Der Abenteurer und seine Frau erzählen, wie sie zueinandergefunden haben. Die Gründer der Organisation Target haben am 25. August geheiratet.

Rausdorf. Gestern setzten sie sich für die Stormarn-Ausgabe auf die Bank, heute sind sie schon in Äthiopien. Sie ist seine "Blumenfrau": Seitdem Annette Weber da ist, blüht es überall im Garten hinter der Rausdorfer Mühle. Er ist ihr Gärtner: Rüdiger Nehberg hat den Teich ausgehoben, den Boden für die Blütenpracht vorbereitet und beim Schaufeln und Buddeln "jeden Stein umarmt".

Von der kleinen Bank oben am Haus haben der Menschenrechtler und die ehemalige Arzthelferin seit Jahren einen wunderbaren Blick auf ihr gemeinsam geschaffenes Paradies. In diesem Sommer ist es für die beiden noch ein bisschen schöner als sonst. An ihrer Hand glänzt ein goldener Ring, in der Mitte eine Kugel: Symbol für den Erdball. "Das ist unsere Welt. Die Welt, die wir zusammenhalten", sagt Annette Weber, die nach zwölf Jahren ihrem Rüdiger das Jawort gegeben hat.

Nehberg - ganz alte Schule - hatte vorher den zukünftigen Schwiegervater angerufen und um die Hand der Tochter angehalten. "Du musst nicht fragen. Die hast Du doch schon", kam die Antwort des alten Herren.

Hat sich denn nun etwas verändert? Sie zieht die Augenbrauen etwas zusammen und schaut ihn aufmerksam an: "Ja, Du bist irgendwie anders. Irgendwie glücklicher." "Was Du nicht alles merkst", kommt die trockene Antwort des 74-Jährigen. Kein Zweifel. Er fühlt sich pudelwohl.

Dennoch: "Es war eine Entscheidung der Vernunft. Mein Leben geht dem Ende zu. So ist das. Da war es mir wichtig, dass Annette wirtschaftlich abgesichert ist und dass unser Projekt in Zukunft auch mit ihrem Namen eng verbunden ist", sagt der Rausdorfer, der mit Annette Weber vor neun Jahren die Organisation Target (Ziel) gegründet hatte. Seitdem kämpfen die beiden gegen die Beschneidung und Verstümmelung der Genitalien von Mädchen und Frauen. Heute ist das Paar wieder einmal nach Äthiopien geflogen. Es ist die 20. Reise dieser Art. "Das sind unsere Flitterwochen", sagt sie. "Wir werden in Äthiopien und Dschibuti 50 000 Exemplare unserer Goldenen Bücher verteilen", sagt er. Privatleben und gesellschaftliches Engagement sind bei diesem Paar eins.

Angefangen hatte alles damit, dass der damalige Konditor Nehberg statt Kuchen glitschige Würmer und Krabbelkäfer aß. Sein Buch "Die Kunst zu Überleben" machte ihn berühmt und auf einen Schlag zu "Sir Vival". Das war der Beginn seines Abenteurertums und seines Engagements. "Das Buch war wie ein Lotto-Gewinn. Aber in meine Konditorei wollte ich das Geld nicht stecken", erzählt Nehberg. Also kaufte er die Rausdorfer Mühle und erfüllte sich damit einen Traum. Ein großes Stück Mürbeteig diente ihm als Modeliermasse bei der Planung seines zukünftigen Zuhauses.

Hierher kehrte er dann später auch von seinen Tretboot-Atlantiküberquerungen zurück, mit denen er auf die bedrohten Yanomami-Indianer aufmerksam machte. "Dieses Thema ist beendet", sagt der Rausdorfer, "die Indianer haben Frieden." Also suchte er eine neue Herausforderung. "Wenn ich mich in die Ecke setzten müsste, würde ich sterben." Stattdessen hielt er einen Vortrag über das Yanomami-Projekt - und traf Annette Weber. Nehberg: "Sie ist mir sofort aufgefallen. Das könnte mein Typ sein, dachte ich. Außerdem trug sie keinen Ring und hatte einen Sohn, der sich für die Indianer interessierte. Das passte." Über den Sohn fädelte er dann alles ein. Er könne doch beim Abbau des Projektors helfen. Zur Belohnung gäbe es hinterher eine Cola. Für die Mutter natürlich auch. "Für eine Cola habe ich eine Frau bekommen. In Afrika hätte das 25 Kamele gekostet", erzählt Nehberg und grinst.

Annette Weber hört sich alles an und muss noch jetzt staunen. "Er hat sofort gebaggert, aber ich hab' das gar nicht gemerkt", sagt die 50-Jährige, die zwei Kinder aus erster Ehe hat und damals in Trennung lebte. "Rüdiger hat sofort alles abgecheckt. So ist er. Immer ganz schnell zum Ziel."

"Ich hatte ja keine Zeit. Um schrittweise vorzugehen, lebten wir zu weit auseinander", erinnert sich Nehberg, der seine Annette 1997 in Offenburg kennengelernt hatte. Ziemlich bald nach der Coca-Cola-Einladung kaufte sie sich eine Bahnkarte. 2000 zog sie nach Rausdorf. Vorher kam noch der Urwald-Tauglichkeitstest. "Er hatte mir eine Boa Constrictor geschenkt, samt Aquarium", erinnert sie sich. Das war okay. "Aber eins will ich Dir sagen, Würmer hätte ich nie gegessen." Das hat er bis jetzt auch nicht verlangt. Eher bettelt er um Kartoffelpuffer oder Spinat mit Spiegelei. "Sie kann hervorragend kochen." Wird im Hause Nehberg noch gebacken? "Ich nicht mehr. 40 Jahre Konditor, das reicht", sagt der Rausdorfer.

Annette backt mit Leidenschaft. "Am liebsten isst Rüdiger Philadelphia-Torte", sagt Frau Nehberg, die jetzt ihre Papiere ändern lassen muss. Die Entscheidung, gerade jetzt vor das Trittauer Standesamt zu treten, hatte auch etwas mit ihrer 19-jährigen Tochter Sophie zu tun. Sie hat Abitur gemacht hat und ist nun nach Brasilien aufgebrochen, um auf eigene Faust durchs Land zu touren - fast so, als hätte Nehbergs Abenteuerlust abgefärbt. Annette Weber: "Sie sollte unbedingt bei der Hochzeit dabei sein. Und sie hat auch alles ganz genau vorbereitet und mit mir das Kleid ausgesucht. Ein Blumen-Cocktailkleid. Rüdiger durfte es nicht vorher nicht sehen." Auch ihr Sohn Roman kam zur Hochzeit - und ein alter Freund. Mehr nicht. "Es war eine sehr schöne Zeremonie. Mit Kerzen und Blumen. Und die Standesbeamtin elegant in Schwarz", erzählt Nehberg. War die Ehe nicht eine reine Vernunftentscheidung? Klar. Verdächtig nur, dass er jetzt so strahlt.