Die Gesundheitsreform gefährdet ihrer Meinung nach die ambulante Versorgung durch Haus- und Fachärzte.
Glinde. Zum ersten Mal in seiner fast zehnjährigen Geschichte geht der Praxisring Südstormarn an die Öffentlichkeit. "Es geht nicht anders, es wird so viel Unsinn über das Gesundheitssystem erzählt", sagt Wolfgang Seebach, zweiter Vorsitzender des Rings und Gynäkologe in Glinde. 53 Ärzte und Psychotherapeuten aus Reinbek, Glinde, Oststeinbek und Barsbüttel sind in dem Ring organisiert. Der dient eigentlich dem Meinungsaustausch und der Fortbildung, nicht aber der Öffentlichkeitsarbeit. Doch jetzt reicht es den Ärzten. "Das Gesundheitssystem ist in der Krise", sagt Seebach. "Und keiner weiß, wie es weitergehen soll. Wir haben bis heute kein Konzept für die Zukunft." Am kommenden Donnerstag lädt der Praxisring deshalb zu einer Diskussion ins Glinder Bürgerhaus ein.
Das Problem, unter dem die Ärzte leiden, ist rasch geschildert. Es lässt sich am Beispiel von Wolfgang Seebach beschreiben. Sein ganz normalen Arbeitstags beginnt um 8 und endet um 22 Uhr. Zwischendurch gibt es eine Mittagspause. Bezahlt wird Seebach mit einem festen Budget, nicht pro Patient. Das Budget reicht für die vielen Frauen, die zu ihm kommen, nicht aus. Er behandelt sie trotzdem. "Ich schicke niemanden weg", sagt Seebach. "Ich krieg' das nicht fertig, früher aufzuhören. Und vielen Kollegen geht es genau so."
Derart ausgeweitete Arbeitszeiten sollten nicht sein in einem Beruf, in dem Fehler gefährlich werden können. Aber die Mediziner, die ja selbstständige Unternehmer sind und selbst entscheiden könnten, wie lang ihr Arbeitstag ist, helfen eben, so weit es geht. Außerdem: "Wenn ich wirklich Patientinnen abweise, dann belaste ich damit die Kollegen, bei denen die Abgewiesenen im Wartezimmer auftauchen."
Seebach (62) hat in seinem Medizinerleben schon einiges erlebt. Er wirkt nicht wie einer, der leicht zu erschüttern wäre. Jammern will er schon gar nicht. Aber nun, das spürt man, ist eine Grenze überschritten - nicht einmal nur wegen der Gesundheitsreform, deren Auswirkungen er kritisiert. Sondern wegen einer schon seit Jahren zu beobachtenden, schleichenden Entwicklung. "Es geht im Gesundheitssystem gar nicht mehr um den Bedarf, um das medizinisch Erforderliche", sagt Seebach. "Und ich sehe in der Politik niemanden, der das ändern wollte."
Was getan werden muss, um die ambulante Versorgung zu sichern, darüber wollen die Mitglieder des Praxisrings am kommenden Donnerstag ab 19.30 Uhr im Marcellin-Verbe-Haus in Glinde (Markt 2) mit Patienten und Fachleuten debattieren. Eingeladen sind Dr. Svante Gehring, der Vizechef der Ärztegenossenschaft, Mark Oliver Potzahr, Kreistagsabgeordneter der CDU, Ralph Ennenbach, stellvertretender Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein, und ein Vertreter der AOK.