Schriftsteller Harry Fischer ist zu Besuch in der Ahrensburger Grundschule Am Aalfang. Sein Plan: Er will die Kinder für Poesie begeistern.

Ahrensburg. Kann man Viertklässler im Zeitalter immer bunterer und aufwändigerer Computerspiele dazu bewegen, eine Zeit lang einfach nur gebannt der Stille zuzuhören? Kann man mit ihnen darüber nachdenken, ob Regentropfen eine Sprache haben und kann man mit ihnen über Aristoteles sprechen, ohne dass einem der Kinder langweilig wird? Und werden diese Jungen und Mädchen schließlich selbst Gedichte verfassen - lustig und albern, nachdenklich und traurig, gereimt und nicht gereimt, aber niemals ohne Begeisterung geschrieben?

Die Antwort: Ja, das alles ist möglich. Der Dichter Harry Fischer tritt in diesen Tagen an der Ahrensburger Grundschule Am Aalfang den Beweis an. Der 59-jährige, der in der Nähe von Stuttgart wohnt, ist auf Einladung der Grundschule in mehreren Klassen zu Gast, um sie für Poesie zu begeistern, ihnen die Berührungsängste mit Literatur zu nehmen und in ihnen vor allen Dingen "den Blick für die kleinen Dinge zu wecken, die das Leben lebenswert machen", wie er sagt.

Seine eineinhalbstündigen Seminare, die er mit den Kindern macht, sind vor allem eines: eine gar nicht alltägliche und sehr eindringliche Ermutigung, selbst einmal zum Stift zu greifen und Dinge aufzuschreiben - weil das Freude macht und weil diese Dinge sonst in Vergessenheit geraten könnten. Fischer war mit seinem besonderen Unterricht schon in mehr als 1000 Schulen in Deutschland zu Gast. In Stormarn ist er allerdings zum ersten Mal.

"Seid gegrüßt, ihr Dichter und Poeten", stellt sich Harry Fischer an diesem Tag der Klasse 4 b vor. Dass die Kinder das nämlich sind, will Fischer ihnen an diesem Tag klar machen - und dafür geht es erst einmal auf eine Reise.

Die Kinder schließen die Augen, und es geht per Gedankensprung ins antike Griechenland, wo die Kinder unter anderem einem Mann namens Aristoteles begegnen. Der hat einmal gesagt, dass im Prinzip jeder Mensch gerne Dinge nachahmt, also malt, singt, tanzt oder eben Gedichte schreibt. Poet zu sein ist demnach eine Sache, die man gar nicht mehr zu lernen braucht - und ein Gedicht kann praktischerweise auch jedes Thema haben.

"Alles kann Poesie sein. Wenn man am Meer sitzt, zum Beispiel", sagt Fischer. Es sind einfache Worte, die er benutzt, und einfache Beispiele, die er wählt - aber gerade die sorgen dafür, dass die Kinder ihm vom ersten Moment an den Lippen hängen. Klassenlehrerin Marianne Hemfort, die selbst auf einem der Kinderstühle Platz genommen hat, muss sehr, sehr wenig dafür tun, damit diese poetische Reise reibungslos abläuft.

Zum Grundkursus gehört auch, dass Harry Fischer eigene Gedichte vorträgt. So liest er vom Kieselstein, den er besonders lieb hatte, und von der Blume, die vergessen hatte zu blühen. Im anschließenden Gespräch erfassen die Kinder spielend, was eine Metapher ist. "Ich kenne ein Mädchen, das war sehr wütend nach dem Fußball, weil es unbedingt das letzte Tor schießen wollte. Es war auch wie eine Blume, die vergessen hatte zu blühen", sagt Meira.

Im zweiten Teil des Seminars dürfen die Kinder endlich ihre eigenen Gedichte verfassen - nach einem Thema ihrer Wahl. Manche grübeln erst einmal eine Weile vor dem leeren Blatt Papier, andere schreiben gleich los - wie Christopher, der gleich etwas über Fußball zu Papier bringt. Luca und Jan hingegen schreiben über einen Hasen, der sich einer wilden Verfolgungsjagd ausgesetzt sieht. Ein junge namens Franz will ihn nämlich fangen und jagt den Hasen sogar "per E-Mail". Wie so etwas geht?

"Keine Ahnung. Aber es soll doch fantasievoll sein, oder?", sagt Luca, der sich gut vorstellen kann, jetzt auch zu Hause einmal ein Gedicht zu schreiben. Doch zuerst einmal soll das Abenteuer des Hasen noch weitergehen. "Los, wir schaffen noch zwei Seiten!", sagt sein Ko-Autor Jan.

Harry Fischer schaut den Kindern hier und da über die Schulter, steht mit Rat und Tat zur Seite, wenn es mal hakt. Wie zum Beispiel bei Carlo, den ein Reim auf "hohl" fehlt und der dann selbst auf das Wort "Kohl" kommt.

Manche Gedichte bringen Fischer spontan zum Lachen, andere wiederum beeindrucken - zum Beispiel dann, wenn Kinder in ihren Worten darüber schreiben, wie sich ihre Eltern getrennt haben. Er ist der Meinung, dass gerade Kinder einen besonders unverfälschten Zugang zu den Wörtern haben, Dinge deshalb auch eindrücklicher ausdrücken können als mancher Erwachsener, der seiner Sprache nicht mehr vertraut. Sätze wie "Das Leben ist kaputt gesprungen / Ich glaube, jetzt bin ich gezwungen / Es wieder gut zu machen" sind Beispiele dafür.

Bei allem Ernst, der in einigen Gedichten durchklingt, ist die besondere Unterrichtsstunde vor allem eines: fröhlich. Als besondere Erinnerung wird jedes Kind ein Buch bekommen, in dem alle Gedichte abgedruckt sind.