“Akkordeon. Für mich gab es immer nur Akkordeon. Mit sechs Jahren habe ich angefangen“, sagt Denis Patkovic. Der Schweiß steht ihm noch auf der Stirn, aber seine Augen sprühen.

Reinbek. Mehr als eine Stunde hat er gerade auf seinem geliebten Instrument gespielt, ohne Pause, alle 30 Goldberg-Variationen von Bach. Das Publikum im Festsaal des Reinbeker Schlosses ist fasziniert.

Die meisten sind gekommen, um bei diesem kleinen musikalischen Wunder dabei zu sein. Bach auf dem Akkordeon - wie geht das? Es geht hervorragend. Crescendi, Triller, dichtes Legato, selbst Vibrato holt der Künstler aus seiner Hohner, und das bei einem Werk, das fürs Klavier geschrieben wurde und zum Anspruchsvollsten gehört, was Pianisten abverlangt wird.

Noten hat Denis Patkovic nicht mit aufs Podest gebracht. Er spielt auswendig. Die Konzentration ist da lebenswichtig und überträgt sich auf die Zuhörer.

Allein die Gedächtnisleistung nötigt tiefen Respekt ab. Dazu kommen technische und künstlerische Höchstleistungen, die ungeahnte Farben des Akkordeons zum Leuchten bringen: Es klingt wie ein Flöte, wie eine Drehleier, eine Glasharfe, selbst wie eine Orgel in Mini-Format.

Als wenn das alles nicht genug wäre, legte der aus dem ehemaligen Jugoslawien stammende Denis Patkovic, der das Akkordeon aus seinen Kindertagen und der Volksmusik seines Heimatlandes kennt, noch eins drauf. Er konfrontiert den alten Bach mit modernen Schmerzakkorden, mit Clustern und Sphärenmusik - Klänge, die der Finne Jukka Tiensuu geschrieben hat. Bei ihm hat der Akkordeonist studiert. Bei ihm ist der Stipendiat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes künstlerischer Doktorand an der Sibelius-Akademie in Helsinki. Und genau bei ihm hat Patkovic' Idee gezündet, zeitgenössische Antworten auf die Goldberg-Variationen Bachs zu finden.

Tiensuu hat sie gefunden und in seinem Stück "Erz" gebündelt. Es sind 14 Stücke, die auch allein aufgeführt werden können, so wie selbstverständlich und bisher auch geschehen Bachs Goldberg-Variationen. In Reinbek nun die spannende Konfrontation: der alte Bach und der 1948 geborene Tiensuu immer im Wechsel, ihre Musik im Dialog.

Es war eine mutige Entscheidung und ein toller Abend.