Der Vater hat jetzt eine Vermisstenanzeige erstattet. Er vermutet einen Zusammenhang zwischen den Ermittlungen und dem Verschwinden des Sohnes.

Ahrensburg. "Ich fahre mal eben los, um den Anhänger zu holen." Mit diesen Worten verabschiedet sich in Ahrensburg ein Mann von seiner Lebensgefährtin. Es ist der 13. August, an einem Donnerstag zur Mittagszeit. Das Paar will zwei Tage später nach Schweden fahren. Sommerurlaub. Doch der 43-Jährige, ein in der Stadt bekannter Geschäftsmann, ein Funktionär in der ATSV-Fußballabteilung, kehrt nicht mehr zurück. Er ist seitdem spurlos verschwunden. Sein schwarzer Ford Mondeo ebenso.

In Ahrensburg zurückgeblieben ist eine verzweifelte Familie, die sich die Frage nach dem Warum stellt. Steht das Verschwinden des 43-Jährigen im Zusammenhang mit Ermittlungen, die gegen ihn geführt werden? Klaus-Dieter Schultz, Sprecher der Staatsanwaltschaft Lübeck, hat auf Anfrage ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue, des Betrugs und der Urkundenfälschung gegen den Mann bestätigt (Az.: 720 Js 21267/09).

Uwe Jon jedenfalls, der Vater des Vermissten, zieht diesen Schluss. Der 69-Jährige möchte jetzt über das Verschwinden seines Sohnes sprechen. Er möchte die ganze Geschichte erzählen, die Wahrheit. Denn für ihn ist das Ganze weitaus mehr als eine private Tragödie. Uwe Jon sieht seine berufliche Existenz in Gefahr, seinen tadellosen Ruf als Versicherungsmakler, den er sich seit 1974 in Ahrensburg erworben hat.

Vater und Sohn teilen sich mit ihren Firmen eine Büroetage an der Hamburger Straße. "Mehr aber nicht. Das sind zwei vollkommen voneinander getrennte Firmen", sagt der Senior und legt großen Wert auf diese Feststellung. Seine AVS Ahrensburger Versicherungsservice GmbH - Gesellschafterin ist die Ehefrau - habe rein nichts mit den Ermittlungen gegen den Junior, Gesellschafter von "Jon und Friesen", zu tun.

Uwe Jon hat bei der Kriminalpolizei in Ahrensburg Vermisstenanzeige erstattet. Nun sitzt er im verlassenen Büro seines Sohnes und spricht über den Morgen Ende Mai, den er niemals vergessen wird. "Plötzlich ging die Tür auf, und die Kripo stand im Büro", sagt er. "Es hieß, mein Sohn habe Kundengelder entgegengenommen, aber nicht angelegt." Von einem sechsstelligen Betrag sei die Rede gewesen. Das schlug ein wie ein Blitz aus heiterem Himmel.

Mehr als drei Monate danach fällt es Uwe Jon immer noch schwer, die passenden Worte zu finden. Er wirkt müde, ringt um Fassung. "Ich bin todtraurig. Ich bin entrüstet. Ich bin entsetzt", sagt er, "auch meine Frau ist vollkommen fertig." Wo das Geld geblieben ist und was sein Sohn damit gemacht hat, wisse er nicht.

Was den Geschäftsmann furchtbar enttäuscht, ist die Tatsache, dass sich der Sohn ihm nie anvertraut habe. "Er ist doch mein Sohn", sagt Jon, "da hätte ich doch erwartet, dass er irgendwann zu mir kommt und sagt: Mensch Vater, ich habe Mist gebaut."

An den Bürowänden hängen Fotografien, auf denen der sieben Jahre alte Enkel zu sehen ist. Jon: "Er hat seinen Sohn abgöttisch geliebt. Sogar ihn hat er im Stich gelassen."

Uwe Jon sagt, er wisse nicht, wo sich sein Sohn aufhält. Seit bald vier Wochen hat niemand in Ahrensburg mehr ein Lebenszeichen von ihm vernommen, weder in der Familie noch beim ATSV. Ob er sich ins Ausland abgesetzt hat, ob eine neue Frau hinter der Geschichte steckt - Uwe Jon mag darüber nicht spekulieren. Er weiß noch nicht mal, ob er seinen Sohn jemals wieder sehen wird. Greifbarste Hoffnung: Seit der Vermisstenanzeige ist das Auto zur Fahndung ausgeschrieben, jener schwarze Mondeo, mit dem der Sohn losfuhr, um einen Anhänger abzuholen.