Horst Opaschowski stimmte rund 100 Gäste auf eine Gesellschaft ein, in der ältere Menschen eine immer größere Rolle spielen werden.

Reinbek. "Die Deutschen werden ärmer, aber nicht unglücklicher", sagte der Zukunftsforscher Prof. Dr. Horst W. Opaschowski bei der Mitgliederversammlung des Verbandes der Südholsteinischen Wirtschaft (VSW) im Reinbeker Schloss. Der Verband feierte sein 40-jähriges Bestehen. Vor mehr als 100 Vertretern der regionalen Wirtschaft und Politik hielt der wissenschaftliche Leiter der Hamburger BAT Stiftung für Zukunftsfragen einen Vortrag zum Thema "Deutschland 2030 - wie wir in Zukunft leben werden".

Er sagte, die Gesellschaft müsse sich auf ökonomische Probleme einstellen. "Persönliches Wohlbefinden wird jedoch wichtiger als materieller Wohlstand werden", betonte Opaschowski. In zehn Zukunftstrends fasste er zusammen, wie sich die deutsche Gesellschaft bis 2030 voraussichtlich verändern wird. Die geladenen Politiker und Unternehmer aus Stormarn waren sich einig, dass sich auch der Kreis auf den Wandel vorbereiten müsse.

"0,5 x 2 x 3" lautet Opaschowski Formel für die globalisierte Arbeitswelt. "Die Hälfte der Mitarbeiter verdient doppelt so viel und muss dafür dreimal so viel leisten wie früher." Allerdings sei für die jüngere Generation die Verbindung von Leistung und Lebensgenuss kein Widerspruch mehr. Für sie sei Leben "die Lust zu schaffen". Der Wissenschaftler sagte zudem einen grundlegenden Wertewandel voraus. Soziale Bindungen würden wichtiger als materielle Werte. Der Wunsch nach Verlässlichkeit und Beständigkeit führe zu einer "Renaissance der Familie". 2030 hätten wahrscheinlich 80 Prozent der unter 34-Jährigen eigene Kinder. Gleichzeitig würden mehr Frauen Führungspositionen einnehmen. Die Wirtschaft werde vom patriarchalischen System Abschied nehmen müssen, sagte der Forscher. Fest stehe: "Die Arbeitswelt wird weiblicher."

In der Gesellschaft der Zukunft werden nach Opaschowskis Auffassung die Älteren eine aktivere Rolle einnehmen. Die künftige Wirtschaft werde von der Lebens- und Berufserfahrung der über 50-Jährigen profitieren. Nachhaltiges statt kurzfristiges Denken wird sich durchsetzen", so der Wissenschaftler. Die über 65-Jährigen wollten in Zukunft den Übergang in den Ruhestand flexibel gestalten und sich länger gesellschaftlich einbringen.

"Wird dies das Jahrhundert der Senioren?", fragte Opaschowski in Reinbek. Anzeichen für eine solche Entwicklung gebe es. Der medizinische Fortschritt werde verhindern, dass es zu einem Pflegenotstand komme. Die über 80-Jährigen würden seltener in Alten- und Pflegeheimen wohnen. "Im Jahr 2030 werden drei Viertel der 90-Jährigen in eigenen Wohnungen leben", sagte Opaschowski. Deshalb seien neue Wohnkonzepte gefragt, wie zum Beispiel Mehrgenerationenhäuser und Senioren-Hausgemeinschaften. "Dem Service-Wohnen und generationsübergreifenden Wohnkonzepten mit Dienstleistungsangeboten gehören die Zukunft", sagte der Forscher. Zudem würden Wahlverwandtschaften das soziale Netz der Senioren stärken. "Soziale Konvois" nennt der Wissenschaftler dieses Netz aus lebenslangen Begleitern. "Intakte soziale Beziehungen werden wichtiger als Wohlstandsgüter." Der Forscher betonte, die Wirtschaft und die Politik müssten sich auf diesen Wandel einstellen.

Im Publikum fanden seine Thesen Zustimmung. "Wir müssen uns auf die Grundfragen besinnen und gemeinschaftlich denken", sagte Axel Bärendorf, Bürgermeister von Ammersbek. Barsbüttels Bürgermeister Thomas Schreitmüller sagte: "Wir müssen Jung und Alt zusammenführen." Ältere Menschen sollten die Möglichkeit haben, solange wie möglich zu Hause oder in betreuten Wohnformen zu leben.