Heilen kann das Mittel “Iressa“ zwar nicht - doch die Ärzte des Krankenhauses Großhansdorf sprechen von einem “sensationellen Erfolg“ bei der Lungenkrebstherapie.

Großhansdorf. Es wird seit zehn Jahren erforscht, in Form von Tabletten verabreicht und ist der Hoffnungsträger vieler Lungenkrebspatienten: Iressa. Ein Medikament, das Tumore rapide schmelzen lässt, wie die Mediziner sagen. Im Sommer kommt das Produkt des Pharmaunternehmens AstraZeneca auf den Markt. Aber schon jetzt melden Fachärzte von Norddeutschlands größter Lungenklinik einen Durchbruch. Ulrich Gatzemeier, Chefarzt des Zentrums für Pneumologie und Thoraxchirugie im Krankenhaus Großhansdorf, bestätigt: "Wir haben einzelne Patienten, bei denen die Erfolge sensationell sind. Das haben wir bei bisherigen konventionellen Therapien noch nicht gesehen."

Der Wirkstoff Gefitinib schlage zwar im Durchschnitt nur bei jedem zehnten Patienten an. Doch er zeige positive Wirkung bei Lungenkrebspatienten, bei denen ein ganz bestimmter Rezeptor - der sogenannte epidermale Wachstumsfaktor Rezeptor (EGFR) - mutiert ist. "Diese Mutation ist meistens bei Frauen, die Nichtraucherinnen sind, vorzufinden", sagt Gatzemeier. Der Zusammenhang zwischen Mutation und Wirkung des Medikaments sei erst vor zwei Jahren festgestellt worden. "Iressa blockiert diesen Rezeptor. Dadurch wird der Signalweg in der Tumorzelle blockiert, der zu Wachstum und Metastasenbildung führt", erklärt der Experte.

Trotz der zum Teil äußerst erfolgreichen Behandlungen warnt Ulrich Gatzemeier vor zu großer Euphorie: "Es handelt sich nicht um die Wunderpille. Iressa hilft nur einigen Patienten und kann den Lungenkrebs nicht heilen." Das Medikament könne aber aus einer akut lebensbedrohlichen Situation eine chronische Krankheit machen, mit der der Patient mehrere Jahre leben kann. "Das Medikament verschafft den Betroffenen Lebensqualität. Einen normalen Alltag." Zudem seien die Nebenwirkungen gering. "Einige bekommen Hautausschlag, in seltenen Fällen kommt es zu Durchfall." Seit etwa zehn Jahren wird Iressa in weltweiten Studien erforscht. Das Krankenhaus Großhansdorf war von Anfang an daran beteiligt. "In Deutschland haben einige hundert Patienten an der Studie teilgenommen, in Großhansdorf etwa 75", sagt Gatzemeier.

Eine davon ist Helga Strauß. Seit sechs Jahren wird die 74-Jährige, die mit ihrem Mann im niedersächsischen Garbsen lebt, von Doktor Gatzemeier mit Iressa behandelt. "Bei ihr hat das Medikament sehr gut gewirkt", sagt er. Der Tumor sei kleiner geworden, habe sich verkapselt. Ohne Iressa wäre Helga Strauß vielleicht schon nicht mehr am Leben. "Für mich war die Teilnahme an der Studie ein Strohhalm, an den ich mich geklammert habe", sagt die Rentnerin und ballt ihre Hand zu einer Faust. Bestrahlung und Chemotherapie habe sie damals schon hinter sich gehabt. "Bereits 1996 hat ein Arzt Schatten auf meiner Lunge entdeckt", sagt Strauß. Aber das habe sie nicht richtig ernst genommen. "Ich war nie krank, hatte keinen Husten und habe mein Leben lang nicht geraucht - Lungenkrebs zu haben, war für mich unvorstellbar." Die Diagnose "bösartiges Lungenkarzinom" im Jahr 2001 habe sie umso härter getroffen. "Ich konnte nicht klar denken. Bei meinem Mann flossen Tränen." Aber sie sei eine Kämpferin, habe sich nicht unterkriegen lassen. Vom Tumor, dem Feind in ihrer Lunge. "Außerdem ist ja alles gut gegangen - dank dieser Pillen." Die kleinen braunen Tabletten, von denen sie jeden Tag eine schluckt. "Fast wie ein Bonbon", sagt sie und lacht. "Die erste habe ich am 2. November 2002 genommen. Früh morgens. Beim Kaffee." Seit diesem Tag sei sie voller Hoffnung gewesen. "Bereits nach einem viertel Jahr war der Tumor geschrumpft. Ist das nicht großartig?", fragt sie und ihre Stimme klingt aufgeregt, rutscht eine Oktave höher. Ja. Fast wie ein kleines Wunder.

Und was wünscht sie sich für die Zukunft? Helga Strauß lächelt: "Irgendwann müssen wir alle gehen. Aber die nächsten Jahre will ich gesund sein. Und vor allem fit für meine Goldene Hochzeit im kommenden Jahr."