Im Jahre 1994 kam Ivan mit elf Jahren nach Deutschland und wurde zu Johann. Mittlerweile ist Johann Bely 26 Jahre alt.

Geboren wurde er mit dem Vornamen Ivan in der sibirischen Stadt Omsk. "Johann ist wohl die offizielle Übersetzung. Meine Mutter meinte, ich würde es damit sicherlich leichter haben", sagt Johann heute. Die formale Integration begann auf dem Papier. Johanns erste Unterkunft war in einer Baracke an der Stormarnstraße in Ahrensburg. Noch im selben Jahr kam er auf die Hauptschule. Seine Noten waren damals "katastrophal", erinnert er sich. Denn als Ivan hat Johann kein Deutsch gelernt. Nur seine Mutter konnte die Sprache noch. "Die ersten drei Jahre wurde ich in der Schule nur mitgezogen. Ich war nur in Mathe gut. Zahlen sind eine eigene Sprache." Johan sagt das in einem fehlerfreien Deutsch. Nur vereinzelt betont er das "r" vielleicht noch etwas zu hart. "Die meisten anderen Fächer aber basierten auf der deutschen Sprache."

Da saß er eigentlich nur herum - von dem, was der Lehrer an der Tafel erzählte, verstand er fast nichts. "Nach zwei Jahren wurde es dann aber besser." Da war er auch schon lange Deutscher - jedenfalls auf dem Papier.

Deutsche Freunde allerdings hatte er kaum. "Wir sind immer unter uns gewesen. Es sei schwer gewesen, sich mit Deutschen zu treffen. Einerseits wegen der Sprache - und dann wollten viele mit uns Russen nichts zu tun haben." Die ersten zwei Jahre waren auch geprägt von der Sehnsucht nach Omsk. "Wir wussten nicht, was wir mit uns anfangen sollten. Viele wollten auch zurück. Wir waren irgendwie verloren in der neuen Welt." Johann aber gab nicht auf. Nach dem Hauptschulabschluss folgte im Jahr 2001 die mittlere Reife und eine Ausbildung als Energieelektroniker. 2005 muss der Deutsche dann zur Bundeswehr. "Das war eine lustige Zeit", sagt er heute über die Grundausbildung, aber "eigentlich wollte ich es nicht." Danach lief sein Arbeitsvertrag aus und er wurde arbeitslos. "Dann versuchste, dich natürlich weiterzubilden."

Johann hat jetzt gerade sein Fachabitur gemacht und wartet auf einen Studienplatz in Elektrotechnik. Ein langer Weg. Länger als bei vielen anderen sicherlich, aber waren doch auch die Voraussetzungen von Ivan ganz andere.

Und wie fühlt er sich jetzt, nach 15 Jahren in Deutschland? Als Deutscher oder als Russe? "Ich bin eigentlich ein Deutscher - mit dem Herz aber noch immer mit Russland verbunden. Würde beim Fußball Deutschland gegen Russland spielen - ich wäre für Russland."