Beschwerdemanagement, Umbau der Hamburger Straße, Verhaltenskodex für Verwaltung und Politik. Das sind nur einige Ziele des Stadtjustiziars.

Ahrensburg. Das Rathaus kennt er wie seine Westentasche: Ungezählte Male hat Stadtjustiziar Thomas Reich das graue Gebäude betreten, ist durch die Flure marschiert, hat Kollegen in den Büros aufgesucht. Seit 25 Jahren arbeitet er für die Stadt Ahrensburg. Die Nachricht, dass er nun in den ersten Stock ins Bürgermeister-Büro umziehen will, kam für viele unerwartet. Thomas Reich gilt als ein Überraschungskandidat unter den vier Bewerbern für das Amt des Verwaltungschefs.

"Als ich den Entschluss gefasst habe, mich zu bewerben, habe ich mir vorher überlegt: Ist ein Kandidat dabei, den ich als Ahrensburgs neuen Bürgermeister wählen würde?" Eine Frage, die der 55-Jährige mit einem klaren Nein beantwortet hat. Klaus Schädel habe "überhaupt keine Qualifikationen". Dem gemeinsamen Kandidaten von SPD und FDP, Michael Sarach, würde er nicht seine Stimme geben, da er "ein typischer Ministerialbürokrat" sei. "In der Kommunalverwaltung hat er keine Erfahrung."

Der Stadtjustiziar wählt seine Antworten mit Bedacht aus. Aber von Angespanntheit ist bei ihm keine Spur. Im Gegenteil: Er wirkt locker, strahlt Ruhe und Selbstsicherheit aus. Die Szene eines netten Kaffeeplausches kommt einem in den Sinn, wenn sich der Mann in dem leger hellblau gestreiften Hemd, über dem er kein Jackett trägt, im Stuhl zurücklehnt und über seine Kontrahenten plaudert. Jörn Schade? Das sei ein "reiner Parteipolitiker", der die Kommunalverwaltung nur aus der Sicht des Stadtverordneten kennt. "Er hat seine Erfahrungen überwiegend im Sozialausschuss und im Bau- und Planungsausschuss gesammelt. Er ist für das verantwortlich, was die Bürger hier kritisieren", sagt Reich. Beispiele seien das Einkaufszentrum oder auch der Muschelläufer. "Herr Schade wäre kein objektiver Bürgermeister", sagt Reich "Er würde immer das tun, was die CDU-Leute von ihm verlangen, die ihn jetzt unterstützen."

Dass er als parteiloser Kandidat antritt, das wird Thomas Reich auch bei seinem Wahlkampf in den Vordergrund stellen. Und was qualifiziert den Mann mit den roten Locken noch, Ahrensburgs neuer Verwaltungschef zu werden? Seine Qualitäten könne man an seiner "persönlichen Entwicklung" erkennen, sagt er nach einer kurzen Pause. Reich zählt Stationen aus seinem Leben auf. "Ich bin in Ahrensburg aufgewachsen, habe mein Abitur an einem Wirtschaftsgymnasium in Hamburg gemacht, Jura studiert. Das zeigt, dass ich schon damals eine Neigung zu Themen mit politischen Hintergründen hatte." Wenn der Volljurist von seinen Schwerpunkten im Studium spricht, trockene Oberbegriffe wie öffentliches Recht, Verwaltungsrecht und Kommunalrecht erwähnt, bekommt seine Stimme einen schwärmerischen Unterton. "Ich habe das von der Pike auf gelernt." Neben seiner 25-jährigen Berufserfahrung bei der Stadt Ahrensburg habe er sich 23 Jahre lang auch ehrenamtlich engagiert. Er klingt stolz, als er sagt: "Ich war zweithöchster Feuerwehrmann der Stadt - dazu wird man ja auch gewählt."

Falls ihn die Ahrensburger am 27. September zum Bürgermeister wählen sollten, welche drei Projekte würde er als Erstes angehen? "Zunächst würde ich eine Art Statusbericht erstellen, in dem Verwaltungsmitarbeiter angeben müssen, wo sie mit einzelnen Projekten stehen", sagt Reich. "Das weiß jetzt kein Mensch. Ich ehrlich gesagt auch nicht." Als Zweites würde er ein Beschwerdemanagement einführen. "Ich würde jemanden in der Verwaltung bestimmen, der die Bearbeitung der Beschwerden kontrolliert, mit dem ich mich regelmäßig zusammensetze und schaue, welche Beschwerden noch offen sind", sagt Reich, der sich für mehr Bürgerbeteiligung und Demokratie einsetzen will. Das dritte Projekt wäre ein Beurteilungswesen bei der Stadt. "Wir haben eines, aber das ist aus den 70er-Jahren." Dabei gehe es auch darum, sich selbst zu hinterfragen. "Und ich will mit den Mitarbeitern einen Verhaltenskodex erarbeiten." Und was soll der Kodex enthalten? "Elementare Dinge: Dass Mitarbeiter höflich sein sollen. Fair. Und unparteiisch." Auch für Stadtverordnete sei ein Verhaltenskodex denkbar. Reich: "Wenn das Verhältnis in der Kommunikation so gestört ist wie in Ahrensburg, wäre das ein richtiger Schritt, um das Problem anzugehen."

Probleme. Davon will der siebenfache Vater jede Menge angehen. "Ein Trauerspiel ist die Hamburger Straße", sagt Reich. "Ich würde dort in etwa dasselbe Konzept umsetzen wie in der Hagener und Manhagener Allee: Radfahrer und Fußgänger haben Vorrang, Autoverkehr ist nur eingeschränkt zulässig." Auch den Rathausplatz will er verändern. "Ich würde den Pavillon wegreißen. Er ist ein Störfaktor." Zudem müsste der Platz durch mehr Grün auflockert werden.

Dass er mit den Problemen der Stadt so gut vertraut ist, sieht der Jurist als einen Vorteil. "Ich brauche keine Einarbeitungszeit und kann mir eher eine Meinung bilden als ein Außenstehender", sagt Reich. Er habe sich den Blick von außen bewahrt. "Ich bin jemand, der eher abwägend ist. Der nicht immer gleich gegenhält." Er sei offen für Neues und auch für Kritik an sich selbst.

Und ist er auch offen für die Kastenlinden? "Dass das barocke Stadtbild von eckig geschnitten Linden abhängig sein soll, kann ich nicht nachvollziehen." Ebenso unverständlich finde er die Entscheidung der Politik zum Thema Erlenhof. "Es wäre richtig gewesen, zumindest einen Rahmenplan zu beschließen." Er würde die Bebauung des Erlenhofs nicht konsequent ausschließen wollen. "Ich frage mich bei jeder Bebauung - auch im Innenstadtbereich - ob sie vertretbar ist. Ob dadurch der Charakter des Ortsteils verloren geht."

Dass die Sachlichkeit beim Wahlkampf verloren geht, da ist sich Reich recht sicher. "Es hat ja schon persönliche Beleidigungen gegeben. Deshalb sieht es nach einem schmutzigen Wahlkampf aus." Thomas Reich lächelt und schüttelt den Kopf. "Aber ich wüsste nicht, wo sich etwas gegen mich richten könnte - ich habe alles offengelegt." Wenn der Jurist gefragt wird, wie die Wahl ausgeht, kommt die Antwort blitzschnell: "Eine Stichwahl Schade - Reich. Und dann müssen die Bürger entscheiden: Wollen sie einen CDU-Mann, der von der Partei gesteuert wird, oder einen Parteilosen." Reich überlegt kurz, schmunzelt und sagt: "Danach müsste der Bürger für mich entscheiden."

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