Vor 15 Jahren waren sie mit ihren Eltern aus Kabul gekommen - jetzt sind sie Gymnasiasten. Und zeigen, dass Auswandererkinder erfolgreich sein können.

Glinde. Jugendliche mit Migrationshintergrund haben es im deutschen Bildungssystem häufig schwerer als ihre Mitschüler deutscher Eltern. Das beschreiben Wissenschaftler des PISA-Konsortiums Deutschland in ihrem aktuellen Bericht. Doch es gibt auch positive Beispiele: Die Geschwister Soman und Romal Ahmadzei sind in Kabul in Afghanistan geboren und mit ihren Eltern vor 15 Jahren nach Deutschland gekommen. Mittlerweile haben beide den deutschen Pass und besuchen das Gymnasium in Glinde. Dort gehören die beiden mit einem Notendurchschnitt unter 2,0 zu den leistungsstarken Schülern ihres Jahrgangs. Obwohl sie zu Hause die persische Sprache Dari sprechen, hatten die beiden, die seit fünf Jahren in Glinde wohnen, nie Probleme im Unterricht. "Ich hatte immer gute Noten und bin immer schon gern zur Schule gegangen", erzählt die 16-jährige Soman.

Für ihre guten Leistungen und ihr soziales Engagement erhalten beide ein Stipendium der Start-Stiftung: neben einer kompletten Computerausstattung gibt es jeden Monat 100 Euro Bildungsgeld. Außerdem werden für die Stipendiaten Kurse angeboten. So sollen etwa Rhetorikseminaren, Bewerbungstrainings oder Kniggekursen den Einstieg in das Berufsleben erleichtern. In 14 Bundesländern vergibt die Start-Stiftung gemeinsam mit mehr als 100 Kooperationspartnern 640 Schülerstipendien für begabte Zuwanderer. "Talent und Leistungsbereitschaft sollten sich unabhängig von Herkunft, Status und Umgebung entfalten und eine Gesellschaft bereichern können", heißt es auf der Internetseite. "Die jungen Leute sind hoch motiviert, und wenn man ihnen eine Möglichkeit gibt, dann ergreifen sie die auch", sagt Geschäftsführerin Andrea Schurr.

Aber auch andere Stiftungen entdecken vermehrt die Zielgruppe der jungen Menschen mit Migrationshintergrund. An der Universität Hamburg gibt es zum Beispiel seit 2005 Förderunterricht für Migranten mit hohem Bildungspotenzial. Mit dem von der Schulbehörde und der "Stiftung Mercator" finanzierten Zusatzunterricht sollen es die Jugendlichen bis zum Abitur schaffen. Das ist bislang nicht selbstverständlich. Während der Anteil nicht-deutscher Jugendlicher an Hamburger Hauptschulen bei knapp einem Viertel liegt, verzeichnet die Schulbehörde im Schuljahr 2008 / 2009 bei den Gymnasiasten lediglich einen Anteil von neun Prozent. Das Projekt will nun gezielt auf die Stärken der Migranten setzten. "Sie bringen sehr viele Talente und Kompetenzen mit, die oftmals weder ihnen noch ihrem Umfeld bewusst sind", sagt Projektkoordinatorin Marika Wengenmayr.

Die Leistung der Jugendlichen wird kontinuierlich beobachtet. So müssen die Start-Stipendiaten zweimal im Jahr über ihre schulische Entwicklung berichten. "Gesunden Leistungsdruck" nennt das der ehrgeizige Romal. "Ich kann es nicht leiden, wenn ich mich verschlechtere. Ich habe Ziele, und dafür muss man was tun", sagt der 18-jährige Gymnasiast, der seit vier Jahren gefördert wird. Auch seine jüngere Schwester schätzt die "zusätzliche Herausforderung". Sie ist in diesem Jahr als Stipendiatin aufgenommen worden. Hohe Erwartungen seien beide von zu Hause gewöhnt, sagt die junge Frau. Im September besucht Soman ihr erstes Bildungsseminar. "Ich bin sehr gespannt auf die neuen Erfahrungen und freue mich auf die anderen Stipendiaten", sagt sie.

Jochen Frese, Landeskoordinator des Programms in Schleswig- Holstein, betreut neben den Geschwistern aus Glinde noch 34 weitere jugendliche Stipendiaten. Er kennt den Leistungsdruck aus vielen Familien. "Das ist durchaus typisch." Viele zugewanderte Eltern vermissten in Deutschland die eigene berufliche Anerkennung und projizierten hohe Erwartungen auf ihre Kinder. Für Frese sind die Stipendiaten mit ihrem erfolgreichen Bildungsweg Vorbilder für gelungene Integration, "Sie sollen nach außen repräsentieren, dass es möglich ist anzukommen", sagt er.

Romal kennt viele Jugendliche, die es nicht wie er auf das Gymnasium geschafft haben. "Das Stipendium ist für die ein Beweis, dass sich Leistung lohnt", meint der junge Glinder. "Wenn sie mich als Vorbild sehen, dann habe ich mein Ziel erreicht."