Warum Familie von Hobe neuerdings alles über Dinosaurier, den Unterschied zwischen Fischen und Meerjungfrauen oder Dieselloks in Kanada wissen muss.

Ahrensburg. "Arielle, die Meerjungfrau" oder aber Puccinis "Turandot"? Bei den meisten Kindern fiele die DVD-Auswahl sicherlich auf den Zeichentrick-Klassiker von Disney. Der vier Jahre alte Bastian von Hobe aber entschied sich für die DVD mit der Oper von Puccini. Seine Eltern hatten ihm von der Oper erzählt. Jetzt wollte er unbedingt auch sehen, wie sich im dritten Akt jemand aus Liebe zu einem anderen selbst umbringt. Bisher kannte er nur die Arien und die dramatische Musik - nun wollte er auch die Bilder dazu sehen. Lange hat er überlegt, warum ein Mensch so etwas machen sollte. Anspruchsvoller Stoff - nicht nur für einen Vierjährigen. Der kleine Ahrensburger ist hochbegabt, hat einen Intelligenzquotienten (IQ) von mehr als 130. Damit gehört er zu den intelligentesten Kindern seines Alters in Deutschland. Denn nur etwa zwei Prozent erreichen diesen Wert.

Als normal wird ein IQ von 85 bis 115 angesehen. Diesen Wert erreicht etwa die Hälfte der Bevölkerung. Bastian liegt deutlich darüber. Schon mit zwei Jahren konnte er alle Buchstaben des Alphabetes erkennen und benennen. Mittlerweile kann er bis 120 zählen. "Er könnte sicherlich noch weiter zählen, aber dann wird es ihm langweilig", sagt der Vater Christian Schubbert. Laufen hingegen konnte er erst mit 15 Monaten. Nicht selten haben hochbegabte Kinder Defizite in anderen Bereichen.

Was ihn von anderen Kindern wesentlich unterscheidet, ist, dass er permanent versucht, Zusammenhänge zu erkennen und daher auch immer wieder nachfragt. Auf die Frage, wie denn eine Eisenbahn fahre, antwortet er "mit Stromabnehmern." Dann macht er eine kleine Pause und ergänzt: "Außer in Kanada, dort fahren die Züge mit Diesel." Bastian weiß oftmals mehr als Erwachsene. In Gesprächen mit Gleichaltrigen argumentiert er wie ein Erwachsener. Das erleichtert im Spiel mit anderen Kinder Vieles. Bastian erklärt anderen Kindern, warum sie das Spielzeugauto auch mal an andere weitergeben sollen. Es hat aber auch Auswirkungen für die Eltern. Die Mutter Catharina von Hobe sagt: "Wir müssen unsere Regeln genau durchdenken. Ohne eine schlüssige Argumentation akzeptiert er sie nicht. Das kann auch ganz schön anstrengend sein, da wir manchmal lange Diskussionen haben."

Bastian hinterfragt die alltäglichen Dinge immer wieder. Er erkennt Zusammenhänge, die andere so nicht sehen. Trotzdem ist er nicht zu einem Außenseiter geworden. Viele hochbegabte Kinder werden zu Sonderlingen, Gleichaltrige finden nur schwer Zugang zu ihnen. "Er verabredet sich ganz normal. Und bisher sagen alle Spielkameraden, dass man ganz gut mit ihm spielen kann", sagt die Mutter. Die Eltern bekamen schon früh von anderen Eltern den Hinweis, dass sie da ein "schlaues Kerlchen" haben. Dadurch wurden seine Fähigkeiten früh erkannt, die Eltern konnten reagieren. Einmal hat Bastian ein Buch über menschliche Organe gesehen. Der Aufbau des menschlichen Körpers faszinierte ihn. Daraufhin fragte er, wie es denn in den Fischen aussieht. Die Eltern erklärten die Unterschiede: Kiemen statt Lungen, Gräten statt Knochen. Bastian verinnerlichte all die Informationen, dachte aber schon wieder weiter und fragte: "Wie sieht es dann in einer Meerjungfrau aus?"

Neuerdings interessiert sich ihr Kind besonders für Reptilien und Dinosaurier. Ausgedehnte Wochenendausflüge zu Ausstellungen sind daher keine Seltenheit. Bastian saugt die Informationen förmlich in sich auf und kann später fast jedes Detail korrekt wiedergeben und auch in Relation zu anderen setzen. "Wir bemühen uns, ihm immer wieder neue Anreize zu geben. Wiederholungen sind ihm ein Graus", meint die Mutter.

Und woher kommt diese Hochbegabung? Fachleute gehen nach zahlreichen Untersuchungen davon aus, dass Hochbegabung vererbt wird. Richtig getestet und nachgewiesen wurde sie bei den Eltern allerdings nicht. Auf Nachfrage räumt der Vater aber ein, dass beide Eltern in spielerischen IQ-Tests auch meist überdurchschnittlich abschneiden. Als Belastung empfinden die Eltern den Wissensdurst ihres Sohnes keineswegs. Sie haben sich daran gewöhnt, auf Fragen immer etwas genauer zu antworten.