Bank-Geheimnisse: In unserer neuen Serie treffen wir Stormarner auf ihrer Lieblingsbank. Den Auftakt macht Johanna Schoppmeier, die bei Jung und Alt beliebte gute Seele des Ahrensburger Villenviertels.

Ahrensburg

Im Vorbeifahren wirkt es eher unscheinbar. Grau, in die Jahre gekommen, versteckt hinter der Buchenhecke. Auf den zweiten Blick umgibt das fast achtzig Jahre alte Haus an der Moltkeallee in Ahrensburg jedoch eine romantisch-verwunschene Atmosphäre. Zartrosa blühende Rhododendronbüsche, leuchtend grüne Laubbäume und Staudengewächse schmücken den Garten, ranken sich um das Gebäude.

"Hier habe ich schon als Kind mit Freundinnen Verstecken und Packen gespielt", erinnert sich Johanna Schoppmeier. Ihr Blick wandert über die Wiese mit den Gänseblümchen, während sie ihren Gehstock neben sich an die weiße Gartenbank lehnt.

"Mein Vater, ein Rechtsanwalt und Notar, hat das Haus 1930 gebaut", sagt die 75-Jährige. Sie ist hier geboren und aufgewachsen. Viel verändert habe sich nicht. "Einige Häuser hat es in der Straße damals natürlich noch nicht gegeben. Aber hier im Garten ist fast alles beim Alten geblieben", sagt sie und streicht sich ein paar graue Strähnen aus dem Gesicht. Ein hochgesteckter, geflochtener Zopf ziert ihren Hinterkopf.

Nur die Büsche seien vielleicht noch etwas kleiner gewesen. Die Bank habe an einer anderen Stelle gestanden. Und der Swimmingpool hinter dem Haus, in dem ihr Vater morgens immer seine Bahnen gezogen habe, sei heute verfallen.

Eigentlich denke sie nicht oft an früher. "Ich bin ein Mensch, der in der Gegenwart lebt", sagt sie. "Die Namen der früheren Nachbarn habe ich trotzdem bis heute nicht vergessen." Sie zählt ein paar Nachnamen auf und klingt ein wenig stolz dabei. Selbstverständlich kenne sie auch die Familien, die jetzt in der Moltkeallee leben. Und die meisten Menschen aus der Umgebung kennen Johanna Schoppmeier. Sie ist die gute Seele des Villenviertels. Die jeden Tag mit ihrer Kernterrier-Dame Ginni spazieren geht. "Dabei treffe ich oft Nachbarn, und wir halten am Gartenzaun einen kleinen Plausch. Ginni wird mit Leckerlis gefüttert", sagt sie und lacht. Es ist ein Lachen, das sich wie eine warme Umarmung anfühlt.

Vermutlich ist es diese herzliche Ausstrahlung, wofür die Bewohner die alte Dame so gern haben. Die Alten ebenso wie die ganz Jungen. "Zu Weihnachten dürfen sich die Kinder immer ein Buch von mir wünschen", sagt Schoppmeier. Weil das Lesen so wichtig sei für Kinder. "Und weil ich ihnen mit den Büchern eine Freude machen kann."

Freude - das ist das Erste, das Johanna Schoppmeier zu ihrer eigenen Kindheit einfällt. "Meine Geschwister und ich hatten sehr offene Eltern, waren umsorgt und behütet", sagt sie. Ein Gefühl der Geborgenheit und Sicherheit - das empfinde sie noch heute in ihrem Elternhaus. "Und in der Moltkeallee. In Ahrensburg." Die Stadt, durch deren Straßen sie schon als kleines Mädchen schlenderte. "Als Kind bin ich jeden Morgen zu Fuß zur Schlossschule gegangen", sagt sie. An der Großen Straße habe sie mit Schulkameradinnen immer haltgemacht. "Die Eltern einer Freundin hatten dort eine Bäckerei. Dort haben wir oft Brötchen bekommen. Manchmal waren sie sogar noch warm", sagt Johanna Schoppmeier, hebt ihren Hund auf ihren Schoß und krault Ginni sanft den Kopf.

"Sie ist mir sehr wichtig", sagt die Ahrensburgerin und blickt kurz in die treuen Hundeaugen. "Ich habe sie als Welpe von meinen Geschwistern geschenkt bekommen." Seit 15 Jahren ist Ginni ihre ständige Wegbegleiterin. Gemeinsam bewohnen sie das Erdgeschoss des Hauses. "Oben wohnt meine Schwägerin. Ein reiner Frauenhaushalt eben", sagt sie und schmunzelt. Sie komme gut zurecht. Vermisse nichts. Könne ohne Wehmut auf ihre Vergangenheit zurückblicken. "Ich führe bis heute ein sehr zufriedenes Leben", sagt sie. "Habe in all den Jahren viel erlebt und gesehen."

Zum Beispiel, als sie mit Mitte 20 das Elternhaus verließ. "Ich wollte raus - die große weite Welt kennenlernen", sagt Johanna Schoppmeier. Ihr Entdeckungsdrang verschlug sie zunächst in die Schweiz, nach St. Gallen. "Ich habe dort in einem alkoholfreien Restaurant gearbeitet. Mal in der Küche. Mal als Bedienung." Eine spannende Zeit sei das gewesen. Auch in Montreux und Genf habe sie sich im Hotelfach ausprobiert. "In Heidelberg habe ich die höhere Hotelfachschule besucht, anschließend in der Nähe von Stuttgart ein Restaurant mitgeleitet."

Mit Anfang 30 kehrte sie in den Norden zurück und studierte Pädagogik für lernbehinderte Kinder. "Mit dem Gedanken hatte ich schon länger gespielt", sagt sie. Fühlte sie sich damals als eine emanzipierte Frau? "Nein. Mich hat niemand kritisiert, und während des Studiums wurde ich von allen akzeptiert. Somit musste ich mich auch nicht emanzipiert zeigen", sagt Schoppmeier mit einem Schulterzucken. Nach dem Studium habe sie einen Job an einer Hamburger Schule für Lernbehinderte gefunden. "Diese Kinder zu unterrichten, war eine wundervolle Aufgabe." Die erste Zeit habe sie ihre Eltern häufig in Ahrensburg besucht. "Irgendwann habe ich mir an der Moltkeallee eine eigene Wohnung genommen", sagt sie und schmunzelt. "Weil es hier so schön ist. Ich meiner Familie wieder näher sein wollte. Für sie da zu sein, sich gegenseitig zu helfen, war immer das Wichtigste für mich." Deshalb sei es für sie später auch eine Selbstverständlichkeit gewesen, die Mutter im Elternhaus zu pflegen, als es ihr immer schlechter ging - bis zu ihrem Tod 1989.

Johanna Schoppmeier wirkt wie eine Frau, für die die anderen immer an erster Stelle kommen. Sich damit zu brüsten, würde ihr sicher im Traum nicht einfallen. Sie ist eine Frau der Tat - und nicht der großen Worte. Wenn sie gefragt wird, wovon sie als junge Frau geträumt hat, muss sie kurz überlegen. Sie faltet die Hände im Schoß, kommt mit ihrem Kopf etwas näher, als würde sie gleich ein Geheimnis preisgeben: "Zum Träumen - zum Träumen war damals nicht die Zeit."

Wie auch alle anderen habe sie ihre Aufgaben gehabt. "Wichtige Aufgaben, die ich gut und mit Sorgfalt erfüllen wollte." Sich den Kindern in der Schule und der Familie zu Hause zu widmen, sei eine Herzenssache gewesen.

Eine eigene Familie hat sie nie gegründet. "Auf die Männer habe ich gar nicht so geachtet", sagt sie. An Verehrern hat es sicher nicht gemangelt - die Falten, das graue Haar und der leicht gebückte Gang täuschen nicht darüber hinweg, dass Johanna Schoppmeier auch in jungen Jahren eine wunderschöne Frau war. "Ach, nichts Besonderes", wiegelt sie mit einer wegwerfenden Handbewegung ab. Vielleicht sei ihr der Märchenprinz auch einfach nicht über den Weg gelaufen.

Vielleicht hatte Johanna Schoppmeier auch immer nur Augen für andere Menschen und ihre Wünsche - Menschen, denen sie etwas Gutes tun konnte.