Diebstahl, Drogen, lauter dumme Geschichten: Dieter B. (38) und Carsten L. (29, Namen geändert) haben in ihrem Leben reichlich Erfahrung im Umgang mit Polizei und Justiz gesammelt.

Ahrensburg. Aber "Unerlaubtes Führen einer Schusswaffe"? Das wäre ein ganz neues Kaliber. Vielleicht wirken die zwei Männer auf der Anklagebank in Saal 2 des Ahrensburger Amtsgerichts deshalb ein bisschen kleinlaut. Weil sie noch nicht wissen, was da diesmal auf sie zukommt.

Die Staatsanwaltschaft hat eine junge Referendarin geschickt. Sie verliest die Anklageschrift: "Die Männer gingen auf den Hof und schossen mit einem Luftgewehr auf Milchtüten."

An einem Juli-Morgen im Jahr 2007 ist das gewesen. Dieter B. kann sich noch gut daran erinnern an diesen Morgen, der sich für ihn in beinahe nichts von allen anderen unterschieden hat: "Ich dreh' morgens so meine Runde durch den Hof. An diesem Morgen sah ich Carsten mit seiner Freundin zwischen den Blöcken sitzen", und er zeichnet mit seiner Hand auf der Tischplatte nach, wie die Häuser der kommunalen Schlichtunterkunft angeordnet sind, in der sie alle drei leben. "Da lag dieses Luftgewehr", sagt B., "aber wir haben einen Joint geraucht - sorry - und uns ein Bier geteilt. Und ich habe mich lieber meinem Joint zugewendet." Schüsse? "Nö, habe ich nicht gehört", sagt B.

Aber Carsten L. hat welche gehört. Nicht nur das. "Ich habe auf die Milchtüte geschossen" sagt er, "ich habe mir aber nichts dabei gedacht." Ein netter Zeitvertreib eben, wenn man morgens viel Zeit hat und wenig zu tun. Das Gewehr - ein Wehrmut HW35, Kaliber 4,5 - habe er übrigens in seinem Schuppen "wiedergefunden", nachdem er aus dem Gefängnis entlassen worden war. "Mein Onkel hat kurz vor die Tür geguckt, als ich geschossen habe, aber er hat nichts gesagt", sagt L.

Nur: Wer hat denn dann die Polizei gerufen? Das lässt sich nicht so richtig klären. Rotraut (Name geändert), die Nachbarin, will offenbar nicht zum Prozess kommen. Sie soll ihre Vorladung brüllend zu Konfetti verarbeitet und dann in Dieter B.s Briefkasten gestopft haben. Und Manni (Name geändert), der als Lastwagenfahrer arbeitet, kann nicht kommen: Er sitzt in Hannover fest.

Richterin Jenny Mrosk ("Waffenrecht ist der Albtraum eines jeden Juristen") zieht die Augenbrauen hoch. Eigentlich, meint sie, sei der Fall klar: "Der Besitz eines Luftgewehrs ist nicht verboten, sondern nur sein Führen in der Öffentlichkeit." Weil aber die Schüsse auf einem von Zäunen und Hecken "umfriedeten" Privatgrundstück abgegeben worden seien, liege eigentlich gar keine strafbare Handlung vor. Sie stellt das Verfahren ein. Auflage: Carsten L. verzichtet auf die Herausgabe seines Gewehrs. Er nickt. Nie wieder Schüsse auf Milchtüten.