehen. "Mittlerweile haben wir hier zwei Einfamilienhäuser versenkt", sagt der Wahl-Grabauer trocken. Das Leben in einem alten Gemäuer ist eine teure Angelegenheit. Die Reparaturen nehmen kein Ende. "Das Dach haben wir neu decken lassen. Die Gauben oben sind auch neu. Das ist der Originalzustand", sagt Donald Sturm. Damit sich die Dachziegel ("Biberschwänze") harmonisch in die Umgebung einpassen, hat Valerija Sturm gleich drei Farbtöne ausgesucht.

Ohne seine Frau hätte der Kfz-Mechaniker dieses Abenteuer ohnehin nicht wagen können. Die aus Kroatien stammende Valerija bewegt sich mit freundlicher Gelassenheit durch das Riesenreich, in dem es immer und überall Baustellen gibt. Damit die Familie schnell an die frische Luft und auch mal draußen Wäsche aufhängen kann, hat Donald Sturm eine Dachterrasse gebaut. Reichlich Arbeit bringt auch der 1200 Quadratmeter große Hof mit sich. "Einen Teil hab' ich gerade gepflastert, mit Natursteinen", sagt der 54-Jährige.

In den Urlaub fährt die Familie in einem alten Campingbus. Früher raste Donald Sturm mit historischen Tourenwagen auf dem Nürburgring um die Kurven. Diese Zeiten sind vorbei. Aber die Entscheidung für das alte Haus hat Bestand. Sturm: "Der Speicher ist ein Lebensprojekt."